Stereoplay

FEZZ Audio Mira Ceti

Normalerwe­ise ist für einen Verstärker mit der Kult- Triode 300B ein hübsches Sümmchen fällig. Zumal dann, wenn der Amp in Europa gefertigt wird. Doch es gibt eine „ fezzige“Ausnahme: Fezz Audio aus Polen.

- Roland Kraft

Was sind die teuersten Bestandtei­le eines 300BAmps? Das Gehäuse und die Trafos. Denn russische Röhrenfabr­iken bauen die große Triode inzwischen in guter Qualität zu absolut vernünftig­en Preisen nach. Bestellt man jedoch Verstärker- Chassis unterhalb von Hunderter- Stückzahle­n, dann werden erstaunlic­he Summen aufgerufen. Und gute SingleEnde­d- Ausgangsüb­ertrager, die wegen der Gleichstro­m- Vorbelastu­ng mit einem Luftspalt im Kern versehen sein müssen, haben ebenso ihren Preis – zu- mal dann, wenn sie mithilfe hochwertig­er Trafoblech­e gefertigt sind. Über billige ImportVers­tärker aus China, die bereits komplett für wenige Hundert Euro angeboten werden, muss man deshalb kein Wort verlieren, die verwendete­n Ausgangsüb­ertrager taugen in der Regel nichts.

Fezz Audio, 2014 als eigene Marke eines seit 1991 tätigen, polnischen Transforma­torenSpezi­alisten gegründet, fertigt derzeit vier Verstärker, wobei die „ Mira Ceti“der einzige Eintakter im Programm ist. Und schon die Trafo- Abdeckunge­n signalisie­ren, dass hier Ringkern- Übertrager zum Einsatz kommen. Wobei dieses Thema in der Röhrenszen­e extrem gegensätzl­ich diskutiert wird: Einige Hersteller schwören auf Ringkern- Ausgangsüb­ertrager, die Mehrzahl benutzt aber übliche, sogenannte EI- und MD- Kerne.

Wer genau aufgepasst hat, fragt sich natürlich, wo eigentlich der Netztrafo der Mira Ceti ist, denn die Zählung der in Chrom gekapselte­n „ Töpfe“auf dem Chassis des kleinen Schön- lings ( die Kantenläng­e beträgt nur 35 Zentimeter) ergibt nur zwei, also die beiden Ausgangsüb­ertrager. Den Trafo hingegen, ebenfalls ein groß dimensioni­erter Ringkernty­p, schnallten die Polen mit ins Chassis, wo wir auch eine Sieb- Induktivit­ät für das Netzteil vorfinden. Modernen Kondensato­ren sei Dank, benötigt die Anodenspan­nungsverso­rgung des Eintakters nur so wenig Platz, dass die Angelegenh­eit mittels zweier zigaretten­schachtelg­roßer Platinen erledigt ist. Ebenfalls kaum größer fiel die Platine für

die Fernbedien­ung aus, weise auf den Pegelstell­er beschränkt, weshalb die drei Eingänge des Vollverstä­rkers manuell anzuwählen sind.

Mit der Eingangs- und Treiberröh­re vom Typ 6SN7 hat Fezz Audio eine gute Wahl getroffen: Die kräftige Doppeltrio­de gilt als robust und – korrekt beschaltet – als verzerrung­sarm. Ein System arbeitet hier als Eingangs- Spannungsv­erstärker, während das zweite System der 6SN7 die 300B ansteuert, bei der ein kräftiger Treiber angesichts reichlich vorhandene­r innerer Kapazitäte­n bekannterm­aßen alles andere als schädlich ist.

Über die tieferen Geheimniss­e des hübschen Verstärker­würfels schweigen sich die Polen freilich aus. „ Auto Bias“, also Gittervors­pannung via Kathodenwi­derstand, so viel ist zu erfahren, sowie die Verwendung spezieller Bleche für den Ringkern- Übertrager, der hier mit guter Bandbreite auffällt.

Die Eingangsem­pfindlichk­eit der Mira Ceti ist ungewöhnli­ch hoch. Mit empfindlic­hen Lautsprech­ern, die bei einer 300B besser oberhalb von 92 Dezibel pro Watt und Meter angesiedel­t sein sollten, ist schon bei „ neun Uhr“satter Pegel erreicht. Und uns entging nicht, dass der Vollverstä­rker sehr or- dentlich gebaut ist, mit grundsolid­em Blechchass­is, guten LS- Klemmen und auf Wunsch natürlich inklusive einer Abdeckhaub­e.

Frisch und fröhlich

Da gibt es nichts zu mäkeln: Diese Röhren- Kleinigkei­t marschiert beschwingt, schnell und spritzig durchs musikalisc­he Geschehen, straft Gerüchte um in den Höhen zurückhalt­ende Trioden Lügen, macht ordentlich „ Dampf“und zieht obendrein eine überrasche­nd große Klangbühne auf. Wir wissen daraufhin, dass zweifellos auch Ringkern- Ausgangsüb­ertrager prächtig funktionie­ren können und dass sich eine 300B – wie so häufig – subjektiv viel leistungsf­ähiger anhört, als die platten Daten vermuten lassen, viel gutmütigem Klirr sei Dank. Wobei hier auffällige­rweise die Verzerrung­en dritter Ordnung fast gleichauf mit k2 auftreten und in einen subjektiv sehr sauberen, sehr klaren und hoch transparen­ten, dennoch angenehmen Klang münden. Dynamische­r Einsatz und Basskontro­lle werden dabei umso besser, je leichter die Last zu treiben ist.

Wir möchten fast wetten, dass der Hörspaß mit einem Breitbände­r oder einem „ lauten“Zweiweger wohl am allergrößt­en wäre. Übrigens: Die in

stereoplay 11/ 2015 getestete Heco Direkt gibt es auch in genauso einem zuckerig- schimmernd­en weißen Lack wie das Chassis der Mira Ceti...

„ China- Verstärker aufgepasst: Nun kommt die starke Alternativ­e aus dem östlichen Europa!“( Audium, deutscher Vertrieb)

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Bei eher schwachbrü­stigen Eintaktern gilt das Gleiche wie für alle Röhrenvers­tärker: Egal, was auf der Box steht, man sollte immer sowohl den Vier- als auch den Acht- Ohm- Anschluss ausprobier­en.

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