anthem str preamp
Dass von Prozessoren unterstützte Verstärker in Zukunft die Audiotechnik dominieren werden, war klar. Nicht klar war dagegen, wie weit das Thema schon gediehen ist: „ Powering the future of audio“ist Realität bei Anthem.
Jetzt stellen Sie sich einmal vor, dass Ihr Verstärker genau darüber Bescheid weiß, welche Lautsprecher- Konfiguration Sie verwenden. Außerdem ist Ihrem Verstärker bekannt, wie weit Ihr Hörplatz von jeder der beiden Boxen entfernt ist: und zwar auf fünf Zentimeter genau. Ihr Verstärker weiß auch, ob Sie einen Subwoofer benutzen oder nicht. Und Ihr Verstärker benutzt diese Informationen, um den Klang in Bezug auf den Hörplatz zu optimieren.
Doch damit ist Ihr cleverer Amp noch lange nicht am Ende seiner Möglichkeiten. Denn im Teamwork mit Ihrem Computer, Ihrem Handy oder Ihrem Pad ist eine komplette Einmessung des Systems auf Ihren Raum möglich. Und zwar mit essenziellen Korrekturen in Bezug auf Pegel, Phasenverlauf, Frequenzgang inklusive Basskorrektur. Auch weitere akustische Eigenschaften Ihres Zimmers – etwa Dämpfung durch Teppiche, Vorhänge oder Möbel – werden nun so weit wie möglich ausgeglichen. Und wenn Sie wollen, können Sie die Ergebnisse und Messungen auf dem Bildschirm Ihres Computers sehen, verfolgen und beeinflussen. Als passionierter HighEnder wissen Sie auch, dass ein theoretisch idealer Frequenzgang nicht der Weisheit letzten Schluss darstellt. Ein Fakt, der Ihrem Verstärker ebenfalls geläufig ist, denn der orientiert sich in Bezug auf seine „ target response“nicht nur an der grauen Theorie, sondern auch an psychoakustischen Erkenntnissen und an Erfahrungswerten. Und nun wollen Sie sicher wissen, welchen so hoch intelligenten Verstärker Sie sich eigentlich angeschafft haben...
Es ist der Vorverstärker STR Preamp des kanadischen AudioVollprofis Anthem, den wir hier im Paket mit seinem wuchtigen Endstufen- Pendant STR Power Amplifier vorstellen. Und zu dieser höchst beeindruckenden Kombi wäre auch ein Titel wie etwa „ Die Summe aller Möglichkeiten“passend gewesen. Denn die Kombi zeigt auf, was machbar ist, wenn man einen leistungsfähigen Computer und einen digitalen Signalprozessor mit einem Verstärker kombiniert und die sich dadurch bietenden Möglichkeiten wirklich ausnutzt. Was grundlegend dazu nötig ist, lässt sich schnell auf den Kernpunkt bringen: Jede
„ Crafted in Canada, the STR Preamplifier combines the benefits of an advanced preamp with the power of a processor“.
Signalquelle muss digitalisiert werden. Denn nur auf der digitalen Ebene ist es möglich, Funktionen wie etwa Bassmanagement ( für bis zu zwei Subwoofer mit jeweils unabhängiger Pegel und DelayEinstellung), komplette Raumkorrektur mit Messung, FrequenzgangDarstellung und MikrofonKorrektur oder etwa auch RumpelFilter, Phasenumschaltung und bei Bedarf auch verschiedene LautsprecherProfile zu realisieren. Letzteres ist dann sinnvoll, wenn man in einer gegebenen Lautsprecher„ Landschaft“etwa zwischen Fullrangeund SubwooferBetrieb umschalten und dieses Setup für eine ganz bestimmte Quelle speichern möchte. Der AnthemVorverstärker ist näm lich imstande, unterschiedliche Presets auf spezifische Eingänge zu beziehen. Und er vernachlässigt obendrein die Analogfans nicht: Er bietet nämlich voneinander unabhängige PhonoMMund PhonoMCEingänge, die bis zu sechs verschiedene, frei wählbare Entzerrerkurven aufweisen!
Schwindlig? Uns schon!
Wir sind in puncto Ausstattung damit noch lange nicht am Ende der Aufzählung. Doch die Frage, die sich zwischendurch stellt, ist die nach der Bedienbarkeit eines solchen Multitalents. Und zum Glück ist es den Kanadiern gelungen, eine geradezu unheimlich anmutende Menge von Funktionen in eine durchweg logische Bedien struktur zu zwängen. Mit anderen Worten: Es ist zwar unumgänglich, sich zunächst intensiv mit diesem Vorverstärker zu beschäftigen. Aber es ist auch alles andere als eine Doktorarbeit. Der Anthem kann dabei vollständig via Frontplatte oder über die mitgelieferte Fernbedienung gesteuert werden. Etwas komplizierter wird es dann bei der Raumkorrektur, die „ ARC“getauft wurde: Anthem Room Correction. Dazu gleich mehr...
Analoge Eingangssignale werden also digitalisiert und auf 32 Bit/ 192 kHz hochgesampelt. Und damit trennt sich die „ Welt“im Inneren der Vorstufe in zwei Teile: digital und analog. Und zwar wählbar! Hier steckt auch die Kernbotschaft zum Verständnis der Bedienung dieses Vorverstärkers: Man legt im Setup fest, ob das Signal eines bestimmten Eingangs in Form von „ Analog direct“auf der analogen Ebene bleibt und damit eine Reihe von Features flachfällt. Oder ob es digitalisiert wird und sich damit der vollen Power der angelegten Fähigkeiten des DSP „ unterwirft“...
Für die erwähnten Phonoeingänge bedeutet das etwa, dass das Phonosignal streng analog
bleibt und mit einer analogen (!) RIAA- Entzerrung dem ebenfalls analogen Pegelsteller ( und schließlich der Endstufe) überantwortet wird. Oder ob es digitalisiert wird und dann im Setup sechs unterschiedliche Entzerrerkurven zugeordnet werden können: Entzerrerkurven, die insbesondere Fans früher Stereo- Schallplatten davon überzeugen dürften, grundsätzlich auf der digitalen Ebene zu bleiben...
DAC mit USB
Doch es geht auch andersherum: Dem HD- Analog- Digitalwandler steht auch ein DAC zur Seite und damit diverse digitale Eingänge einschließlich des wichtigen USB- Eingangs. Abgesehen von den koaxialen und optischen Digitaleingängen bietet der Anthem auch den aus der Profitechnik stammenden, digitalsymmetrischen AES/ EBU- Eingang.
Die asynchrone USBSchnittstelle unterstützt PCMAudio bis zu 32 Bit/ 384 kHz, zusätzlich akzeptiert wird DSD mit 2,8 und 5,7 Megahertz Samp lingfrequenz. Von einem kalkulatorischen Rotstift ist üb- rigens auch bei den analogen Ein- und Ausgängen keine Spur zu sehen, denn hier findet sich abgesehen von den Cinch- Einund Ausgängen noch eine ganze Batterie symmetrischer XLRBuchsen einschließlich der Bypass- Anschlüsse für Heimkino- Installationen und natürlich auch symmetrische Endverstärkeranschlüsse.
Der womöglich einzige kleine Wermutstropfen im opulenten Ausstattungsmenü versteckt sich beim Phono- MC- Eingang, der auf 100 Ohm AbschlussImpedanz festgelegt ist: verzeihlich bei einem so außergewöhnlichen Gerät, dass es im Setup überdies zulässt, bis zu 30 virtuelle, vorkonfigurierte Eingänge festzulegen. Die durchweg Optionen wie beispielsweise Pegeleinstellung, Benennung, Stereo-/ Mono- Modus, Rumpelfilter sowie grundlegend die Möglichkeit vorsehen, das jeweilige Eingangssignal auf der analogen Ebene zu belassen oder auf ausschließ- lich 32 Bit/ 192 kHz zu digitalisieren. Das bietet technisch betrachtet Vorteile, weil das Rekonstruktionsfilter des DACs auf eine einzige Frequenz hin optimiert werden kann.
Raumkorrektur
Was ist ARC? Wir überlassen die Antwort einmal den Erfindern: „ Anthem Room Correction ( ARC ™ ) is a proprietary digital signal processing system that allows you to quickly and accurately optimize the performance of your audio equipment to better suit the unique parameters of your room.“
Wenn wir HiFi- Fans einmal ganz ehrlich zu uns selbst sind, dann wissen wir genau, dass eine akustische Optimierung des Raumes weitaus mehr Klanggewinn bringen würde als etwa der Tausch einer Endstufe oder gar der Tausch von Kabeln. Da es aber in Räumen immer, insbesondere im tieffrequenten Bereich, Probleme mit Resonanzen, stehenden Wellen oder
Reflexionen gibt, ist ein entsprechender Umbau sehr aufwendig oder schlicht optisch nicht erwünscht.
Anthem eröffnet dem Nutzer des Preamps drei verschiedene Möglichkeiten, um die Raumkorrektur vorzunehmen: Die umfangreichste und professionellste Vorgehensweise ist, die zugehörige Software von der Firmen- Website herunterzuladen und auf einem Windows- PC zu installieren ( Anthem empfiehlt Mac- Usern, Bootcamp zu benutzen). Das mitgelieferte Mikrofon steckt dann via USB am PC, der sich im gleichen Netzwerk wie auch die Vor stufe befindet.
Alternativ gibt es mobile Versionen der Software, die auf dem Pad oder dem Smartphone installiert werden. Hier kann man sowohl das externe Mi krofon benutzen als auch die in den Mobiles eingebauten Mi kros. Die Mobilversionen korrigieren den Frequenzgang automatisch entlang fester Zielvorgaben bis zwei Kilohertz, während die Profi- Variante bis fünf Kilohertz arbeitet und die Messungen über Frequenzgang- Diagramme visualisiert. Hier ist es auch möglich, eigene Korrekturen vorzunehmen, verschiedene Varianten einzusetzen und die Diagramme auszudrucken.
Entscheidend bei der ganzen Sache ist, dass sich ARC durch eine exakte, recht umfangreiche Messung an den Fähigkeiten des eingesetzten Lautsprechers orientiert und diesen auch nicht überfordert. Wer manuell eingreifen möchte, wird entsprechend gewarnt. Zusatzoptionen wie eine Schnellmessung als Positionierungshilfe beim Aufbau eines Lautsprechers oder bei der Integration eines Subwoofers sind ebenso möglich wie die Pegel- Anpassung der Testtöne, die man vorsichtshalber zunächst bemühen sollte. Tipps zur Mikrofonpositionierung und viele weitere Hinweise im Manual fehlen auch nicht, lobenswert übrigens auch dieFirmen- Website, die professionell und höchst informativ ist.
Weniger Bass? Nein, besserer Bass!
Subjektiv produziert die Raumkorrektur zunächst weniger Bass. Kein Wunder, „ Peaks“werden entfernt, „ Dips“dagegen aufgefüllt. Nach kurzer Zeit begreift man, wie blitzblank und präzise die Wiedergabe nun ist, zumal sich die Korrekturmaßnahmen auch unerwartet stark auf die Abbildung auswirken. Denn die vorgenommenen Korrekturen betreffen ja nicht nur simpel den Frequenzgang, sondern haben auch zum Ziel, dass die Lautsprecher bei allen Frequenzen strenger symmetrisch in Bezug auf den Hörplatz arbeiten.
Dabei kann man der Automatik mit ihrer vorgegebenen Zielkurve völlig vertrauen. Wenngleich ARC aus einem akustisch katastrophalen Raum sicher kein Klangwunder ma- chen kann, sind die Hörergebnisse unter dem Einsatz von ARC durchweg eklatant besser. Hier steckt also ein Verbesserungspotenzial, das Unterschiede zwischen Komponenten zu Marginalien degradiert. Der Klang der Kombi ist dabei über jeden Zweifel erhaben absolut neutral, zudem auch messtechnisch vorbildlich.
Und die Endstufe, die wir hier sträflich vernachlässigt haben? Ein vor Power nur so strotzender Wonneproppen, dessen beeindruckende Laststabilität außer Diskussion steht.
Die Akustik steht wie ein unsichtbarer rosa Elefant in jedem Hörraum. Anthem löst dieses alte Problem mit einem Ausnahmegerät. Und erfreulicherweise zu einem vernünftigen Preis.