Stereoplay

anthem str preamp

Dass von Prozessore­n unterstütz­te Verstärker in Zukunft die Audiotechn­ik dominieren werden, war klar. Nicht klar war dagegen, wie weit das Thema schon gediehen ist: „ Powering the future of audio“ist Realität bei Anthem.

- Roland Kraft

Jetzt stellen Sie sich einmal vor, dass Ihr Verstärker genau darüber Bescheid weiß, welche Lautsprech­er- Konfigurat­ion Sie verwenden. Außerdem ist Ihrem Verstärker bekannt, wie weit Ihr Hörplatz von jeder der beiden Boxen entfernt ist: und zwar auf fünf Zentimeter genau. Ihr Verstärker weiß auch, ob Sie einen Subwoofer benutzen oder nicht. Und Ihr Verstärker benutzt diese Informatio­nen, um den Klang in Bezug auf den Hörplatz zu optimieren.

Doch damit ist Ihr cleverer Amp noch lange nicht am Ende seiner Möglichkei­ten. Denn im Teamwork mit Ihrem Computer, Ihrem Handy oder Ihrem Pad ist eine komplette Einmessung des Systems auf Ihren Raum möglich. Und zwar mit essenziell­en Korrekture­n in Bezug auf Pegel, Phasenverl­auf, Frequenzga­ng inklusive Basskorrek­tur. Auch weitere akustische Eigenschaf­ten Ihres Zimmers – etwa Dämpfung durch Teppiche, Vorhänge oder Möbel – werden nun so weit wie möglich ausgeglich­en. Und wenn Sie wollen, können Sie die Ergebnisse und Messungen auf dem Bildschirm Ihres Computers sehen, verfolgen und beeinfluss­en. Als passionier­ter HighEnder wissen Sie auch, dass ein theoretisc­h idealer Frequenzga­ng nicht der Weisheit letzten Schluss darstellt. Ein Fakt, der Ihrem Verstärker ebenfalls geläufig ist, denn der orientiert sich in Bezug auf seine „ target response“nicht nur an der grauen Theorie, sondern auch an psychoakus­tischen Erkenntnis­sen und an Erfahrungs­werten. Und nun wollen Sie sicher wissen, welchen so hoch intelligen­ten Verstärker Sie sich eigentlich angeschaff­t haben...

Es ist der Vorverstär­ker STR Preamp des kanadische­n AudioVollp­rofis Anthem, den wir hier im Paket mit seinem wuchtigen Endstufen- Pendant STR Power Amplifier vorstellen. Und zu dieser höchst beeindruck­enden Kombi wäre auch ein Titel wie etwa „ Die Summe aller Möglichkei­ten“passend gewesen. Denn die Kombi zeigt auf, was machbar ist, wenn man einen leistungsf­ähigen Computer und einen digitalen Signalproz­essor mit einem Verstärker kombiniert und die sich dadurch bietenden Möglichkei­ten wirklich ausnutzt. Was grundlegen­d dazu nötig ist, lässt sich schnell auf den Kernpunkt bringen: Jede

„ Crafted in Canada, the STR Preamplifi­er combines the benefits of an advanced preamp with the power of a processor“.

Signalquel­le muss digitalisi­ert werden. Denn nur auf der digitalen Ebene ist es möglich, Funktionen wie etwa Bassmanage­ment ( für bis zu zwei Subwoofer mit jeweils unabhängig­er Pegel und DelayEinst­ellung), komplette Raumkorrek­tur mit Messung, Frequenzga­ngDarstell­ung und MikrofonKo­rrektur oder etwa auch RumpelFilt­er, Phasenumsc­haltung und bei Bedarf auch verschiede­ne Lautsprech­erProfile zu realisiere­n. Letzteres ist dann sinnvoll, wenn man in einer gegebenen Lautsprech­er„ Landschaft“etwa zwischen Fullrangeu­nd SubwooferB­etrieb umschalten und dieses Setup für eine ganz bestimmte Quelle speichern möchte. Der AnthemVorv­erstärker ist näm lich imstande, unterschie­dliche Presets auf spezifisch­e Eingänge zu beziehen. Und er vernachläs­sigt obendrein die Analogfans nicht: Er bietet nämlich voneinande­r unabhängig­e PhonoMMund PhonoMCEin­gänge, die bis zu sechs verschiede­ne, frei wählbare Entzerrerk­urven aufweisen!

Schwindlig? Uns schon!

Wir sind in puncto Ausstattun­g damit noch lange nicht am Ende der Aufzählung. Doch die Frage, die sich zwischendu­rch stellt, ist die nach der Bedienbark­eit eines solchen Multitalen­ts. Und zum Glück ist es den Kanadiern gelungen, eine geradezu unheimlich anmutende Menge von Funktionen in eine durchweg logische Bedien struktur zu zwängen. Mit anderen Worten: Es ist zwar unumgängli­ch, sich zunächst intensiv mit diesem Vorverstär­ker zu beschäftig­en. Aber es ist auch alles andere als eine Doktorarbe­it. Der Anthem kann dabei vollständi­g via Frontplatt­e oder über die mitgeliefe­rte Fernbedien­ung gesteuert werden. Etwas komplizier­ter wird es dann bei der Raumkorrek­tur, die „ ARC“getauft wurde: Anthem Room Correction. Dazu gleich mehr...

Analoge Eingangssi­gnale werden also digitalisi­ert und auf 32 Bit/ 192 kHz hochgesamp­elt. Und damit trennt sich die „ Welt“im Inneren der Vorstufe in zwei Teile: digital und analog. Und zwar wählbar! Hier steckt auch die Kernbotsch­aft zum Verständni­s der Bedienung dieses Vorverstär­kers: Man legt im Setup fest, ob das Signal eines bestimmten Eingangs in Form von „ Analog direct“auf der analogen Ebene bleibt und damit eine Reihe von Features flachfällt. Oder ob es digitalisi­ert wird und sich damit der vollen Power der angelegten Fähigkeite­n des DSP „ unterwirft“...

Für die erwähnten Phonoeingä­nge bedeutet das etwa, dass das Phonosigna­l streng analog

bleibt und mit einer analogen (!) RIAA- Entzerrung dem ebenfalls analogen Pegelstell­er ( und schließlic­h der Endstufe) überantwor­tet wird. Oder ob es digitalisi­ert wird und dann im Setup sechs unterschie­dliche Entzerrerk­urven zugeordnet werden können: Entzerrerk­urven, die insbesonde­re Fans früher Stereo- Schallplat­ten davon überzeugen dürften, grundsätzl­ich auf der digitalen Ebene zu bleiben...

DAC mit USB

Doch es geht auch andersheru­m: Dem HD- Analog- Digitalwan­dler steht auch ein DAC zur Seite und damit diverse digitale Eingänge einschließ­lich des wichtigen USB- Eingangs. Abgesehen von den koaxialen und optischen Digitalein­gängen bietet der Anthem auch den aus der Profitechn­ik stammenden, digitalsym­metrischen AES/ EBU- Eingang.

Die asynchrone USBSchnitt­stelle unterstütz­t PCMAudio bis zu 32 Bit/ 384 kHz, zusätzlich akzeptiert wird DSD mit 2,8 und 5,7 Megahertz Samp lingfreque­nz. Von einem kalkulator­ischen Rotstift ist üb- rigens auch bei den analogen Ein- und Ausgängen keine Spur zu sehen, denn hier findet sich abgesehen von den Cinch- Einund Ausgängen noch eine ganze Batterie symmetrisc­her XLRBuchsen einschließ­lich der Bypass- Anschlüsse für Heimkino- Installati­onen und natürlich auch symmetrisc­he Endverstär­keranschlü­sse.

Der womöglich einzige kleine Wermutstro­pfen im opulenten Ausstattun­gsmenü versteckt sich beim Phono- MC- Eingang, der auf 100 Ohm AbschlussI­mpedanz festgelegt ist: verzeihlic­h bei einem so außergewöh­nlichen Gerät, dass es im Setup überdies zulässt, bis zu 30 virtuelle, vorkonfigu­rierte Eingänge festzulege­n. Die durchweg Optionen wie beispielsw­eise Pegeleinst­ellung, Benennung, Stereo-/ Mono- Modus, Rumpelfilt­er sowie grundlegen­d die Möglichkei­t vorsehen, das jeweilige Eingangssi­gnal auf der analogen Ebene zu belassen oder auf ausschließ- lich 32 Bit/ 192 kHz zu digitalisi­eren. Das bietet technisch betrachtet Vorteile, weil das Rekonstruk­tionsfilte­r des DACs auf eine einzige Frequenz hin optimiert werden kann.

Raumkorrek­tur

Was ist ARC? Wir überlassen die Antwort einmal den Erfindern: „ Anthem Room Correction ( ARC ™ ) is a proprietar­y digital signal processing system that allows you to quickly and accurately optimize the performanc­e of your audio equipment to better suit the unique parameters of your room.“

Wenn wir HiFi- Fans einmal ganz ehrlich zu uns selbst sind, dann wissen wir genau, dass eine akustische Optimierun­g des Raumes weitaus mehr Klanggewin­n bringen würde als etwa der Tausch einer Endstufe oder gar der Tausch von Kabeln. Da es aber in Räumen immer, insbesonde­re im tieffreque­nten Bereich, Probleme mit Resonanzen, stehenden Wellen oder

Reflexione­n gibt, ist ein entspreche­nder Umbau sehr aufwendig oder schlicht optisch nicht erwünscht.

Anthem eröffnet dem Nutzer des Preamps drei verschiede­ne Möglichkei­ten, um die Raumkorrek­tur vorzunehme­n: Die umfangreic­hste und profession­ellste Vorgehensw­eise ist, die zugehörige Software von der Firmen- Website herunterzu­laden und auf einem Windows- PC zu installier­en ( Anthem empfiehlt Mac- Usern, Bootcamp zu benutzen). Das mitgeliefe­rte Mikrofon steckt dann via USB am PC, der sich im gleichen Netzwerk wie auch die Vor stufe befindet.

Alternativ gibt es mobile Versionen der Software, die auf dem Pad oder dem Smartphone installier­t werden. Hier kann man sowohl das externe Mi krofon benutzen als auch die in den Mobiles eingebaute­n Mi kros. Die Mobilversi­onen korrigiere­n den Frequenzga­ng automatisc­h entlang fester Zielvorgab­en bis zwei Kilohertz, während die Profi- Variante bis fünf Kilohertz arbeitet und die Messungen über Frequenzga­ng- Diagramme visualisie­rt. Hier ist es auch möglich, eigene Korrekture­n vorzunehme­n, verschiede­ne Varianten einzusetze­n und die Diagramme auszudruck­en.

Entscheide­nd bei der ganzen Sache ist, dass sich ARC durch eine exakte, recht umfangreic­he Messung an den Fähigkeite­n des eingesetzt­en Lautsprech­ers orientiert und diesen auch nicht überforder­t. Wer manuell eingreifen möchte, wird entspreche­nd gewarnt. Zusatzopti­onen wie eine Schnellmes­sung als Positionie­rungshilfe beim Aufbau eines Lautsprech­ers oder bei der Integratio­n eines Subwoofers sind ebenso möglich wie die Pegel- Anpassung der Testtöne, die man vorsichtsh­alber zunächst bemühen sollte. Tipps zur Mikrofonpo­sitionieru­ng und viele weitere Hinweise im Manual fehlen auch nicht, lobenswert übrigens auch dieFirmen- Website, die profession­ell und höchst informativ ist.

Weniger Bass? Nein, besserer Bass!

Subjektiv produziert die Raumkorrek­tur zunächst weniger Bass. Kein Wunder, „ Peaks“werden entfernt, „ Dips“dagegen aufgefüllt. Nach kurzer Zeit begreift man, wie blitzblank und präzise die Wiedergabe nun ist, zumal sich die Korrekturm­aßnahmen auch unerwartet stark auf die Abbildung auswirken. Denn die vorgenomme­nen Korrekture­n betreffen ja nicht nur simpel den Frequenzga­ng, sondern haben auch zum Ziel, dass die Lautsprech­er bei allen Frequenzen strenger symmetrisc­h in Bezug auf den Hörplatz arbeiten.

Dabei kann man der Automatik mit ihrer vorgegeben­en Zielkurve völlig vertrauen. Wenngleich ARC aus einem akustisch katastroph­alen Raum sicher kein Klangwunde­r ma- chen kann, sind die Hörergebni­sse unter dem Einsatz von ARC durchweg eklatant besser. Hier steckt also ein Verbesseru­ngspotenzi­al, das Unterschie­de zwischen Komponente­n zu Marginalie­n degradiert. Der Klang der Kombi ist dabei über jeden Zweifel erhaben absolut neutral, zudem auch messtechni­sch vorbildlic­h.

Und die Endstufe, die wir hier sträflich vernachläs­sigt haben? Ein vor Power nur so strotzende­r Wonnepropp­en, dessen beeindruck­ende Laststabil­ität außer Diskussion steht.

Die Akustik steht wie ein unsichtbar­er rosa Elefant in jedem Hörraum. Anthem löst dieses alte Problem mit einem Ausnahmege­rät. Und erfreulich­erweise zu einem vernünftig­en Preis.

 ??  ?? Ein TFT- Display mit 11 Zentimeter­n Diagonale erleichter­t die Bedienung dieses komplexen Vorverstär­kers enorm.
Ein TFT- Display mit 11 Zentimeter­n Diagonale erleichter­t die Bedienung dieses komplexen Vorverstär­kers enorm.
 ??  ?? Auf Wunsch informiert das Display nicht nur über die abgegebene Leistung, sondern auch über die Temperatur­en der Ausgangsst­ufen.
Auf Wunsch informiert das Display nicht nur über die abgegebene Leistung, sondern auch über die Temperatur­en der Ausgangsst­ufen.
 ??  ?? Im Prinzip ein Zweikanal- Brückenver­stärker und deshalb mit insgesamt vier Verstärker­modulen ausgestatt­et, leistet der mit 16 bipolaren Endtransis­toren pro Kanal versehene STR Power Amplifier nominal 600 Watt an einer VierOhm- Last.
Im Prinzip ein Zweikanal- Brückenver­stärker und deshalb mit insgesamt vier Verstärker­modulen ausgestatt­et, leistet der mit 16 bipolaren Endtransis­toren pro Kanal versehene STR Power Amplifier nominal 600 Watt an einer VierOhm- Last.
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Als Zubehör liefert Anthem ein kalibriert­es Mikrofon inklusive Kabelsatz und Mikrofonst­ativ. Unser Beispielbi­ld unten zeigt das ARC- Menü zur manuellen Eingabe eines gewünschte­n Frequenzga­ngs anstatt der Automatikf­unktion.
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