Hochenergetischer Drive Aparté/ harmonia mundi 185 ( 85: 43, 2 CDs)
Der traurige Triumph der Staatsräson über menschliche Neigung ist bei Antonio Salieri ein Highspeed- Drama, eine Art Teilchenbeschleuniger der Gluck’schen Opernreform mit kurzen, bisweilen fast fragmentierten Soli, vorantreibenden Accompagnati, stürmenden Ensembles und Chören. Keine 90 Minuten braucht Salieris „ Les Horaces“Dreiakter von 1786, um die pessimistische Camille erst mittels trügerischem Götterorakel in Sicherheit zu wiegen, dann ihren frisch angetrauten Gemahl Curiace in jenen Sechskampf mit den Horatiern zu treiben, der den Krieg zwischen Alba und dem aufstrebenden Rom schlichten soll, so- dann Curiace im Gefecht sterben und Roms nunmehr errungene imperiale Größe feiern zu lassen – begleitet von den hasserfüllten Flüchen der armen Camille. Da bleiben kaum Raum noch Zeit für Innerlichkeit und lyrische Reflexion, dennoch gelingt Salieri das Kunststück, die zwischen Patriotismus und grenzüberschreitender Liebe hin- und hergerissene Tochter des erzrömischen Clanchefs Horatius in allen Wechselfällen des Gefühls bündig zu charakterisieren. Judith van Wanroij als Camille bleibt dem in Christophe Roussets fulminanter Einspielung nichts schuldig: Mit leuchtender Emphase zieht sie ihre Sopranlinien, legiert soubrettenhafte Leichtigkeit mit feinem Espressivo zu wahrer Empfindung, schärft dramatisch ihren Protest gegen jenes Pflichtgehabe, dem Curiace erliegt; während Cyrille Dubois’ geschmeidig- schöner Tenor in dieser Rolle von den elegischen Seelentönen des Helden kündet, der anderes will, aber nicht kann. Dazu gibt Jean- Sébastien Bou mit biegsamem Bariton einen unbeugsamen Horatier- Senior, und Rousset feuert seine Talens Lyriques zu einem hochenergetischen Drive an, der gerade nicht mit dem Presslufthammer das Klangrelief rasiert, sondern Rasanz an scharfe Fokussierung und plastische Gestaltung bindet. Zusammen mit dem brillanten Chor entsteht ein dramatischer Sog von unwiderstehlicher Kraft.