Vergessenes vom Meister der Saiten
Bei Volker Kriegel musste man aufpassen. Er war nicht nur Gitarrist und Komponist, sondern auch Autor, Zeichner, Journalist. Er hatte in den wilden Sechzigern Psychologie und Soziologie studiert, sich autodidaktisch in die deutsche Jazzszene hineingearbeitet und angesichts außergewöhnlichen Talents auch schnell Anschluss in den Kreisen um Albert Mangelsdorff und die progressive Frankfurter Moderne gefunden. Später war er mit dem Dave Pike Set erfolgreich, MPS- Künstler und seit 1977 Mitglied des United Rock & Jazz Ensembles. Er kooperierte mit Gitarrenbauern, schrieb Schulwerke, übersetzte, zeichnete Cartoons und wenn man nicht aufpasste, war man flugs von ihm verbal oder mit dem Stift karikiert. Kurz: Volker Kriegel war eine der faszinierenden Persönlichkeiten der deutschen Musikkultur, viel zu früh 2003 von einem Herzinfarkt dahingerafft und mit einer treuen Fangemeinde bis heute, zu der auch der Journalist Friedrich- Wilhelm Meyer gehört. Als dieser mitbekam, dass im Kriegel- Privatarchiv noch 130 unedierte Bänder lagerten, machte er sich mit Einverständnis der Witwe ans Werk. Be- arbeitung und Remastering übernahm der Wiener Toningenieur Johannes Scheibenreif, und zu den ersten Veröffentlichungen zählen die „ Biton Grooves“, in der zweiten Siebziger- Hälfte hochkarätig mit Kollegen wie Wolfgang Dauner oder Eberhard Weber besetzt im gleichnamigen Frankfurter Biton Studio als Footage für TV- und Radiosender entstanden. Ursprünglich als Funktionsmusik gedacht, ist es aus heutiger Sicht famos funky groovender Fusion Sound. Ebenfalls restauriert und mit Live- Bonus versehen wird der Fusion- Klassiker „ Mind Maniac“( 1974 bei MPS) mit dem Quartett Spectrum wiederveröffentlicht, ergänzt um „ Schöne Aussichten“( 1983 bei Mood), die beide im Remastering endlich die verdiente Transparenz erfahren. Grandios, Musikgeschichte und ein echter Hörspaß.