Als Endstufe geplant,
zum Vollverstärker mit DAC und Streaming gewachsen. Hegels neuer H590 bietet Leistung satt.
Zugegeben, die Zielgruppe des neuen Vollverstärkers aus dem Hause Hegel ist überschaubar. Das liegt in erster Linie am Preis. Mit einem ganz knapp nicht fünfstelligen Preisschild will der H590 klar in der absoluten Oberliga der Vollverstärker mitspielen. Es liegt aber auch daran, dass es sich um einen Vollverstärker handelt. Greifen Kunden in dieser Preisklasse doch gerne zu Vor-/ Endstufen- Kombinationen, die unbestreitbare Vorteile haben – aber eben auch den doppelten Platz beanspruchen. So gesehen, macht Hegel sich hier selbst Konkurrenz, denn Vor-/ Endstufen haben die Norweger ebenfalls im Programm. Dennoch haben schon auf der HIGH END 2018, auf der nur der Prototyp gezeigt wurde, erste Käufer ihre Bestellung aufgegeben. Und bisher zeigt man sich zufrieden mit den Verkaufszahlen.
Codename „ Big Brother“
Interessant ist die Entstehungsgeschichte dieses Verstärkers. Ursprünglich wollte man bei Hegel eine neue Endstufe entwickeln. Und zwar die beste ever. Unter anderem, weil die in der H30 eingesetzten Toshiba- Transistoren nicht
mehr in allzu großen Stückzahlen zur Verfügung stehen. So entstand ein Gerät mit dem Codenamen „ Big Brother“. Und bald darauf, nach ersten, langen Hörtests, kam während eines „ P& D- Treffens“– für „ Pizza and Development“, sozusagen einem kulinarischen Brainstorming- Treffen aller Hegelianer – der Gedanke auf, die Endstufe um eine Vorstufe und einen D/ A- Wandler zu ergänzen, ohne Qualitätseinbußen, das wäre doch schließlich ungemein praktisch. Und praktisch will der Kunde sein Gerät haben. Und so wurde aus Big Brother der H590.
This One Goes To 311
Auf die Frage nach der Leistung des H590 kokettiert Hegel- Mastermind Bent Holter, der Amp leiste mehr als 300 Watt an acht Ohm. Nämlich exakt 301 Watt. Laut TestLab sind es sogar 311 Watt, aber wir wollen nicht kleinlich sein.
Dafür verantwortlich sind stolze zwölf Transistoren pro Kanal ( beim H360 sind es „ nur“acht). Diese benötigen deutlich größere Kühlkörper, die maßgeblich zur stolzen Bauhöhe des H590 von 17 cm beitragen.
Die SoundEngine 2, also die klangentscheidende Schaltung bei Hegel, kann im H590 ihre Qualitäten nun angeblich erst zur Gänze entfalten. Besonders stolz sind die Entwickler auf den hohen Dämpfungsfaktor ( 4000) und die damit einhergehende Stabilität des Vollverstärkers ( auch das bestätigt das TestLab, siehe Tabelle). Darüber hinaus minimiert die SoundEngine 2 die Übernahmeverzerrungen im Nulldurchgang, die bei AB- Verstärkern auftreten, enorm. Das Schaltungsdesign ist längst patentiert und so nur bei Hegel zu finden.
Da überrascht es nicht, dass hier für die Eingangs- und Spannungsverstärkerstufen separate Netzteile bereitstehen. Schließlich sollen hohe Ströme keinen Einfluss auf die empfindlichen Signale am Eingang haben. Zudem werden Spannungs- und Stromverstärkerstufen nicht in ein Verstärkermodul gesteckt, sondern in zwei getrennte Bereiche aufgeteilt ( Dual Amp Technology). Zuerst gelangt das Musiksignal in die Spannungsverstärkungsstufe, im Anschluss dann in die Stromverstärkungsstufe.
Im Hause GP Acoustics ( KEF), dem deutschen HegelVertrieb, hat man sich über den H590 gefreut. Was die HegelHomepage verschweigt, die Ansprechpartner bei KEF aber gerne erwähnen: Die Entwicklung, die einst mit dem Codenamen „ Big Brother“begann, ging auch auf einen Wunsch von KEF zurück, einen Verstärker nutzen zu können, der die Blade und die Blade II ideal antreiben kann. Wie die Messung im Rahmen des Tests der Blade II in stereoplay 11/ 15 gezeigt hat, verfügt die Blade II über einen mittleren Spannungsbedarf, ist aber stromhungrig und benötigt vor allem sehr stabile Amps als „ Zuspieler“.
All diese Voraussetzungen erfüllt der H590 mit Leichtig- keit. In der Eingangsstufe nehmen sich „ gematchte“Transistorpaare der Signale an.
D/ A- Wandler
Trotz hochwertiger analoger Eingangsstufe ist den Entwicklern insbesondere der D/ AWandler des H590 ein Anliegen. Er basiert auf dem DAC des Mohican- CD- Players und sei der Digital- Analog- Wandlung im DAC HD 30 wohl in nahezu allen Disziplinen deutlich überlegen. Die Entscheidung, beim D/ A- Wandler keinen Aufwand zu scheuen, mag auf KundenFeedback zurückzuführen zu sein, demzufolge Kunden ihre Hegel- Verstärker wohl in erster Linie für Streaming nutzen.
Hier ist der H590 gut aufgestellt und bietet praktisches UPnP- Streaming sowie die Möglichkeit, Musik vom PC über USB- B ( dann bis 24/ 384 PCM und DSD256) wiederzugeben. Der H590 decodiert auch
Das Kunden- Feedback hat gezeigt, dass Hegel- Verstärker in erster Linie zur Musikwiedergabe per Streaming genutzt werden.
MQA- Dateien, wobei die Entwickler penibel darauf achteten, dass sich die Signalpfade für PCM- und MQA- Dateien nicht in die Quere kommen.
Zudem hat man bei Hegel eine eigene AirPlay- Version entwickelt, die von Apple zertifiziert wurde. Seit einem frühen Update ist der H590 auch Roonready und spielt mit Audirvana+ zusammen. Eine Funktionserweiterung ist für die Zukunft angekündigt. Bereits jetzt möglich ist die Einbindung des Verstärkers in ein Smart Home.
Noch ganz frisch ist die Nachricht, dass der H590 auch für Spotify Connect zertifiziert wurde. Damit ist der H590 der erste Amp, der mit dem eingesetzten AKM- Chipsatz eine Spotify- Zertifizierung erhält.
Play Out The Leading Role
Das Klangziel der Entwickler war es, einen dynamischen, stabilen und kräftigen Verstärker zu bauen, der dennoch natürlich und entspannt klingt. Nun ja, das ist gelungen, aber ein paar mehr Worte sollten es an dieser Stelle schon sein. Zunächst hörten wir „ Behind The Stars“von E. S. T. Nach einer Weile steigt Magnus Öström am Schlagzeug in den Song ein, und es ist irre, wie der Hegel aus den zusätzlichen Rauminformationen, die Öström beisteuert, einen nachvollziehbaren und klar umrissenen Klangraum gestaltet.
Überhaupt macht gerade Klaviermusik deutlich, dass der Hegel 590 enormes Basstalent besitzt. Kräftig, aber nicht vordergründig, tief und bei Bedarf substanziell. Auch mit der Analyse übertreibt er es nie. Dennoch bildet er Hall auf Stimmen sehr deutlich ab, etwa bei Tori Amos’ „ The Wrong Band“.
Der Hegel serviert die Details so, dass sie einem nie zu viel werden, er klingt stets natürlich. Die Musikrichtung spielt dabei keine Rolle. Und so gaben wir uns „ Overactive Imagination“vom Death- Album „ Individual Thought Patterns“mit recht gehobenem Pegel. Ein Genuss ist dabei der wahnsinnige Doublebass von Schlagzeuger Gene Hoglan.
Ein besonderes Lob gebürt dem Wandler- Trakt des Hegel: Digital zugespielt, klingt die Musik lebendiger, fein- und grobdynamisch mitreißender und knackiger.