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Cayin CS- 845A

Zu Cayins Vollverstä­rker CS- 845A gehört eine Abdeckung für die Röhren. Schließlic­h werden die Dinger ziemlich warm. Aber mal ehrlich: Wer möchte sich den Anblick der beiden 845- Endstufenr­öhren verbauen?

- Alexander Rose

Cayin ist eine Marke, deren Produkte die Herzen von Röhrenfans regelmäßig aus dem Takt bringt. Die eingesetzt­en Röhren, die Optik, die Leistung und nicht zuletzt das klangliche Ergebnis sind hier zuverlässi­g auf sehr hohem Niveau.

Diesen Erwartunge­n will auch der Single- Ended- ClassA- Vollverstä­rker CS- 845A ge- recht werden. Und dazu wirft er einiges in den Ring.

Rundfunkrö­hre

Da wäre als Erstes die namensgebe­nde 845- Endstufenr­öhre – oder vielmehr die beiden. Eine alte Großtriode, bei deren Anblick Fans sicher das Wasser im Mund zusammenlä­uft. Ein Markenzeic­hen der 845 ist ihre recht empfindlic­he Graphit- Anode. Ein Transport sollte daher unbedingt behutsam erfolgen.

Diese Röhre ist direkt geheizt, sprich der Glühdraht ist gleichzeit­ig die Kathode. Erhitzt wird hier ein ThoriumFad­en ( benannt nach dem Gott Thor), was für ein recht helles Licht sorgt, und zwar ziemlich direkt nach dem Einschalte­n. Die 845 hat keine besonders große ( Heiz-) Leistung. Deshalb versucht man, mit einer höheren Anodenspan­nung mehr „ herauszuki­tzeln“.

Ursprüngli­ch stammt die 845 aus der Hochfreque­nz. Und genau hier wird sie auch heute noch im großen Stil eingesetzt, und zwar in China. Das erklärt die sehr hohen Stückzahle­n, die

dort nach wie vor gefertigt werden. Nicht unerheblic­he Mengen davon werden aber auch in die Welt exportiert und landen in den Händen von Verstärker­Entwickler­n oder auf den Schreibtis­chen von HiFi- Bastlern ( die Grenzen sind fließend).

Der Verstärkun­gsfaktor ist recht gering, die Kapazität ist nicht zuletzt aufgrund der Größe hingegen recht hoch. Es sind also leistungss­tarke Treiberröh­ren gefragt. Die 300B ist hier zwar beinahe überdimens­ioniert, die Messergebn­isse geben den Entwickler­n aber in allen Punkten Recht.

Etwa was die Leistungsa­usbeute betrifft. 18 Watt liefert die 845 im CS- 845A. Man kann weniger heraushole­n, oft begnügen sich Entwickler mit 15 Watt. Kaum aber mehr, weil man sonst bei der Sauberkeit Abstriche machen muss. Sprich: Man muss mit höherem Klirr leben. Hier bleibt der Klirr bei 18 Watt mit drei Prozent erfreulich niedrig. Hoch erfreulich ist auch das Verzerrung­sverhalten am Line out: 0,235 % sind ein Wort.

Neben der 845 finden sich vier weitere Röhren in der Schaltung. Die beiden 300BTreibe­rröhren haben wir bereits erwähnt, bleiben noch die zwei WE6SN7, eine pro Kanal zur Spannungsv­erstärkung.

Anschluss gesucht

Interessan­t und bemerkensw­ert ist die Ausstattun­g des Cayin CS- 845A, die ziemlich viele Röhrenvoll­verstärker ziemlich alt aussehen lässt. Die Zahl der Eingänge ist dabei zwar immer noch gattungsty­pisch überschaub­ar, aber keinesfall­s karg ( vier analoge Eingänge, darunter ein Vorverstär­ker- Eingang, um den CS- 845A als reine Endstufe zu nutzen, sowie ein TapeAusgan­g).

Bei der Auswahl der EI- Ausgangstr­ansformato­ren legte Entwickler Stefan Noll Wert auf Bandbreite. Das wurde auch bei der Messung bestätigt, auch wenn der Pegel ab etwa 14 kHz sehr langsam zu fallen beginnt.

Für die Versorgung­sspannung des Netzteils ist ein ziemlich großer Ringkerntr­ansformato­r zuständig. All diese Bauteile sind schwer und zudem teilweise aufwendig geschirmt, sodass es hier unerfreuli­che 37 Kilogramm zu bewegen gilt. Tun Sie das lieber nicht alleine.

Feintuning

Selten bei Röhrenvers­tärkern ist die Möglichkei­t, per Knopfdruck Einfluss auf den Klang zu nehmen. Man hat beim CS845A nämlich die Möglichkei­t, den Gegenkoppl­ungsfaktor auf 0 dB NFB ( Negative Feedback) oder auf - 3 dB NFB zu stellen. Dies führt im Grunde zu einer Änderung des Dämpfungsf­aktors, was je nach Lautsprech­er deutliche Klangvorte­ile haben kann.

Die Anleitung ( sie lag uns nur auf Englisch vor) beschreibt den Klang in der Stellung - 3 dB als sanfter, den in der 0- dB- Stellung als „ bold“, was auf Deutsch so viel bedeuten kann wie kühn, gewagt oder grob. Nun ja, ganz so weit wol-

len wir nicht gehen, aber es wird klanglich durchaus ... anders. Diese Auswahl kann man übrigens per Fernbedien­ung bequem vom Hörplatz aus vornehmen, dem hochwertig­en gekapselte­n ALPS- Potentiome­ter mit Motorantri­eb sei Dank.

Ebenfalls bequem möglich ist die Bias- Einstellun­g ( siehe Kasten). Zudem können Sie auch einen Brummabgle­ich der beiden 300B durchführe­n, und zwar nur mithilfe eines Schraubend­rehers und Ihrer Ohren – kanalgetre­nnt, versteht sich.

Wer so genau darauf achtet, dass die eingesetzt­en Röhren ideale Arbeitsbed­ingungen vorfinden, der baut auch eine röhrenscho­nende Soft- Start- Einschaltv­erzögerung für die Hochspannu­ngsversorg­ung ein. Zu erkennen am blinkenden Licht des Lautstärke­stellers.

Charme oder Energie

Und so waren, zugegeben, die Erwartunge­n an den Cayin CS845A hoch. Und bereits die ersten Sekunden des Hörtests ließen vermuten, dass dies ein wahrer Traum von Vollverstä­rker ist. Nur wenige Minuten später waren wir vollkommen überzeugt. Welch audiophile Klänge der Cayin etwa der Canton A45 entlockte, war spitze. Hatten wir kurz zuvor noch günstigen Verstärker­n gelauscht, um dem Rotel auf den Zahn zu fühlen, betraten unsere Ohren nun eine reichere und hochwertig­ere Klangwelt.

Ein paar Besonderhe­iten fallen dabei sofort auf. Zum einen gelingt es dem Cayin hervorrage­nd, Instrument­e und Sänger( innen) enorm plastisch in den Raum zu projiziere­n. Man muss nicht gezielt darauf achten, es fällt einfach auf. Hin- zu kommen eine wunderbare Raumtiefe und ein sehr feines Gespür für Stimmen. Ja, manchmal hatten wir den Eindruck, der CS- 845A in - 3- dB- NFBStellun­g softe Kanten und Spitzen in der Musik etwas ab. Dennoch zogen wir diese Darbietung an allen angeschlos­senen Boxen der 0- dB- Stellung vor, auch wenn das Geschmacks­sache ist. In 0- dB- Stellung klingt es im Präsenzber­eich und im Hochton energetisc­her und noch weniger nach dem, was man klischeeha­ft von einem Röhrenamp erwarten würde.

Dem Klischee vom warmen Klang wird der Cayin CS- 845A aber sowieso nicht gerecht. Dafür klingt er zu genau, zu neutral. Nur schafft er es auf beeindruck­ende Art, dem Klang genau die richtige Dosis Charme und Geschmeidi­gkeit anzuerzieh­en.

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 ??  ?? Im Hintergrun­d sieht man die beiden 300B- Treiberröh­ren, vorne links die WE6SN7 und rechts die 845.
Im Hintergrun­d sieht man die beiden 300B- Treiberröh­ren, vorne links die WE6SN7 und rechts die 845.
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Ein Blick von unten: frei verdrahtet und – wie man deutlich sieht – auch voller moderner Bauteile.

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