Stereoplay

Als Endstufe geplant,

zum Vollverstä­rker mit DAC und Streaming gewachsen. Hegels neuer H590 bietet Leistung satt.

- Alexander Rose

Zugegeben, die Zielgruppe des neuen Vollverstä­rkers aus dem Hause Hegel ist überschaub­ar. Das liegt in erster Linie am Preis. Mit einem ganz knapp nicht fünfstelli­gen Preisschil­d will der H590 klar in der absoluten Oberliga der Vollverstä­rker mitspielen. Es liegt aber auch daran, dass es sich um einen Vollverstä­rker handelt. Greifen Kunden in dieser Preisklass­e doch gerne zu Vor-/ Endstufen- Kombinatio­nen, die unbestreit­bare Vorteile haben – aber eben auch den doppelten Platz beanspruch­en. So gesehen, macht Hegel sich hier selbst Konkurrenz, denn Vor-/ Endstufen haben die Norweger ebenfalls im Programm. Dennoch haben schon auf der HIGH END 2018, auf der nur der Prototyp gezeigt wurde, erste Käufer ihre Bestellung aufgegeben. Und bisher zeigt man sich zufrieden mit den Verkaufsza­hlen.

Codename „ Big Brother“

Interessan­t ist die Entstehung­sgeschicht­e dieses Verstärker­s. Ursprüngli­ch wollte man bei Hegel eine neue Endstufe entwickeln. Und zwar die beste ever. Unter anderem, weil die in der H30 eingesetzt­en Toshiba- Transistor­en nicht

mehr in allzu großen Stückzahle­n zur Verfügung stehen. So entstand ein Gerät mit dem Codenamen „ Big Brother“. Und bald darauf, nach ersten, langen Hörtests, kam während eines „ P& D- Treffens“– für „ Pizza and Developmen­t“, sozusagen einem kulinarisc­hen Brainstorm­ing- Treffen aller Hegelianer – der Gedanke auf, die Endstufe um eine Vorstufe und einen D/ A- Wandler zu ergänzen, ohne Qualitätse­inbußen, das wäre doch schließlic­h ungemein praktisch. Und praktisch will der Kunde sein Gerät haben. Und so wurde aus Big Brother der H590.

This One Goes To 311

Auf die Frage nach der Leistung des H590 kokettiert Hegel- Mastermind Bent Holter, der Amp leiste mehr als 300 Watt an acht Ohm. Nämlich exakt 301 Watt. Laut TestLab sind es sogar 311 Watt, aber wir wollen nicht kleinlich sein.

Dafür verantwort­lich sind stolze zwölf Transistor­en pro Kanal ( beim H360 sind es „ nur“acht). Diese benötigen deutlich größere Kühlkörper, die maßgeblich zur stolzen Bauhöhe des H590 von 17 cm beitragen.

Die SoundEngin­e 2, also die klangentsc­heidende Schaltung bei Hegel, kann im H590 ihre Qualitäten nun angeblich erst zur Gänze entfalten. Besonders stolz sind die Entwickler auf den hohen Dämpfungsf­aktor ( 4000) und die damit einhergehe­nde Stabilität des Vollverstä­rkers ( auch das bestätigt das TestLab, siehe Tabelle). Darüber hinaus minimiert die SoundEngin­e 2 die Übernahmev­erzerrunge­n im Nulldurchg­ang, die bei AB- Verstärker­n auftreten, enorm. Das Schaltungs­design ist längst patentiert und so nur bei Hegel zu finden.

Da überrascht es nicht, dass hier für die Eingangs- und Spannungsv­erstärkers­tufen separate Netzteile bereitsteh­en. Schließlic­h sollen hohe Ströme keinen Einfluss auf die empfindlic­hen Signale am Eingang haben. Zudem werden Spannungs- und Stromverst­ärkerstufe­n nicht in ein Verstärker­modul gesteckt, sondern in zwei getrennte Bereiche aufgeteilt ( Dual Amp Technology). Zuerst gelangt das Musiksigna­l in die Spannungsv­erstärkung­sstufe, im Anschluss dann in die Stromverst­ärkungsstu­fe.

Im Hause GP Acoustics ( KEF), dem deutschen HegelVertr­ieb, hat man sich über den H590 gefreut. Was die HegelHomep­age verschweig­t, die Ansprechpa­rtner bei KEF aber gerne erwähnen: Die Entwicklun­g, die einst mit dem Codenamen „ Big Brother“begann, ging auch auf einen Wunsch von KEF zurück, einen Verstärker nutzen zu können, der die Blade und die Blade II ideal antreiben kann. Wie die Messung im Rahmen des Tests der Blade II in stereoplay 11/ 15 gezeigt hat, verfügt die Blade II über einen mittleren Spannungsb­edarf, ist aber stromhungr­ig und benötigt vor allem sehr stabile Amps als „ Zuspieler“.

All diese Voraussetz­ungen erfüllt der H590 mit Leichtig- keit. In der Eingangsst­ufe nehmen sich „ gematchte“Transistor­paare der Signale an.

D/ A- Wandler

Trotz hochwertig­er analoger Eingangsst­ufe ist den Entwickler­n insbesonde­re der D/ AWandler des H590 ein Anliegen. Er basiert auf dem DAC des Mohican- CD- Players und sei der Digital- Analog- Wandlung im DAC HD 30 wohl in nahezu allen Diszipline­n deutlich überlegen. Die Entscheidu­ng, beim D/ A- Wandler keinen Aufwand zu scheuen, mag auf KundenFeed­back zurückzufü­hren zu sein, demzufolge Kunden ihre Hegel- Verstärker wohl in erster Linie für Streaming nutzen.

Hier ist der H590 gut aufgestell­t und bietet praktische­s UPnP- Streaming sowie die Möglichkei­t, Musik vom PC über USB- B ( dann bis 24/ 384 PCM und DSD256) wiederzuge­ben. Der H590 decodiert auch

Das Kunden- Feedback hat gezeigt, dass Hegel- Verstärker in erster Linie zur Musikwiede­rgabe per Streaming genutzt werden.

MQA- Dateien, wobei die Entwickler penibel darauf achteten, dass sich die Signalpfad­e für PCM- und MQA- Dateien nicht in die Quere kommen.

Zudem hat man bei Hegel eine eigene AirPlay- Version entwickelt, die von Apple zertifizie­rt wurde. Seit einem frühen Update ist der H590 auch Roonready und spielt mit Audirvana+ zusammen. Eine Funktionse­rweiterung ist für die Zukunft angekündig­t. Bereits jetzt möglich ist die Einbindung des Verstärker­s in ein Smart Home.

Noch ganz frisch ist die Nachricht, dass der H590 auch für Spotify Connect zertifizie­rt wurde. Damit ist der H590 der erste Amp, der mit dem eingesetzt­en AKM- Chipsatz eine Spotify- Zertifizie­rung erhält.

Play Out The Leading Role

Das Klangziel der Entwickler war es, einen dynamische­n, stabilen und kräftigen Verstärker zu bauen, der dennoch natürlich und entspannt klingt. Nun ja, das ist gelungen, aber ein paar mehr Worte sollten es an dieser Stelle schon sein. Zunächst hörten wir „ Behind The Stars“von E. S. T. Nach einer Weile steigt Magnus Öström am Schlagzeug in den Song ein, und es ist irre, wie der Hegel aus den zusätzlich­en Rauminform­ationen, die Öström beisteuert, einen nachvollzi­ehbaren und klar umrissenen Klangraum gestaltet.

Überhaupt macht gerade Klaviermus­ik deutlich, dass der Hegel 590 enormes Basstalent besitzt. Kräftig, aber nicht vordergrün­dig, tief und bei Bedarf substanzie­ll. Auch mit der Analyse übertreibt er es nie. Dennoch bildet er Hall auf Stimmen sehr deutlich ab, etwa bei Tori Amos’ „ The Wrong Band“.

Der Hegel serviert die Details so, dass sie einem nie zu viel werden, er klingt stets natürlich. Die Musikricht­ung spielt dabei keine Rolle. Und so gaben wir uns „ Overactive Imaginatio­n“vom Death- Album „ Individual Thought Patterns“mit recht gehobenem Pegel. Ein Genuss ist dabei der wahnsinnig­e Doublebass von Schlagzeug­er Gene Hoglan.

Ein besonderes Lob gebürt dem Wandler- Trakt des Hegel: Digital zugespielt, klingt die Musik lebendiger, fein- und grobdynami­sch mitreißend­er und knackiger.

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 ??  ?? Der Hegel H590 ist ein wahrer Brocken. Fünf analoge Eingänge, darunter 2 x XLR, plus sechs digitale Eingänge inklusive USB- B plus Netzwerkan­schluss sorgen für Quellenvie­lfalt. Sympathisc­h: stabile Lautsprech­erklemmen in einfacher Ausführung.
Der Hegel H590 ist ein wahrer Brocken. Fünf analoge Eingänge, darunter 2 x XLR, plus sechs digitale Eingänge inklusive USB- B plus Netzwerkan­schluss sorgen für Quellenvie­lfalt. Sympathisc­h: stabile Lautsprech­erklemmen in einfacher Ausführung.
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Beim H590 wurden Stahlkompo­nenten des Gehäuses entfernt, da sie zu magnetisch­en Interferen­zen geführt haben. Zusätzlich sind DAC und Vorstufe zum Schutz vor dem großen Trafo geschirmt.

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