audioquest Niagara 1000
Tausende Euros kann man bei audioquest ausgeben. Aber auch Schnäppchen machen. Wir zeigen den Spagat.
Gute Freunde dürfen William E. Low „ Bill“nennen. Und der Mann kennt auf dem Erdball nur gute Freunde. Er hat alles richtig gemacht. Als junger Mann erkannte er einen Markt im Segment der Lautsprecherkabel, heute ist Bill Multimillionär und residiert mit seiner Company im Sonnenstaat Kalifornien, südwestlich von Los Angeles. Bill versteht sich jedoch als globalen Menschen. Er ist ständig unterwegs, überraschend häufig dabei in Deutschland. Denn ihn treibt neben seiner Company noch eine weitere Leidenschaft – für deutsche Autos. Schnell kauft er einen Sportwagen und lässt ihn per Schiff in die Heimat transferieren.
Bedeutet auch: Die Geschäfte gehen gut, weil audioquest sich einen Ruf erarbeitet hat und ein spannendes Geflecht an Lösungen und Preisen auslegt. Man kann ein Vermögen bei audioquest ausgeben, ebenso nur ein paar Euro. In diesem Test zeigen wir die Spannbreite. Das Lautsprecherkabel Rocket 22 liegt bei 25 Euro für den Meter, die Stromschatulle Niagara 1000 gibt es hingegen für 1195 Euro. Ein Spagat. Schauen wir einmal tiefer in die Konstruktionen hinein.
Die Kupferfrage
Das Rocket 22 wirkt unauffällig. Dennoch steckt hier ureigenste audioquest- Technologie im Inneren. So nutzen die Amerikaner „ Long- Grain Copper“– LGC. Hier entzündet sich eine Glaubensfrage. Denn die meisten Konkurrenten haben sich auf OFHC kapriziert – „ Oxygen- free- high- conductivity copper“. Also ein Wettkampf zwischen Sauerstofffreiheit und langen Molekülketten. Wobei audioquest zudem auf „ highpurity Perfect- Surface Copper“– PSC – setzt. Auch hier ist das Kupfer höchstwertig und die Oberfläche zudem leitungsoptimiert. Die Leiter selbst werden als Doppelspirale verdrillt.
Wir bleiben trotzdem im Brot- und- Butter- Geschäft. Die ganz großen Zugaben von audioquest gibt es beim Rocket 22 nicht – so weder eine aufwendige Schirmung noch das oft bejubelte Dielectric- BiasSystem ( DBS), mit dem audioquest ein klangsteigerndes Gleichspannungsfeld anlegt.
Trotzdem: Hier wird nicht auf Sparflamme gekocht, son dern ein überaus wertiges Kabel für humanes Geld angeboten. An den Lautsprechern angeschlossen, überraschte uns zuerst der stramme Bass – das war ebenso stark im Druck wie in den Konturen. So manch teureres Kabel ziert sich bei diesem Fun- Faktor. Dazu noch ein Fokus auf die Mitten – das Rocket 22 zeigte sich fast britisch in seiner Mittenbetonung. Bedeutet aber auch: Keinerlei Härten im Hochtonbereich störten das Gesamtbild. Das war zwar luftig, aber nie harsch oder gar angriffslustig. Wer will, kann gern den Test nachbauen – wir haben als Musikquelle den 24 Bit/ 96 kHz- Stream von Paul McCartneys neustem Album
genutzt, „ Egypt Station“. Der Mix ist äußerst komplex, dazu geadelt von McCartneys genialen Bassläufen. Vor uns stand eine Kette im Gesamtwert von 25.000 Euro. Das Rocket 22 vermochte gegenüber einer lieblosen Standardstrippe das Klangerlebnis um rund zehn Prozent zu pushen – in dieser Preisklasse ein Traumergebnis.
Brummen adieu
Doch es geht noch mehr. Mit dem Niagara 1000 hat audioquest sich an das schwierige Feld der guten Stromversorgung gewagt. Die meisten Mitbewerber weiden sich in diesem Feld mit gut gebauten Verteilerleisten. audioquest will mehr. Entschuldigung für die martialischen, us- amerikanischen Ausdrücke, aber es bieten sich keine adäquaten Übersetzungen an. Also, da wäre an erster Stelle ein „ Ground Noise- Dissipation System“– audioquest hält ein Patent auf eine Schaltung, die das Grundbrummen eliminiert. Es folgt eine „ Ultra- Linear Noise- Dissipation Technology“– sämtliche Geräuschproduzenten eines schlechten Stromflusses wie WLAN- Verstärker oder Handy- Takte werden aus dem Signalweg verbannt. In der Kür waltet der Niagara 1000 auch über die Sicherheit und lässt bei „ extreme Voltage“eine Schutzschaltung anspringen. Wir ha- ben die Schatulle aufgeschraubt: Da zeigt sich wirklich der Blick in eine geheime Welt – die Stromwege sind mit großformatigen Kabeln gestrickt, darunter liegt eine Platine mit Widerständen und Spulen. Ganz wichtig: Nicht jede Buchse ist für jede Komponente vorgesehen. audioquest gibt die Spielregeln vor: Ganz vorn sollte ein Leistungsträger eingesteckt werden, ideal ein Vollverstärker. Danach folgt eine Digital- Quelle, wie ein CD- Player, erst dann können paritätisch weitere Komponenten verbunden werden. Wir haben nachgelauscht und fleißig umgesteckt. Beispielsweise plagte uns gerade eine Phonostufe mit nervigem Brumm. Nichts davon an der Niagara 1000, plötzlich herrschte wundersame Stille. Nicht nur die Ruhe in der Gesamtkette legte zu, auch die Dynamikbereitschaft stieg an. Der Bass bei Paul McCartney löste sich deutlich kraftvoller aus der Boxenachse. Das Gesamtbild wirkte zwar nicht größer, so aber doch in den Konturen schärfer gezeichnet.
Ist der Effekt 1195 Euro wert? Schwer zu sagen. Eher anders formuliert: Ohne die Niagara 1000 wäre das audiophile Leben in unserem Hörraum ärmer gewesen. Wir behalten das gute Stück und berichten bei Gelegenheit über den Langzeittest.