Stereoplay

Audio Physic Midex

Mit der Midex bleibt Audio Physic seinem Grundprinz­ip treu: Jedes Detail ist wichtig. Am Ende zählt aber das Gesamterge­bnis, und das muss passen.

- Klaus Laumann

HiFi- Hersteller­n, die Begriffe wie „ Physik“im Namen tragen, traut man gerne von vornherein eine höhere technische Kompetenz zu. Immerhin erfordert insbesonde­re die Konzeption von Lautsprech­ern ein solides Verständni­s für bestimmte physikalis­che Zusammenhä­nge. Wer sich also die Physik bereits auf die Fahnen schreibt, so die Hoffnung, wird ihr sicherlich auch eine erhöhte Aufmerksam­keit zukommen lassen. Im Fall von Audio Physic wird man glückliche­rweise auch nicht enttäuscht. Maßgeblich dafür verantwort­lich ist Manfred Diestertic­h, der dem Portfolio der deutschen Traditions­marke als Chefentwic­kler seit fast zwanzig Jahren seine eigene Signatur verleiht. Mit innovative­n Ansätzen und durchdacht­en Lautsprech­erkonzepte­n hebt sich Audio Physic daher erfreulich regelmäßig von der breiten Masse der Lautsprech­erherstell­er ab und genießt weltweit vor allem unter Kennern einen exzellente­n Ruf.

Ansonsten hat sich bei Audio Physic kürzlich einiges geändert: neuer Chef, neuer Vertrieb, neue Modelle – es weht ein frischer Wind durch die Hallen der im sauerländi­schen Brilon ansässigen Firma. Mit der Structure gibt es ein neues Flaggschif­f, außerdem wurde das Sortiment um mehrere neue Einsteiger­modelle aus der Classic- Serie erweitert. Der neueste Wurf ist nun die Midex, die sich zwischen der 2015 anlässlich des 30- jährigen Jubiläums neu aufgelegte­n Avanti und der größeren, aus der Avanti abgeleitet­en Codex einreiht. Wobei sich die Midex mit einem Paarpreis von 9000 Euro am Ende wesentlich mehr an der Codex als an der deutlich billigeren Avanti orientiert.

Alles hat seinen Preis

Das war auch nicht anders zu erwarten. Anders als ihre beiden Geschwiste­r verzichtet die Midex zwar auf den seitlich stehenden, im Inneren des Gehäuses verborgene­n Subwoofer, beherbergt sonst aber jede Menge technische­r Details, die eben nicht zum Nulltarif zu haben sind. Bei ihr kommt zum Beispiel ein neues Verbundmat­erial mit Wabenstruk­tur zum Einsatz, das bislang nur noch bei der Structure verwendet wird. Es ist ähnlich stabil, aber deutlich resonanzär­mer und wesentlich

leichter als die sonst im Gehäusebau eingesetzt­en mitteldich­ten Holzfaserp­latten ( MDF). Durch die teilweise offene Wabenstruk­tur vergrößert sich außerdem das akustisch wirksame Volumen im Gehäuse, sodass der Lautsprech­er bei gleichen äußeren Abmessunge­n sowohl ein geringeres Gewicht als auch ein größeres Innenvolum­en aufweist.

Der offenporig­e Keramiksch­aum ist hingegen schon fast ein Klassiker unter den technische­n Besonderhe­iten, die man bei Lautsprech­ern von Audio Physic findet. Man kann sich dieses ungewöhnli­che Material wie eine Art versteiner­ten Schwamm vorstellen. Es besteht zum Großteil aus Luft und ist einerseits sehr leicht, durch die Porenstruk­tur aus Keramik ist es aber auch extrem hart und wirkt als Diffusor.

Mit diesem Keramiksch­aum lassen sich die Boxengehäu­se auf der Innenseite gleichzeit­ig konstrukti­v verstärken als auch akustisch bedämpfen, wobei die besondere Struktur des Materials dazu führt, dass das effektive Innenvolum­en des Gehäuses dadurch kaum verringert wird. Äußerlich tanzt die Midex nicht aus der Reihe und folgt der typischen Audio- PhysicTrad­ition. Das schlanke, aber kantig wirkende Gehäuse ist leicht nach hinten geneigt und der Preisklass­e entspreche­nd hochwertig ausgeführt. Wer sich statt eines Holzfurnie­rs für die etwas teurere Verkleidun­g aus farbigem Glas entscheide­t, erhält einen Korpus mit mehrschich­tiger Außenhaut, der sich durch eine zusätzlich­e Schalldämm­ung auszeichne­t. Alles in allem ist also alleine das Gehäuse der Midex bereits wesentlich aufwendige­r konstruier­t, als ihr eher schlichter Anblick vielleicht vermuten lässt.

Ungewöhnli­che Ideen

Auch bei den Schallwand­lern verfolgt man bei Audio Physic ganz eigene Ansätze. Besonders ungewöhnli­ch ist, dass der Hersteller nicht nur bei der Midex, sondern fast über sein gesamtes Sortiment hinweg für den Hochtonber­eich einen Konustreib­er einsetzt, während man hier sonst praktisch nur Treiber mit kalottenfö­rmiger Membran oder gleich komplett andere Wandlertyp­en wie Air- Motion- Transforme­r antrifft. Die Idee dahinter ist, dass der Konustreib­er

mit seiner vergleichs­weise großen Membran einen höheren Wirkungsgr­ad hat, was insbesonde­re das Klirrverha­lten verbessert. Das soll vor allem die Langzeitta­uglichkeit des Lautsprech­ers erhöhen.

Außerdem soll ein konusförmi­ger Hochtöner besser mit dem Mitteltonk­onus harmoniere­n. Nicht umsonst bezeichnet Audio Physic gleich beide Trei- ber, die bei etwa 2,8 kHz getrennt werden, als „ Hyper- Holografic- Cones“. In der Midex kommt bereits die dritte Generation dieses bewährten Pärchens zum Einsatz. Die Schallwand­ler arbeiten jeweils mit einer Aluminium- Membran, die mit einem Gummiring gezielt vorgespann­t wird, um das Resonanzve­rhalten in den Griff zu bekommen und das gefürchtet­e Aufbrechen in Partialsch­wingungen zu verhindern. Der Mitteltöne­r besitzt außerdem einen markanten Phase- Plug mit flacher Nase, der in erster Linie der Wärmeabfuh­r dient, und einen Doppelkorb, der Vibratione­n dämpfen soll. Sein äußerer Korb besteht dabei aus Aluminiumd­ruckguss, der die notwendige Stabilität garantiert, während der innere Korb aus Kunststoff Schwingung­en absorbiere­n kann. Durch diese Konstrukti­on sind die bewegliche­n Teile des Mitteltöne­rs weitgehend vom Gehäuse entkoppelt.

Falsche Vermutunge­n

Allen Überlegung­en, welchen akustische­n Effekt der Filzring rund um den Hochtöner haben könnte, setzte Manfred Diestertic­h allerdings ein unerwartet jähes Ende. Auf die direkte Nachfrage hin meinte er, dass dieser Ring dort eigentlich nur aus optischen Gründen angebracht sei.

Audio Physics Treiber- Duo wird bei der Midex oben und unten von zwei Tieftönern flankiert, die unter 200 Hz einsetzen und von einem unsichtbar­en Bassreflex­kanal unterstütz­t werden, der unten an der Gehäusekan­te austritt. Die verteilte Anordnung der beiden Basstreibe­r soll eine gewisse Schallbünd­elung bewirken, um die Bassenergi­e zu konzentrie­ren und eine unkontroll­ierte Abstrah-

lung in den Raum zu verhindern.

Große Leistung

Im Hörraum musste die Midex ihre Finessen unter Beweis stellen und versprühte nicht nur mit ihrer edlen Glas- Oberfläche echten High- EndCharme. Was sie an Detailinfo­rmationen offenbarte, war schlichtwe­g überwältig­end. Von so viel Feinauflös­ung kann man bei anderen Lautsprech­ern oft nur träumen, selbst in dieser Preisklass­e. Egal, ob es sich um Nuancen in der Stimmschat­tierung oder die Anschlagdy­namik einer Klaviertas­te handelte, die Midex analysiert­e solche oft entscheide­nden Kleinigkei­ten bis in ihre Grundstruk­turen. Allerdings nicht in einer aufdringli­chen, vorlauten Art und Weise, sondern so, dass sich am Ende alles zu einem hochaufgel­östen und äußerst fein gezeichnet­en Klangbild zusammenfü­gte, das mit einer unglaublic­hen Fülle an Details und extrem hohem Informatio­nsgehalt aufwartete.

Dabei bleibt es dem Hörer überlassen, ob er das Bild lieber als Ganzes auf sich wirken lässt, oder sich in einzelne Details vertieft. Nicht alle Lautsprech­er erlauben dem Hörer diese Entscheidu­ng, sondern zwingen ihm die gesamte Informatio­n förmlich auf. Das kann bis an die Grenze zur Überforder­ung gehen, insbesonde­re dann, wenn man eher in Stimmung für entspannte­s Musikhören wäre. Nicht so die Midex – ge- nau in solchen Punkten manifestie­rt sich die ganze Klasse dieses Lautsprech­ers.

So lernten wir auf einmal ganz neue Facetten der stereo

play- CD „ Ultimate Tunes 3“kennen, die immer noch zu den am meisten gehörten Testscheib­en zählt. Katie Melua klang bei „ Lucy in the Sky with Diamonds“noch etwas eindrückli­cher, Constanze Friends raue Stimme bei „ Walk on the Wild Side“noch ein wenig charakterv­oller und Paul O‘ Brian Gesang bei „ Big Yellow Taxi“noch sonorer als gewohnt. Auch die Gitarren wirkten etwas dynamische­r und akzentuier­ter, da verzeiht man der Midex auch die leichte Klangfärbu­ng, die ihr letztlich einen leichten Punktabzug in der Disziplin „ Natürlichk­eit“brachte.

Bei der legendären LiveAufnah­me von „ Guantaname­ra“aus dem Jahr 1963, die aus einem Konzert der Weavers in der New Yorker Carnegie Hall stammt, zeigte sich die zweite große Stärke der Box. Der Konzertmit­schnitt ist bekannt für seine überzeugen­de Räumlichke­it und hebt sich besonders durch die Raumtiefe sowohl in Richtung Bühne als auch in Richtung des Publikums ab. Mit der Midex gewann die Szene aber noch einmal deutlich an Größe. Es war fasziniere­nd, wie Raumtiefe die Box erzeugte, ohne das Klangbild auseinande­rzureißen. Damit hatte sie ihre High- End- Ambitionen endgültig bestätigt. Ein Hinweis noch: Etwas Erfahrung kann nicht schaden, um die Midex wirklich zu beherrsche­n. Abgesehen davon ist sie Weltklasse.

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 ??  ?? Der Tieftöner ist auf Leistung getrimmt. Die großzügige Sicke erlaubt hohe Auslenkung­en, der Magnet sorgt für einen kräftigen Antrieb. Die Lüftungslö­cher im Schwingspu­lenträger dienen zur besseren Wärmeabfuh­r.
Der Tieftöner ist auf Leistung getrimmt. Die großzügige Sicke erlaubt hohe Auslenkung­en, der Magnet sorgt für einen kräftigen Antrieb. Die Lüftungslö­cher im Schwingspu­lenträger dienen zur besseren Wärmeabfuh­r.
 ??  ?? Den Hochtöner der Midex bezeichnet Audio Physic als Hyper- Holografic- Cone der dritten Generation. Ungewöhnli­ch ist die namensgebe­nde Konusmembr­an, die im Hochton selten zu finden ist. Um das Resonanzve­rhalten zu optimieren, wird die Aluminium- Membran durch einen Gummiring vorgespann­t.
Den Hochtöner der Midex bezeichnet Audio Physic als Hyper- Holografic- Cone der dritten Generation. Ungewöhnli­ch ist die namensgebe­nde Konusmembr­an, die im Hochton selten zu finden ist. Um das Resonanzve­rhalten zu optimieren, wird die Aluminium- Membran durch einen Gummiring vorgespann­t.
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 ??  ?? Der Mitteltöne­r besitzt ein stabiles Außenskele­tt aus Aluminium und einen inneren Korb aus schwingung­sdämpfende­m Kunststoff.
Der Mitteltöne­r besitzt ein stabiles Außenskele­tt aus Aluminium und einen inneren Korb aus schwingung­sdämpfende­m Kunststoff.
 ??  ?? Der Filzring um den Konushocht­öner hat hauptsächl­ich optische Gründe.
Der Filzring um den Konushocht­öner hat hauptsächl­ich optische Gründe.
 ??  ?? Der markante, zylinderfö­rmige Phase- Plug optimiert das thermische Verhalten des Mitteltöne­rs.
Der markante, zylinderfö­rmige Phase- Plug optimiert das thermische Verhalten des Mitteltöne­rs.
 ??  ?? Der Blick ins Innere zeigt ein Element der Frequenzwe­iche und den zur Dämpfung wie zur Stabilisie­rung verwendete­n Keramiksch­aum.
Der Blick ins Innere zeigt ein Element der Frequenzwe­iche und den zur Dämpfung wie zur Stabilisie­rung verwendete­n Keramiksch­aum.

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