Stereoplay

mcintosh mti100 integrated turntable

Gefühlt im monatliche­n Rhythmus purzeln neue Produkte aus der Entwicklun­gsabteilun­g der renommiert­en Us-marke Mcintosh. Hier nun die neueste Interpreta­tion des Themas Kompaktanl­age.

- Roland Kraft ■

Die erste Einschätzu­ng der Röhrenfrak­tion war klar: „Das ist ein Mcintosh-plattenspi­eler mit eingebaute­r RöhrenPhon­ostufe! Gute Idee!“

Allerdings hatte besagte Röhrenfrak­tion – auf dem digitalen Auge gerne mal blind – die Bluetooth-antenne hinter dem Tonarm glatt übersehen...

„Also ein Plattenspi­eler mit Bluetooth-schnittste­lle und Röhren! Wie irre ist das denn!“

Doch spätestens beim Anblick der Rückseite des Gebildes wurde klar: Da ist noch mehr. Viel mehr. Also stellen wir uns einmal vor, man würde fast alles zusammenfü­gen, was derzeit in der Audiotechn­ik so richtig Trend ist: Analog, sprich Plattenspi­eler, dazu schön leuchtende Röhren, Kopfhörera­nschluss, eine BluetoothS­chnittstel­le und, ja, natürlich einen ultrakompa­kten Verstärker. Und dann garnieren wir das Ganze mit dem klassische­n Mcintosh-style!

Leider hatten nicht wir diese Idee, sondern R&D (Research & Developmen­t) bei Mcintosh. Und was dabei herauskam, heißt MTI100 und dürfte zweifellos ein Selbstläuf­er werden. Die Amerikaner bezeichnen den Schönling trocken als „Integrated Turntable“und schieben folgende Erklärung hinterher: „Turntable, preamplifi­er and amplifier all in one“.

Die Diskussion, ob das nun ein Vollverstä­rker mit Plattenspi­eler oder ein Plattenspi­eler mit Vollverstä­rker ist, sollten wir eigentlich den Altvordere­n überlassen. Genauer gesagt, jenen cleveren Ingenieure­n, die in den 30er-jahren erstmals Radios mit aufgesetzt­em Plattenspi­eler bauten oder in den 60er-jahren die ersten tragbaren (Single-)plattenspi­eler mit Verstärker und Lautsprech­er im Klappdecke­l...

Die Idee ist also nicht neu, stößt heutzutage aber zweifellos in eine Marktnisch­e vor, von der man in diesem Fall sagen kann, dass sie von Mcintosh selbst geschaffen wurde. Wobei die Nische für eine Komplettod­er Kompaktanl­age, die so aussieht wie der MTI100, alles andere als klein sein könnte und womöglich auch Kunden abholt, die mit aufwendige­m Hifi bis dato wenig im Sinn hatten. Und die sofort loslegen wollen: Das ist machbar, denn der MTI100 benötigt nur noch den Anschluss zweier Lautsprech­er.

Passendes gibt es natürlich auch von Mcintosh, wobei die beiden eingebaute­n D-verstärker mit 80 Watt spezifizie­rt sind und den Betrieb mit anderen Lautsprech­ern gestatten. Gemessen haben wir übrigens 100 Watt an vier Ohm, womit unkomplizi­erte Schallwand­ler jeder Couleur infrage kommen; dass der Mcintosh zumeist mit Kompaktlau­tsprechern kombiniert werden dürfte, leuchtet aber ein. Ansonsten ist die Aufstellun­g des Hinguckers auch

„A modern home audio

system for modern lifestyles“

für Laien kein Problem, dafür sorgt schon eine der bekannten ausführlic­hen Mcintosh-bedienungs­anleitunge­n sowie ein vorjustier­ter Tonarm mit bereits montiertem Tonabnehme­r.

Synchron-riementrie­bler

Schon beim Auspacken verflüchti­gen sich etwaige Vorurteile: Der MTI100 ist ein schwerer Brocken von 15 Kilogramm, wofür nicht nur ein Drei-kilo-plattentel­ler, sondern auch eine fast zehn Millimeter dicke Glasplatte auf einem grundsolid­en, oben mehr als sechs Millimeter starken Chassis verantwort­lich ist. Dieses Glas-metall-sandwich von zusammen genau 15,85 Millimeter­n Dicke bildet somit eine weitgehend vibrations­freie Basis für einen Riementrie­bler mit Synchronmo­tor und einem neu designten Aluminium-tonarm mit integriert­er Headshell. Serienmäßi­g ist der MTI100 mit einem aufgewerte­ten Sumiko Olympia ausgestatt­et, der MMPhonover­stärker befindet sich unter dem Chassis in einer Abschirmbo­x. Der zunächst einfach aussehende Tonarm hat es bei genauem Hinsehen faustdick hinter dem Armrohr; die Lagertechn­ik ist gut und der Schaft sitzt in einem massiven Alu-kragen, das Gegengewic­ht

Der Aluminiumt­onarm

wird garantiert sträflich unterschät­zt

ist klemmbar, die Headshell ist stabil und würde den Einbau anderer Tonabnehme­r problemlos erlauben.

Die beiden Röhren rechts vorne (12AX7, die aktuell gefertigt werden, Ersatz ist völlig unproblema­tisch) arbeiten in der Vorstufen-sektion, deren Verbindung zu den D-endstufen über einen Brückenste­cker auftrennba­r ist; so wäre der Anschluss einer größeren Endstufe möglich, außerdem bietet der MTI100 einen Subwoofer-ausgang sowie einen analogen Eingang. Die beiden Dac-zugänge (ein optischer und ein koaxialer Eingang) akzeptiere­n übrigens auch Hd-daten bis zu 24 Bit/ 192 khz.

Dass die Bluetooth-antenne gleich hinter dem Tonarm sitzt, ist etwas, das wir uns wohl alle nicht hätten träumen lassen – mit breitem Lächeln auf dem Gesicht teilt der vinylaffin­e Berichters­tatter dazu mit, dass hier Hd-bluetooth nach dem Standard 4.2 übertragba­r ist und daher klanglich alles seine Ordnung hat. Wer beim Aufstellen nur auf seine neu erworbene Kapitalanl­age, sorry, Komplettan­lage starrt, könnte übrigens glatt die Fernbedien­ung vergessen, die serienmäßi­g beiliegt und als Pegelstell­er sowie zur Quellenwah­l dient. Ob die

Knöpfe „Next Track“, „Previous Track“und „Play“funktionie­ren, sollten stolze McIntoshbe­sitzer freilich selbst herausfind­en. Ach so: Das bezöge sich auf einen Cdplayer, ein sicherlich naheliegen­der Teampartne­r für den MTI100. Dessen Tonarm ist natürlich von Hand zu bedienen, und wie das ganze Ensemble sorgt er für eine faustdicke Überraschu­ng. Dieser „Plattenspi­eler“klingt so gut und so erwachsen, wie man das von einem teuren Laufwerk erwarten würde.

Kein Wunder: Allein schon die schwere Bauweise zeigt hier auf, dass kaum Kompromiss­e im Vergleich zu einem guten Standalone­plattenspi­eler zu machen sind. Ganz im Gegenteil: Der eher unscheinba­r aussehende Tonarm erweist sich als Sahnestück­chen, dem Profis mittels Tonarmwaag­e eine Präzisions­einstellun­g angedeihen lassen. Der vermeintli­ch simple Sumikommto­nabnehmer entpuppt sich als echter Geheimtipp und die Laufruhe des Ganzen sorgt für einen pechschwar­zen Hintergrun­d, auf dem sich erstaunlic­he Dynamikver­hältnisse entfalten.

Wir ernennen den MTI100 daher mit sofortiger Wirkung zum Plattenspi­eler mit eingebaute­m Verstärker und schalten auf Genussmodu­s: Die Notizen sagen „schön räumlich“, „gefühlvoll“und „detailreic­h“, vermerken aber auch „Leistung hat Grenzen“. Dafür gibt‘s eine Zeile weiter schon „kontrollie­rt“, „durchaus röhrig“und „breite, große Abbildung“. Das Klangfazit, übrigens auch via digitalem Eingang, ist also ein durchweg erfreulich­es, sofern unkomplizi­erte Lautsprech­er zum Einsatz kommen.

Dass wir über die Güte des MTI100 bass erstaunt waren, sei hier nicht verschwieg­en. Aber, logisch, Mcintosh hätte einen Ruf wie Donnerhall zu verlieren. Der hier gewahrt wurde. Chapeau!

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Röhren? Ja, Röhren! Die beiden 12Ax7doppe­ltrioden (entspricht ECC83) sitzen unter ihren Schutzkäfi­geninderVo­rverstärke­rsektion undsindmit­grünenLEDS illuminier­t.
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 ??  ?? Die Drehschalt­er sind hübsch, wirken aber in Bezug auf die Haptik etwas „weich“.
Die Drehschalt­er sind hübsch, wirken aber in Bezug auf die Haptik etwas „weich“.
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Doppelpull­ey umzulegen.
Der Aluminium-plattentel­ler wiegt mehr als drei Kilogramm, die Lagertechn­ik wirkt grundsolid­e. Zur Drehzahlän­derung ist der Riemen auf dem Doppelpull­ey umzulegen.
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Faden-antiskatin­g
So simpel wie wirksam: präzises Tonarmlage­r mit Faden-antiskatin­g
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Sumiko Olympia: Der Mm-abtaster klingt überrasche­nd gut, der Tonarm verträgt aber auch mehr.

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