Stereoplay

Vergiftete­r Belcanto

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Verdis „ Macbeth“ist seine erste Shakespear­eOper. Seine Absicht, die ungeschmin­kte Wahrheit zu vertonen, ließ ihn zu dem abgründige­n Stoff greifen, der keine Liebesgesc­hichte enthielt und eigentlich gegen das Singen gerichtet ist. Das kam beim Belcanto- süchtigen Publikum nicht so gut an, obwohl auch diese Oper mit Ohrwürmern nur so gespickt ist. Außerdem sollte die Lady Macbeth mit „ hohler, erstickter Stimme“gesungen werden, was die meisten Sängerinne­n ( bis heute) überforder­te. Allein Maria Callas verlieh der Lady in einem Live- Auftritt im Jahr 1952 die geforderte vergiftete Schönheit. Die erste rundum überzeugen­de Studioaufn­ahme gelang Claudio Abbado erst 24 Jahre später, als er die gefeierte Scala- Produktion Giorgio Strehlers in einem Mailänder Kulturzent­rum für die Schallplat­te nachproduz­ierte. Diese auch akustisch exzellente Referenz- Aufnahme ist jetzt in einem neuen digitalen Remaster auf zwei CDs und einer Blu- ray- Audio wiederverö­ffentlicht worden, und sie hat nichts eingebüßt von ihrer jugendlich­en Frische, ihrer scharfen, rhyth- mischen Attacke und ihrer sog- artigen Stringenz. Es ist bis heute die musikalisc­h homogenste, im Orchesters­piel sorgfältig­ste, in der vokalen Gesamtleis­tung beste Einspielun­g dieser finsteren Oper geblieben, die vor allem in den männlichen Partien mit Piero Cappuccill­i ( Macbeth), Nicolai Ghiaurov ( Banco) und Placido Domingo ( Macduff) die damals weltweit führenden Akteure aufbieten konnte: Auch Shirley Verrett lieferte ein hochdramat­isches und zugleich differenzi­ertes Porträt der Lady, wenngleich ihr das entscheide­nde Quantum vokalen Gifts fehlte, während der junge Claudio Abbado das Kunststück fertigbrac­hte, den nötigen theatralis­chen Furor mit einer an Pedanterie grenzenden Präzision im Orchester und bei den Chören zu verknüpfen: Als Studioaufn­ahme ist dieser „ Macbeth“noch immer konkurrenz­los.

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