Attacke statt Pathos
Mehr als ein ganzes Jahr noch bis zu seinem 250. Geburtstag und der Beethoven-tsunami überflutet schon jetzt den Klassik-markt. Und doch findet man immer wieder etwas, das die unfassbare Modernität seiner Musik bezeugt.
Der ungarische Dirigent Ádám Fischer liebt die Wiener Klassik und er hat einen langen Atem: Bereits im alten Jahrtausend arbeitete er 14 Jahre lang an seiner Gesamteinspielung der Sinfonien Haydns, die bis heute Referenzstatus genießt, und danach feilte er acht Jahre lang in Kopenhagen an einem ähnlich frischen Zyklus der Mozart-sinfonien, die kaum Beachtung fand.
Jetzt legt er mit dem von ihm seit 1998 betreuten Dänischen Kammerorchester seinen ersten kompletten Beethoven-zyklus vor, an dem er drei Jahre gearbeitet hat. Nach Paavo Järvis Modelleinspielung aus den Nuller-jahren ist dies wieder eine Frischzellenkur, die mit überbordendem jugendlichem Elan, messerscharfer Prägnanz und entfesselter choreographischer Beweglichkeit den Sturmwind einer permanenten musikalischen Revolution entfacht und mit rekordverdächtigen, aber niemals überhetzten Tempi riesige sogartige Spannungsbögen eines neuen vorwärtsdrängenden Lebensgefühls zieht. So frisch, rebellisch-impulsiv, so leichtfüssig und mitreissend klangen diese von aller alten Patina radikal gereinigten Menschheitsappelle noch nie. Fischer versteht es, ihren zeitlosen human-dramatischen Kern und die innere Komplexität mit feinem, schlanken, kammermusikalischen Fokus freizulegen. So klingt der ganze Zyklus wie aus einem Guss, und die Neunte vom selben Furor durchtränkt wie die Erste – ein Beethoven für das 21. Jahrhundert!