Audion Sterling Anniversary
Wo kämen wir hin, wenn jedes Elektron einfach macht, was es will? Jetzt wird Ordnung geschaffen! Eine Carbon- Beschichtung ( vulgo: Graphit) im Glaskolben soll die negativ geladenen Freigänger wieder einfangen!
Die einst als unzerstörbar geltende EL34- Pentode, das 50er- und 60er- Jahre- Arbeitstier der europäischen Elektronik, ursprünglich aus dem Vorläufertyp EL60 von Philips entwickelt, läuft insbesondere als Metallsockel- Version ( Sammlerjargon: „ Metall- kragen“) heutzutage unter unauffindbar. Die prächtige Pentode, später unter englischer Lizenz in den USA als BeamPower- Tetrode 6CA7 nachgebaut, verkraftete absurd hohe Anodenspannungen und lieferte Power satt, wurde dabei gerne auch mal etwa als Längs regler in Industrie- Netzteilen verbaut. Diese Zeiten sind vorbei, wobei die heute in China unter dem Label Psvane gefertigten EL34 als durchaus ordentlich gelten dürfen, mit dem alten Vorbild aber kaum mithalten können. Für Verstärkerzwecke ist das egal, wobei Psvane eine spezielle EL34/ 6CA7 mit interner Graphit- Beschichtung ( die freie Elektronen einfangen und für bessere Abstrahlung von Wärme sorgen soll) und aluminiumumhülltem Teflon- Sockel anbietet, die wir auch in der Anniversary- Edition des englischen Eintakters „ Sterling“von
Audion wiederfinden. Und der repräsentiert eine seltene Spezies, nämlich einen im Pentodenbetrieb laufenden Eintakter, der für seine Gattung reichlich Leistung produziert. Und auch ein hübsches, kompaktes Kerlchen mit reichlich „ Habenwill“- Faktor ist.
Daten & Fakten
Üblicherweise, so die Daten der EL34, gibt die Röhre im Triodenbetrieb ( dabei wird das zweite Gitter meist über einen 100- Ohm- Widerstand mit der Anode verbunden) rund sechs Watt her; als Pentode beschaltet darf man dagegen mit der doppelten Ausbeute rechnen. Doch im Pentodenbetrieb ist der Innenwiderstand recht hoch, was sich freilich mit ein wenig Gegenkopplung kurieren lässt.
Für die Anniversary- Edition spendiert der englische Hersteller einen leistungsfähigeren, im eigenen Haus gefertigten Ausgangsübertrager mit größerem Kern sowie „ Hard Wiring“, also freie Verdrahtung ohne Platinen. Für Röhrenpuristen das einzig Wahre, soll die aufwendige Lötarbeit doch eine klangliche Verbesserung garantieren. Belege gibt es dafür freilich nicht.
Eingangsseitig vertraut man auf die hinlänglich bekannte Doppeltriode ECC88, die kein schweres Leben haben dürfte, sind die Pentoden doch viel leichter zu treiben als Trioden. Dass die Röhrengemeinde, gerne auf echte Trioden fixiert, Verstärkern wie der Audion Sterling unrecht tut, beweisen nicht nur die Messungen, die dem kleinen Amp überraschend gute Lastverträglichkeit und erstaunlich viel Power bescheinigen.
Charakter & Raum
Eines ist sofort klar: Der Sterling baut eine auffallend große Klangbühne. Überraschend breit, selbst bei voller KanalLastigkeit nicht „ im“, sondern hinter dem Lautsprecher. Das hört man so nicht allzu oft. Wo- möglich ist es die schiere Frische und kristallklare HochtonAusdehnung, die diesen Verstärker einerseits tendenziell eher schlank, andererseits enorm detailfreudig klingen lässt; wer alles ganz genau wissen will, ist hier an der richtigen Adresse und kann sich nicht nur auf die fulminante 3D- Darstellung, sondern auch auf ausreichend Schub verlassen.
Nervig wird der Engländer dabei nicht, wenngleich wir ihn weniger für nicht allzu bassfreudige Breitbänder empfehlen würden, doch die Lastverträglichkeit des Sterling beschränkt den Engländer keineswegs auf Spezial- Lautsprecher!
Die Regel heißt: ausprobieren. Je nach persönlichem ( Klang-) Geschmack könnte der Audion durchaus den Gegenpol zu manchen Röhrenverstärkern darstellen, die zu betont freundlich und deshalb wenig auflösend erscheinen. Unser Tipp: unbedingt anhören.