Die Königin der Intensität
Jerry Wexler hatte verstanden, was seine Kollegen bei der Columbia nicht wahrhaben wollten. Denn als er 1967 Aretha Franklin zu Atlantic holte, kürzte er die ganzen Streicher und Orchesterklänge heraus, mit der man zuvor versucht hatte, aus der Sängerin aus Memphis, Tennessee, eine Hitparadenstimme zu designen. Mit einem Mal hörte man die 25- Jährige unverfälscht und geradeheraus mit einer Soul- Power singen, wie man sie sonst nur aus dem Gospel- Umkreis kannte. Und flugs entwickelte sich Franklins erste Atlantic- Single „ I Never Loved A Man ( The Way I Love You)“innerhalb weniger Wochen zum Millionen- hit, gefolgt von Soul- Hymen wie „ Respect“, „ Chain Of Fools“oder „ Think“. Insofern waren die drei darauf folgenden Jahre Start und zugleich Höhepunkt einer Karriere, die viele Höhen und Tiefen erlebte, gesanglich allerdings nahezu immer das Nonplusultra der Expressivität erreichte. Die „ Atlantic Singles Collection 1967- 1970“ist daher das zentrale Soulvermächtnis der im vergangenen Sommer verstorbenen Meisterin der Intensität voller berühmt gewordener Aufnahmen, ein Klassiker, dem mit „ The Indispensable Aretha Franklin – Intégrale 1956- 1962“( Frémeaux & Ass. / Import, 72: 32, 67: 06, M: 8, K: 7) die Archäologie der Künstler persönlichkeit zur Seite gestellt werden. Denn diese Doppel- CD versammelt vier frühe Alben, die Aretha Franklin zum Teil als 14- jährige Gospelsängerin in einer Baptistenkirche oder nur wenige Jahre älter mit der Bandd es PianistenRay Bryan tod er mit Jazzorchesterbegleitung aufgenommen hat. Damals von John Hammond produziert, war klar, dass hier eine Newcomerin in Richtung Ella Fitzgerald lanciert werden sollte, was sie zwar auch konnte, jedoch nicht ihre eigentliche Kompetenz war. Der Swing war nicht ihr Ding, der Soul aber schon eindrucksvoll zu hören. Faszinierend ist es jedenfalls, beide Sammlungen im Anschluss aneinander zu hören und zu erleben, wie eine eh schon unglaublich vielseitige Sängerin noch einmal über sich hinaus wachsen konnte.