Ratgeber: Impedanz und Dämpfungsfaktor
Was es genau mit dem Dämpfungsfaktor auf sich hat und alles Wichtige zu Physik und Praxis erfahren Sie in unserem Ratgeber.
Dämpfungsfaktor = 1000! Wer so etwas im Prospekt eines Verstärkers liest, sollte vorsichtig weiterlesen. Denn was nach landläufiger Meinung höchste Kontrolle des Lautsprechers durch den Verstärker bedeutet, ist in Wahrheit nur ein rechnerischer Wert, der bei der praktischen Anpassung von Amp und Box nicht unbedingt große Aussagekraft hat.
In der Theorie ist der Dämpfungsfaktor einfach berechnet: Er bezeichnet das Verhältnis zwischen der Impedanz des Lautsprechers ( Elektrotechniker sprechen von der Senke), geteilt durch jene der Quelle, also hier des Verstärkers. Ein rechnerisch hoher Dämpfungsfaktor bedeutet also einen sehr niedrigen Innenwiderstand des Amps im Verhältnis zu einer hypothetischen Nennimpedanz von 8 oder 4 Ohm. Während typische Röhrenverstärker mit Ausgangsübertrager ( siehe Beispiel Ayon- Triode unten) aufgrund des nicht unendlich verringerbaren Widerstands der Wicklungen oft verhältnismäßig hohe Innenwiderstände ( Größenordnung 0,1 bis 2 Ohm) aufweisen, lässt sich bei Transistor- Amps durch Kniffe wie Gegenkopplung und Co. ein theoretisch sehr niedriger Wert erreichen. Ein Dämpfungsfaktor 400 bei 4 Ohm würde theo- retisch 0,01Ohm Innenwiderstand bedeuten.
Theorie und Praxis
Dass die Schnittstelle einen Spannungsteiler bildet, ist physikalisch korrekt. In der Praxis schwankt die Impedanz des Lautsprechers jedoch mit der Frequenz, was bei eher hohen Innenwiderständen des Amps zu frequenzabhängigen Dämpfungen und damit direkt zu tonalen Verfärbungen führt.
Ab Dämpfungsfaktoren von 20 spielt das jedoch kaum noch eine Rolle. Die theoretische Faktorberechnung ist ohnehin unsinnig, da auch die Widerstände des Kabels sowie teilweise der Frequenzweiche in Reihe liegen und somit den klassischen Spannungsteiler beeinflussen. Die meisten Verstärker sind zudem so konstruiert, dass ihr Innenwiderstand nicht über alle Einsatzfrequenzen stabil bleibt, sondern eine Gegenkopplungsschaltung oft bei zu hohen Frequenzen ab typischerweise 5000 Hz langsam ausgeblendet wird, was den rechnerischen Innenwiderstand erhöht. Dieses Verhalten kann man insbesondere bei Schaltverstärkern oft beobachten, wenn man diese an verschiedenen Lastwiderständen misst; die Kurven gehen in den Höhen auseinander. In den letzten Jahren sind deshalb zunehmend Verstärkerkonzepte populär geworden, bei denen auf Gegenkopplung der letzten Stufe verzichtet wird oder bei denen der Innenwiderstand des Amps per Kontrollmessung an die komplexe Impedanz der Box angepasst werden kann ( Beispiel Technics R- 1, siehe oben).
Reine Kontrollsache
Die andere, oft wichtigere Bedeutung des Dämpfungsfaktors bzw. Verstärker- Innenwiderstands: Ein Lautsprecher verhält sich zumindest in bestimmten Frequenzbereichen, besonders
Bass und Grundton, ähnlich wie ein Resonator und teils wie ein Generator, bei dem durch die Membranbewegung Spannung in die Schwingspule induziert wird. Ist der Innenwiderstand des Verstärkers sehr gering, schließt dieser die Induktion kurz und bremst damit die auch als „ Gegen- EMK“bezeichnete Kraft. Ergebnis: Der Klang im Resonanzbereich wird trockener, härter.
Dies gilt vor allem für Konstruktionen wie geschlossene Gehäuse, Basshörner und Transmissionlines, weshalb Besitzer solcher Boxentypen oft von deutlichem Einfluss des Verstärkercharakters auf den Bass berichten. Gehäuseprinzipien, die über einen eigenen Resonator verfügen – wie Bassreflex und Bandpass –, lassen sich elektrisch deutlich weniger gut kon- trollieren, weil das mechanische Feder- Masse- System eben nicht oben genannter Kontrolle unterliegt, entsprechend lässt sich der Klangcharakter des Verstärkers weniger klar vorausbestimmen. In der Praxis hängen die Einflüsse wiederum auch von weiteren Serienwiderständen in Kabel oder Weiche ab.
Auf der anderen Seite gibt es aber auch Lautsprecher, oft zu finden bei Breitbändern, Dipolen und Backloaded Hörnern, bei denen eine geringe Kontrolle durch den Verstärker mit in die Abstimmung einberechnet worden ist. Ein Amp mit höherem Innenwiderstand und damit rechnerisch niedrigerem Dämpfungsfaktor lässt hier den Lautsprecher „ an der langen Leine“für den intendierten Basscharakter, ein Amp mit hoher Kontrolle hingegen würde den Tief- ton überdämpfen und klanglich Volumen wie Spielfreude kosten. Solche Boxen fühlen sich dann an Röhrenamps mit tendenziell geringerem Dämpfungsfaktor deutlich wohler.
Sonderfall Halbaktiv
Von der Impedanz und der Kontrolle her ein Spezialfall sind die halbaktiven Lautsprecher. Da sich die aktive Basseinheit das Musiksignal abgreift, ohne dass nennenswert Strom fließt, steigt die Impedanz dort zu tiefen Frequenzen hin steil an. Egal, wie hoch der Dämpfungsfaktor ist, über die Basskontrolle entscheidet wesentlich der in der Box eingebaute Bassverstärker. Allerdings weisen halbaktive Boxen wegen dieser Besonderheiten in den meisten Fällen eine stark schwankende Impedanz auf und verlangen schon deshalb nach einem tendenziell stabilen Verstärker.
Probehören ist Pflicht
Anders, als die Angabe von rechnerischen Dämpfungsfaktoren suggeriert, gibt es keine klaren Regeln, welcher Verstärker mit welcher Box bei Dämpfung und Kontrolle eine klanglich bestmögliche Kombination eingeht. Nach gewissen Grundregeln, welche Kombis zu vermeiden sind, hilft nur langjährige Erfahrung mit einzelnen Komponenten und das Probehören verschiedener Boxen- Verstärker- Kombis. Denn gerade im Bassbereich spielt auch der Raum als dritte bestimmende Komponente stark mit, letztendlich muss also im eigenen Raum probegehört werden und das Resultat der gesamten 3er- Kette harmonieren.