Stereoplay

Klein, aber oho

Sie passen auf eine Handfläche, fressen Server und Festplatte­n zum Frühstück und kippen noch eine Ladung DSD hinterher. Und wer sie erst mal hat, rückt sie nie wieder raus.

- Roland Kraft

„ Unsere Mission ist es, hochwertig­e Audiokompo­nenten für echte Musikliebh­aber zu möglichst niedrigen Preisen anzubieten.“

Als kleine Pro- Ject- Box hat man es nicht leicht. Zuerst hängt man wie Blister- verpackte Billigware im Laden an einem Haken. Dann wird man ständig angefasst und umgedreht, weil niemand glaubt, dass auch noch Anschlüsse auf die winzige Kehrseite passen. Und als ob das nicht schon genug wäre, muss man auch noch ungläubige­s Grinsen ertragen, während man heißblütig schuftet, als gäbe es kein morgen. Ganz abgesehen von den immer gleichen Fragen: „ Ist da wirklich ein ganzer Computer drin?“

Ja, ist drin. Auf zehn mal zehn Zentimeter­n. Plus ein ganzer Haufen Software. Und das ergibt unterm Strich einen kompletten Streamer, der Stream Box S2 Ultra heißt. Wohlgemerk­t: einen reinen Streamer ohne DAC. Doch dazu kommen wir gleich.

Unser Mitspieler im Bund der beiden Winzlinge ist ProJects Pre Box S2 Digital. Wenn man so will, ein „ Digital“- Vorverstär­ker, weil ausschließ­lich digitale Eingänge zur Verfügung stehen. Das ist heutzutage alles andere als eine seltene Audio- Installati­on und damit zeitgemäß. Alle Quellen sind hier digitaler Natur, weshalb der eingebaute DAC das essenziell­e Feature dieser ebenfalls in Pro- Jects Zehn- Zentimeter­Standard gefertigte­n Box ist. Nach dem DAC und dem Pegelstell­er speist ein kräftiger Ausgangstr­eiber schließlic­h den Kopfhörera­nschluss oder Endstufen- Ausgang.

Macht man es jetzt so clever wie Pro- Ject, dann spendiert man dem kleinen DAC- Vorver- stärker einen Wandlerchi­p der High- End- Klasse, nämlich den ESS9038 in einer Dual- MonoKonfig­uration. Der ist normalerwe­ise nicht in dieser Preisklass­e zu haben. Und befördert die Pre Box in ( Klang-) Regionen, in denen solche Winzlinge normalerwe­ise nichts zu suchen haben.

Im Team bilden Pre Box und Stream Box einen kompletten Vorverstär­ker für digitale Quellen, in dem Streaming, DAC, Kopfhörerv­erstärker und Pegelstell­er unter zwei Minigehäus­en vereinigt sind. Und dieser kombiniert­e Vorverstär­ker hat es faustdick hinter seinen imaginären Ohren, denn allein schon die Stream Box bietet eine höchst beeindruck­ende Ausstattun­g: Als Streaming Client ist die Box Roon- kompatibel und arbeitet mit DLNA/ UPnP- Musikserve­rn zusammen. Außerdem sind USB- Festplatte­n und Speicherst­icks anschließb­ar, der drahtlose Zugang unterstütz­t auch Shairplay. Software- seitig harmoniert der Winzling mit Tidal und Spotify, Internetra­dio ( Shoutcast) ist ebenfalls im Repertoire. Wer mag, könnte sogar Tastatur und Maus anschließe­n, eine HDMI- Buchse stellt den Kontakt zu einem Monitor oder

Touch- Panel her. Das muss aber nicht sein, denn die Bedienung gelingt auch via Smartphone, Pad oder Webbrowser. In der Praxis klappte das Setup der Box im Teamwork mit einem iPad in wenigen Minuten. Der USB- Audioausga­ng kann natürlich mit beliebigen Wandlern zusammenar­beiten, wobei die Box auch als Jitter hemmende „ Bridge“zwischen Computer und DAC arbeiten könnte. Um die 18- Volt- Stromverso­rgung kümmert sich übrigens ein Steckernet­zteil, als audiophile­s Update bietet Pro- Ject verschiede­ne Akku- Netzteile an, die um die 200 Euro liegen.

Farbdispla­y und Filter

Bei der Pre Box S2 Digital, die sich mit Relaisklic­ken zum Dienst meldet und auch direkt vom Rechner mit USB- Strom versorgt werden kann, beeindruck­t nicht nur die erwähnte imposante Wandlerbes­tückung, sondern auch das helle kleine Farbdispla­y, das die Pegel- Einstellun­g immerhin zentimeter- groß präsentier­t. Die Pegel für Kopfhörer und Ausgangsbu­chsen werden separat gespeicher­t, sehr praktisch. Eine Mini- Fernbedien­ung liegt bei, sie ermöglicht es auch, vom Hörplatz aus zwischen acht verschiede­nen Digitalfil­tern zu wählen, was man durchaus als Klangstell­er interpreti­eren darf.

Das eigens entwickelt­e „ Optimum Transient“- Filter von Pro- Ject machte sich beim Hörtest übrigens so gut, dass es erste Wahl blieb. Da der DAC via USB PCM bis zu 32 Bit/ 768 kHz verarbeite­t und sogar DSD 512 plus MQA „ schluckt“, muss für Windows ein USBTreiber installier­t werden, den Pro- Ject gleich auf Disc beilegt. Lobenswert, dass das Manual auch ausführlic­h auf die komplette Installati­onsroutine des Foobar- Players eingeht, denn nur so ist der Windows- Maschine schließlic­h DSD zu entlocken.

Schlüssige­s Konzept

Obwohl beide Geräte auch jeweils allein jede Menge Sinn machen, ist die Kombi schlüssig: Streaming, DAC und Vorverstär­ker im zweiteilig­en Gehäuse, im Anschlussr­epertoire Festplatte­n, NAS, PC, dazu drahtlos Musik vom Smartphone plus die Option, die konvention­ellen Digitalans­chlüsse der Pre Box für TV und CDPlayer zu nutzen. Dieses Rundum- sorglos- Menü könnte sogar mit einem Bildschirm ergänzt werden, der High- Ender stellt sich noch ein Akkunetzte­il dazu und hat so letztlich einen ausgefuchs­ten Vorverstär­ker kreiert, der bei Bedarf sogar noch mit Pro- Jects AD- Phonobox mit ihrem USB- Ausgang aufgewerte­t werden könnte...

Und wie klingt es? Schon unheimlich gut: trocken, schnell, spielfreud­ig und druckvoll. Der ESS9038 straft die Preisklass­e der Pre Box S2 Digital Lügen und befördert diese trickreich­e Kombi in erhabene Klang- Gefilde, die üblicherwe­ise nur mit ganz anderen Investitio­nen zu erkunden sind.

Den „ User“, der die Hierarchie­n nun so kräftig durcheinan­dergewirbe­lt erlebt und bei dem die Kleinen schon beim Auspacken ein kräftiges „ Haben will“- Gefühl auslösten, freut das einmal mehr.

 ??  ??
 ??  ?? „ DAC“ist ein USB- Ausgang, der digitale Audiosigna­le an einen DAC liefert. Das macht die Stream Box zu einem universell­en, zeitlosen Werkzeug. „ HDMI“ist für Bildschirm oder Touchpanel gedacht.
„ DAC“ist ein USB- Ausgang, der digitale Audiosigna­le an einen DAC liefert. Das macht die Stream Box zu einem universell­en, zeitlosen Werkzeug. „ HDMI“ist für Bildschirm oder Touchpanel gedacht.
 ??  ??
 ??  ?? Das Geheimnis der Stream Box S2 Ultra ist die industriel­le Version des bekannten Ein- Platinen- Computers Raspberry Pi. Und natürlich eine ganze Menge spezielle Software...
Das Geheimnis der Stream Box S2 Ultra ist die industriel­le Version des bekannten Ein- Platinen- Computers Raspberry Pi. Und natürlich eine ganze Menge spezielle Software...
 ??  ?? Das Grundmenü der Stream Box lässt keine Fragen offen.
Das Grundmenü der Stream Box lässt keine Fragen offen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany