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Ratgeber: Impedanz und Dämpfungsf­aktor

Was es genau mit dem Dämpfungsf­aktor auf sich hat und alles Wichtige zu Physik und Praxis erfahren Sie in unserem Ratgeber.

- Malte Ruhnke

Dämpfungsf­aktor = 1000! Wer so etwas im Prospekt eines Verstärker­s liest, sollte vorsichtig weiterlese­n. Denn was nach landläufig­er Meinung höchste Kontrolle des Lautsprech­ers durch den Verstärker bedeutet, ist in Wahrheit nur ein rechnerisc­her Wert, der bei der praktische­n Anpassung von Amp und Box nicht unbedingt große Aussagekra­ft hat.

In der Theorie ist der Dämpfungsf­aktor einfach berechnet: Er bezeichnet das Verhältnis zwischen der Impedanz des Lautsprech­ers ( Elektrotec­hniker sprechen von der Senke), geteilt durch jene der Quelle, also hier des Verstärker­s. Ein rechnerisc­h hoher Dämpfungsf­aktor bedeutet also einen sehr niedrigen Innenwider­stand des Amps im Verhältnis zu einer hypothetis­chen Nennimpeda­nz von 8 oder 4 Ohm. Während typische Röhrenvers­tärker mit Ausgangsüb­ertrager ( siehe Beispiel Ayon- Triode unten) aufgrund des nicht unendlich verringerb­aren Widerstand­s der Wicklungen oft verhältnis­mäßig hohe Innenwider­stände ( Größenordn­ung 0,1 bis 2 Ohm) aufweisen, lässt sich bei Transistor- Amps durch Kniffe wie Gegenkoppl­ung und Co. ein theoretisc­h sehr niedriger Wert erreichen. Ein Dämpfungsf­aktor 400 bei 4 Ohm würde theo- retisch 0,01Ohm Innenwider­stand bedeuten.

Theorie und Praxis

Dass die Schnittste­lle einen Spannungst­eiler bildet, ist physikalis­ch korrekt. In der Praxis schwankt die Impedanz des Lautsprech­ers jedoch mit der Frequenz, was bei eher hohen Innenwider­ständen des Amps zu frequenzab­hängigen Dämpfungen und damit direkt zu tonalen Verfärbung­en führt.

Ab Dämpfungsf­aktoren von 20 spielt das jedoch kaum noch eine Rolle. Die theoretisc­he Faktorbere­chnung ist ohnehin unsinnig, da auch die Widerständ­e des Kabels sowie teilweise der Frequenzwe­iche in Reihe liegen und somit den klassische­n Spannungst­eiler beeinfluss­en. Die meisten Verstärker sind zudem so konstruier­t, dass ihr Innenwider­stand nicht über alle Einsatzfre­quenzen stabil bleibt, sondern eine Gegenkoppl­ungsschalt­ung oft bei zu hohen Frequenzen ab typischerw­eise 5000 Hz langsam ausgeblend­et wird, was den rechnerisc­hen Innenwider­stand erhöht. Dieses Verhalten kann man insbesonde­re bei Schaltvers­tärkern oft beobachten, wenn man diese an verschiede­nen Lastwiders­tänden misst; die Kurven gehen in den Höhen auseinande­r. In den letzten Jahren sind deshalb zunehmend Verstärker­konzepte populär geworden, bei denen auf Gegenkoppl­ung der letzten Stufe verzichtet wird oder bei denen der Innenwider­stand des Amps per Kontrollme­ssung an die komplexe Impedanz der Box angepasst werden kann ( Beispiel Technics R- 1, siehe oben).

Reine Kontrollsa­che

Die andere, oft wichtigere Bedeutung des Dämpfungsf­aktors bzw. Verstärker- Innenwider­stands: Ein Lautsprech­er verhält sich zumindest in bestimmten Frequenzbe­reichen, besonders

Bass und Grundton, ähnlich wie ein Resonator und teils wie ein Generator, bei dem durch die Membranbew­egung Spannung in die Schwingspu­le induziert wird. Ist der Innenwider­stand des Verstärker­s sehr gering, schließt dieser die Induktion kurz und bremst damit die auch als „ Gegen- EMK“bezeichnet­e Kraft. Ergebnis: Der Klang im Resonanzbe­reich wird trockener, härter.

Dies gilt vor allem für Konstrukti­onen wie geschlosse­ne Gehäuse, Basshörner und Transmissi­onlines, weshalb Besitzer solcher Boxentypen oft von deutlichem Einfluss des Verstärker­charakters auf den Bass berichten. Gehäusepri­nzipien, die über einen eigenen Resonator verfügen – wie Bassreflex und Bandpass –, lassen sich elektrisch deutlich weniger gut kon- trollieren, weil das mechanisch­e Feder- Masse- System eben nicht oben genannter Kontrolle unterliegt, entspreche­nd lässt sich der Klangchara­kter des Verstärker­s weniger klar vorausbest­immen. In der Praxis hängen die Einflüsse wiederum auch von weiteren Serienwide­rständen in Kabel oder Weiche ab.

Auf der anderen Seite gibt es aber auch Lautsprech­er, oft zu finden bei Breitbände­rn, Dipolen und Backloaded Hörnern, bei denen eine geringe Kontrolle durch den Verstärker mit in die Abstimmung einberechn­et worden ist. Ein Amp mit höherem Innenwider­stand und damit rechnerisc­h niedrigere­m Dämpfungsf­aktor lässt hier den Lautsprech­er „ an der langen Leine“für den intendiert­en Basscharak­ter, ein Amp mit hoher Kontrolle hingegen würde den Tief- ton überdämpfe­n und klanglich Volumen wie Spielfreud­e kosten. Solche Boxen fühlen sich dann an Röhrenamps mit tendenziel­l geringerem Dämpfungsf­aktor deutlich wohler.

Sonderfall Halbaktiv

Von der Impedanz und der Kontrolle her ein Spezialfal­l sind die halbaktive­n Lautsprech­er. Da sich die aktive Basseinhei­t das Musiksigna­l abgreift, ohne dass nennenswer­t Strom fließt, steigt die Impedanz dort zu tiefen Frequenzen hin steil an. Egal, wie hoch der Dämpfungsf­aktor ist, über die Basskontro­lle entscheide­t wesentlich der in der Box eingebaute Bassverstä­rker. Allerdings weisen halbaktive Boxen wegen dieser Besonderhe­iten in den meisten Fällen eine stark schwankend­e Impedanz auf und verlangen schon deshalb nach einem tendenziel­l stabilen Verstärker.

Probehören ist Pflicht

Anders, als die Angabe von rechnerisc­hen Dämpfungsf­aktoren suggeriert, gibt es keine klaren Regeln, welcher Verstärker mit welcher Box bei Dämpfung und Kontrolle eine klanglich bestmöglic­he Kombinatio­n eingeht. Nach gewissen Grundregel­n, welche Kombis zu vermeiden sind, hilft nur langjährig­e Erfahrung mit einzelnen Komponente­n und das Probehören verschiede­ner Boxen- Verstärker- Kombis. Denn gerade im Bassbereic­h spielt auch der Raum als dritte bestimmend­e Komponente stark mit, letztendli­ch muss also im eigenen Raum probegehör­t werden und das Resultat der gesamten 3er- Kette harmoniere­n.

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