Cambridge audio CXA61
Unscheinbar, klassisch. Wir könnten diesen Vollverstärker unterschätzen und einen schweren Fehler begehen. Er ist ein Held seiner Preisklasse, laststabil, fein und mit ordentlichem Druck. Dazu gibt es einen potenten D/a-wandler.
Der Name klingt cool: „Cambridge Audio“. Das assoziieren wir natürlich mit der Universitätsstadt im Norden von London. Hier wird um die Wette mit Oxford gerudert, hier sitzen die schlausten Köpfe des vereinigten Königreichs. Das Know-how fließt. Man darf stolz sein auf seinen elitären Stand. Und tatsächlich waren es ein paar kluge Köpfe aus Cambridge, die in kleinsten Verhältnissen an Verstärkern schraubten und löteten. So geschehen vor über 50 Jahren. Geschaffen wurde das, was Cambridge Audio noch heute als „The Great British Sound“anbetet und preist. Tatsächlich ist der P40-verstärker
Hätte ich Geld – so würde ich nicht nur diesen Verstärker kaufen, sondern am besten gleich die ganze Company.
noch immer ein Highlight auf ebay. Erschaffen im seligen Jahre 1968 und so überhaupt nicht veraltet. Das Design könnte man sich noch heute ins Regal stellen: erstaunlich flach und bewusst auf das Wesentliche reduziert.
Doch der typische, große britische Sound ist, wenn man heute ehrlich ist, nur noch ein Relikt. Schon längst hat sich Cambridge Audio auf einen Weltmarkt eingeschworen und eingehört. Alles ist streng linear, deshalb aber umso verlockender. Auch die Firmenzentrale sitzt nicht mehr in Cambridge, sondern in der Hauptstadt. Es gibt ein gemeinsames Firmendach, unter dem auch Mordaunt-short und Opus Technologies agieren. Wer mal in der Zentrale vorbeischauen will, der geht einfach über die Tower Bridge Richtung Süden, dann leicht westlich – und unmittelbar an Tabard Gardens residiert die Company in einem der feinsten Teile der Stadt.
Aufsteigender Ast
Das muss man sich leisten können. Cambridge Audio kann es sich leisten – weil die Umsätze stimmen. Das ist noch untertrieben: Die Umsätze zeigen rasant nach oben. Es hat sich herumgesprochen, dass hier enorm viel High-end für kleines Geld zu kaufen ist. Doch jetzt rühren die Briten am Allerheiligsten – ihren Vollverstärkern. Da sind wir in der Vergangenheit in huldvolle Hysterie verfallen. Die Amps von Cambridge Audio haben nicht nur bei uns, sondern weltweit Bestnoten und Empfehlun
gen eingeheimst. Der CXA60 war eine feste Bank in der Mittelklasse. 800 Euro klebte Cambridge Audio als Preis auf den Karton. Nun läuft die Serie aus, und der Neuling wartet, der CXA61. Wir haben ihn in den Hörraum beordert, knapp vor der Markteinführung. Wir kennen beide Amps, im Inneren wie vor den Ohren. Der Blick unter die Haube birgt überraschend wenige Neuheiten. Das Konzept eines guten Class-a/b-verstärkers wurde beibehalten. In der Mitte ein großer Ringkerntrafo, darum wurde ein Fuhrpark an Signalwegen gestrickt. Doch Cambridge Audio hat alles auf die Waage gelegt. Das bewährte Schaltungskonzept blieb gleich, aber alle Komponenten wurden überdacht und umfassend neu installiert. Am auffälligsten ist der Preisboom: Jetzt kostet der CXA61 900 Euro. Das ist nicht unsittlich, aber ein klarer Anstieg, für den es auch deutlich mehr gibt. So war beim 60er im Rücken ein USB-PORT freigehalten, über den wir einen Bluetooth-dongle zustecken konnten, gegen Aufpreis. Nun ist Bluetooth natürlich im 61er integriert – dazu noch in der höchsten Ausbaustufe in aptx HD –, was einen Datendurchsatz von 24 Bit und 48 Kilohertz garantiert. Nach gleicher Konsequenz wurde auch der interne D/awandler aufgestockt. Gab es damals einen guten Wolfsonchip, so wandelt heute ein Hochleistungssportler von ESS Sabre bei 32 Bit und 384 Kilohertz. Man fühlt sich alt, angesichts dieser stetig steigenden Datenraten.
Was aber schmerzlich für die Vinyl-zielgruppe fehlt: Es gibt keinen Phonozugang. Und dennoch stellt Cambridge Audio diesen Amp neben die Plattenspieler des Hauses. Die interne Logik ist einfach: Der Plattenspieler Alva TT gibt seine Signale auch vorverstärkt hinaus, im Transfer per Bluetooth. Beim Oldie konnten wir noch Höhen und Bässe justieren, der 61er geht hingegen strikt linear und unveränderbar an die Membranen. Das kann man als Sparzwang interpretieren oder eben als audiophile Wahrheitssuche.
Unverschämt gut
Es klingt? Unverschämt gut. Für diesen Preis hätten wir Zugeständnisse erwartet. Doch Cambridge Audio vollführte die höchsten Gefühle. Das hatte Druck, dazu Feingefühl – wirklich ein außergewöhnlicher Vollverstärker. Klar erscheint uns die aktuelle Version besser als das Muttertier. Selbst großgewachsene Vor-/endkombis mussten sich anstrengen, um sich an diesem kleinen Vollverstärker zu messen. Da erfreute jeder Takt, jede Phrase – alles war klar, konturscharf und dennoch zutiefst musikalisch. Ganz verwegen: Hätte ich Geld, so würde ich Cambridge Audio kaufen, nicht nur diesen Verstärker, sondern die komplette Company. ■