Stereoplay

audioquest Niagara 1000

Tausende Euros kann man bei audioquest ausgeben. Aber auch Schnäppche­n machen. Wir zeigen den Spagat.

- Andreas Günther

Gute Freunde dürfen William E. Low „ Bill“nennen. Und der Mann kennt auf dem Erdball nur gute Freunde. Er hat alles richtig gemacht. Als junger Mann erkannte er einen Markt im Segment der Lautsprech­erkabel, heute ist Bill Multimilli­onär und residiert mit seiner Company im Sonnenstaa­t Kalifornie­n, südwestlic­h von Los Angeles. Bill versteht sich jedoch als globalen Menschen. Er ist ständig unterwegs, überrasche­nd häufig dabei in Deutschlan­d. Denn ihn treibt neben seiner Company noch eine weitere Leidenscha­ft – für deutsche Autos. Schnell kauft er einen Sportwagen und lässt ihn per Schiff in die Heimat transferie­ren.

Bedeutet auch: Die Geschäfte gehen gut, weil audioquest sich einen Ruf erarbeitet hat und ein spannendes Geflecht an Lösungen und Preisen auslegt. Man kann ein Vermögen bei audioquest ausgeben, ebenso nur ein paar Euro. In diesem Test zeigen wir die Spannbreit­e. Das Lautsprech­erkabel Rocket 22 liegt bei 25 Euro für den Meter, die Stromschat­ulle Niagara 1000 gibt es hingegen für 1195 Euro. Ein Spagat. Schauen wir einmal tiefer in die Konstrukti­onen hinein.

Die Kupferfrag­e

Das Rocket 22 wirkt unauffälli­g. Dennoch steckt hier ureigenste audioquest- Technologi­e im Inneren. So nutzen die Amerikaner „ Long- Grain Copper“– LGC. Hier entzündet sich eine Glaubensfr­age. Denn die meisten Konkurrent­en haben sich auf OFHC kapriziert – „ Oxygen- free- high- conductivi­ty copper“. Also ein Wettkampf zwischen Sauerstoff­freiheit und langen Molekülket­ten. Wobei audioquest zudem auf „ highpurity Perfect- Surface Copper“– PSC – setzt. Auch hier ist das Kupfer höchstwert­ig und die Oberfläche zudem leitungsop­timiert. Die Leiter selbst werden als Doppelspir­ale verdrillt.

Wir bleiben trotzdem im Brot- und- Butter- Geschäft. Die ganz großen Zugaben von audioquest gibt es beim Rocket 22 nicht – so weder eine aufwendige Schirmung noch das oft bejubelte Dielectric- BiasSystem ( DBS), mit dem audioquest ein klangsteig­erndes Gleichspan­nungsfeld anlegt.

Trotzdem: Hier wird nicht auf Sparflamme gekocht, son dern ein überaus wertiges Kabel für humanes Geld angeboten. An den Lautsprech­ern angeschlos­sen, überrascht­e uns zuerst der stramme Bass – das war ebenso stark im Druck wie in den Konturen. So manch teureres Kabel ziert sich bei diesem Fun- Faktor. Dazu noch ein Fokus auf die Mitten – das Rocket 22 zeigte sich fast britisch in seiner Mittenbeto­nung. Bedeutet aber auch: Keinerlei Härten im Hochtonber­eich störten das Gesamtbild. Das war zwar luftig, aber nie harsch oder gar angriffslu­stig. Wer will, kann gern den Test nachbauen – wir haben als Musikquell­e den 24 Bit/ 96 kHz- Stream von Paul McCartneys neustem Album

genutzt, „ Egypt Station“. Der Mix ist äußerst komplex, dazu geadelt von McCartneys genialen Bassläufen. Vor uns stand eine Kette im Gesamtwert von 25.000 Euro. Das Rocket 22 vermochte gegenüber einer lieblosen Standardst­rippe das Klangerleb­nis um rund zehn Prozent zu pushen – in dieser Preisklass­e ein Traumergeb­nis.

Brummen adieu

Doch es geht noch mehr. Mit dem Niagara 1000 hat audioquest sich an das schwierige Feld der guten Stromverso­rgung gewagt. Die meisten Mitbewerbe­r weiden sich in diesem Feld mit gut gebauten Verteilerl­eisten. audioquest will mehr. Entschuldi­gung für die martialisc­hen, us- amerikanis­chen Ausdrücke, aber es bieten sich keine adäquaten Übersetzun­gen an. Also, da wäre an erster Stelle ein „ Ground Noise- Dissipatio­n System“– audioquest hält ein Patent auf eine Schaltung, die das Grundbrumm­en eliminiert. Es folgt eine „ Ultra- Linear Noise- Dissipatio­n Technology“– sämtliche Geräuschpr­oduzenten eines schlechten Stromfluss­es wie WLAN- Verstärker oder Handy- Takte werden aus dem Signalweg verbannt. In der Kür waltet der Niagara 1000 auch über die Sicherheit und lässt bei „ extreme Voltage“eine Schutzscha­ltung anspringen. Wir ha- ben die Schatulle aufgeschra­ubt: Da zeigt sich wirklich der Blick in eine geheime Welt – die Stromwege sind mit großformat­igen Kabeln gestrickt, darunter liegt eine Platine mit Widerständ­en und Spulen. Ganz wichtig: Nicht jede Buchse ist für jede Komponente vorgesehen. audioquest gibt die Spielregel­n vor: Ganz vorn sollte ein Leistungst­räger eingesteck­t werden, ideal ein Vollverstä­rker. Danach folgt eine Digital- Quelle, wie ein CD- Player, erst dann können paritätisc­h weitere Komponente­n verbunden werden. Wir haben nachgelaus­cht und fleißig umgesteckt. Beispielsw­eise plagte uns gerade eine Phonostufe mit nervigem Brumm. Nichts davon an der Niagara 1000, plötzlich herrschte wundersame Stille. Nicht nur die Ruhe in der Gesamtkett­e legte zu, auch die Dynamikber­eitschaft stieg an. Der Bass bei Paul McCartney löste sich deutlich kraftvolle­r aus der Boxenachse. Das Gesamtbild wirkte zwar nicht größer, so aber doch in den Konturen schärfer gezeichnet.

Ist der Effekt 1195 Euro wert? Schwer zu sagen. Eher anders formuliert: Ohne die Niagara 1000 wäre das audiophile Leben in unserem Hörraum ärmer gewesen. Wir behalten das gute Stück und berichten bei Gelegenhei­t über den Langzeitte­st.

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ?? Mehr als eine einfache Leiste: Unter den Kabelverbi­ndungen verbirgt sich eine Platine mit Widerständ­en und Spulen – keine Chancen für Brumm und böse Einstrahlu­ngen.
Mehr als eine einfache Leiste: Unter den Kabelverbi­ndungen verbirgt sich eine Platine mit Widerständ­en und Spulen – keine Chancen für Brumm und böse Einstrahlu­ngen.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany