Noch härter kalkuliert
Keramik- Membranen gelten als sehr hart, teuer und schwer zu treiben. Bei AE gilt alles nicht: Für 1300 Euro gibt es dieses Wundermaterial – und jede Menge Klang.
Die Produktpolitik von AE folgt bestem britischem Understatement: So wird die Tatsache, dass die neue Standbox AE309 mit Keramiktreibern ausgestattet ist, weder durch die typische weißlichmatte Farbgebung herausgekehrt, noch erkennt man von Weitem die feinen Unterschiede zur 100er- Serie, sieht man von etwas gewachsenen Maßen und Treiberdurchmessern ab.
Dabei steckt in der unscheinbaren Standbox wirklich interessante, ja geradezu highendige Technik. Allen voran die beiden 13er- Konustreiber, die als Tiefmitteltöner ausgelegt sind. Ihre Membranen bestehen aus einem schwarz eloxierten Aluminium- Keramik- Sandwich, das die innere Dämpfung des elementaren Metalls mit der hohen Härte und Schnelligkeit der Keramik verbinden soll. Von kleinen, aber dafür sehr langhubig in Überhangtechnik ausgelegten Schwingspulen angetrieben, sorgen kegelförmige Staubschutzkalotten dafür, dass sich die Trichter auch bis in den Präsenzbereich hinein neutral und resonanzfrei verhalten.
Weiche Schaumstoffkalotten, die den Treibern optisch einen leichten Retro- Charme verleihen, sorgen für eine Aufhängung ohne nennenswerte äußere Rückstellkräfte, was angesichts der Härte der Membranen auch überhaupt nicht notwendig ist. So kann der obere 13er bis 2500 Hz hochlaufen, der untere wird bereits ab 300 Hz langsam ausgeblendet und unterstützt nur in Bass und Grundton.
Höhen fokussiert
Die bereits über 2000 Hz einsetzende Bündelung durch den harten Konus wurde bei der Konstruktion der Hochtoneinheit mit berücksichtigt: Eine mit 28 mm überdurchschnittliche große Alu- Kalotte mit relativ steilem Waveguide soll das Abstrahlverhalten im Übergang harmonisieren und den Lautsprecher damit auch tendenziell fernfeldtauglich machen, was bei dieser Größenklasse – kaum 90 Zentimeter misst er – fast zum Alleinstellungsmerkmal taugt.
Erst recht verwundert reibt sich der Lautsprechertechniker die Augen, wenn er vom sehr guten Kennschalldruck ( 83 dB) bei hoher Minimalimpedanz ( ausnahmslos 6 Ohm) und respektablem Tiefgang hört. Dies alles in einer so kompakten Box
zu erreichen, gleicht der Quadratur des Kreises und lässt ein Entwicklungs- Know- how erkennen, das im Einsteigerbereich sonst so gut wie nie investiert wird. Das wenig spektakuläre, aber sehr solide und sauber echtholzfurnierte Gehäuse zeigt, dass man hier trotz kompakter Maße überdurchschnittlich viel Box fürs Geld bekommt.
Homogene und stabile Abbildung
Im Hörtest überraschte die kleine AE309 durch ein großvolumiges Tiefbass- Fundament, das vielleicht die letzten Hertz von Stanley Clarkes „ Justice Grooves“nicht auslotete und den Oberbass eher schlank darstellte, wohl aber einen Sinn fürs rechte Timing und einen sauberen Schub untenrum in den Raum hämmerte. Selbst bei über drei Metern Abstand gelang ihr dabei das Kunststück, homogen und stabil abzubilden, wie man es von den besten Nahfeldmonitoren gewöhnt ist.
Der „ Children‘ s March“von Reference Recordings ( stereoplay- CD 11/ 2017) gilt in der Redaktion nicht nur als Lackmustest für die Klangfarbenvielfalt in Orchester und Ohr, sondern offenbart auch Schwächen in der Abbildung einzelner Instrumente. Die AE309 projizierte einen sehr realistischen und in sich homogenen Konzertsaal, in dem jede einzelne Stimme ihre Luft zum Atmen und die realistische akustische Umgebung bekam. Überragend dabei die Transparenz und durchsichtige Au ösung aller Instrumente in den Klangfarbenmischungen, die immer selbstverständlich und unaufdringlich wirkten. Sicher, die Raumabbildung war nicht effektvoll aufgeblasen und gerade Blechbläser tönten eine Spur zu brav, aber für diesen Charme einer relaxten Spielweise, bei der man sich als Hörer zurücklehnen und mit einem Glas Rotwein in der Hand die Musik genießen kann, zahlen HighEnder gewöhnlich gern ein Zigfaches des Preises der AE.
Bei AC/ DCs „ Thunderstruck“erfuhr die AE ihre dynamischen Limits erst relativ spät, und legte dem eher schlanken Grundcharakter einen satt groovenden Tiefbassschub zugrunde. Eine Box, die auch schwierige Aufnahmen genussvoll darbietet, und wegen ihrer Freundlichkeit gegenüber Raum, Verstärker und Ehefrau zum Geheimtipp unter den kleinen Standboxen avancieren könnte. Malte Ruhnke