Gauder akustik arcona 60 mkii
Die „kleinste“Baureihe bei Gauder Akustik setzt im Hochton nun auf Accuton-keramik-chassis. Bringt das den letzten Kick?
Fragen Sie Dr. Roland Gauder, was seine Lautsprecher von denen anderer Hersteller unterscheidet, so wird er vermutlich als Erstes seine mit hoher Flankensteilheit arbeitenden Frequenzweichen erwähnen. Fragen Sie mich, so bekommen Sie eine weniger technische Antwort: Nur ganz wenige Lautsprecher sind in der Lage, mit Jazz und Klassik genauso viel Freude zu machen wie mit Rock und Metal – und das bis hin zu sehr hohen Lautstärken. Die Arcona 60 MKII macht da keine Ausnahme, wie der Hörtest noch zeigen wird.
Für diese Klangerlebnisse sind selbstverständlich zahlreiche Faktoren im Zusammenspiel zuständig. Und damit das Ergebnis die Ansprüche der Entwickler und der Fans der Marke befriedigt, werden eben alle Komponenten als gleich wichtig erachtet. Vom Gehäuse über die Chassis bis zu den Bauteilen der Frequenzweiche. Nicht zu vergessen: das Design. Man ist zu Recht stolz auf die schlanke, wohnzimmerfreundliche Optik des in Schwarz und Weiß erhältlichen Lautsprechers. Knapp einen Meter hoch, 30 cm tief und nur 18 cm breit, und dennoch kommt die Arcona 60 MKII bis zu 39 Hertz hinunter (-3 db). Das ist sehr ordentlich und dürfte für die meisten Hörer auch ausreichen.
Nur ganz wenige Lautsprecher sind in der
Lage, mit Jazz und Klassik genauso viel
Freude zu machen wie mit Rock und Metal.
Zwei Wege und ein halber
Es ist nicht die Anzahl der Chassis, die festlegt, wie viele Wege eine Box hat. Darüber entscheidet die Frequenzweiche, die den Chassis ihre Aufgabenbereiche zuweist. Bei der Arcona 60 MKII handelt es sich laut Hersteller um einen 2,5-Wege-lautsprecher. So nennt man Konstruktionen, die neben einem Hoch- und einem Tief-/mitteltöner einen weiteren Tieftöner haben. In einem bestimmten Frequenzbereich, meist im Bass, lau
fen der Tief-/mitteltöner und der Basstreiber parallel.
Bei der Arcona 60 MKII ist es ein wenig anders realisiert. Hier finden sich – ganz klassisch – ein Tief-/mitteltöner und ein Tieftöner. Der Tief-/ Mitteltöner, das obere der beiden Chassis, sitzt in einer eigenen, geschlossenen Kammer, während der Basstreiber (unten) in einem Bassreflexgehäuse spielt. So kommen gleich drei Bassanteile zusammen (von den beiden Chassis und vom Reflexrohr), die per Frequenzweiche zu einer harmonischen Zusammenarbeit „bewegt“werden. Der Tief-/mittelton profitiert zudem von der geschlossenen Kammer, was der Klarheit im Mittelton zugutekommen soll.
Bei den Materialien haben sich die Entwickler für eine sehr harte Membran für Mittel- und Tiefton entschieden. Die 15-cmchassis haben eine Aluminiummembran, die auf der Rückseite bedämpft ist. Hart sollten die Chassis sein, um Impulsen gut folgen zu können, schließlich ist Musik eine Folge von Impulsen. Der Nachteil harter Membranen, der wellige Frequenzgang, wird „einfach“per Frequenzweiche kompensiert.
Bass-extension
Auf der Rückseite der Lautsprecher finden sich zwei Buchsen, die man mit einem beiliegenden „Goldbrückenstecker“verschließen kann (siehe Foto oben rechts). Dadurch wird ein Filter aktiviert, das den Bassbereich um 70 Hz um 1,5 db anhebt. Das kann der ein oder anderen
Aufnahme guttun und in großen Räumen, wie unserem Hörraum, sinnvoll sein. Zudem ist es schnell gemacht und somit doppelt praktisch. Aber es können nicht nur Bassfans, sondern auch Leisehörer von dem Boost profitieren.
Keramische Höhen
Alle Frequenzen ab 3400 Hertz übernimmt der Keramik-tieftöner, der nach Vorgaben von Roland Gauder bei Accuton gefertigt wird. Ein Modell von der Stange ist dies sicher nicht.
Ganze zwei Jahre hat die gemeinsame Entwicklung gedauert und auch hier spürt man den Stolz Roland Gauders. Das 25-mm-chassis hat eine sehr geringe Masse und einen starken Antrieb. Dafür sorgen die 25-mm-titan-schwingspule und der starke Fendb(eisenNeodym-bor)-magnet mit Polkernbohrung. Zusammen ergibt das einen hohen Wirkungsgrad und eine sehr gute Impulswiedergabe. Der zuvor in der Arcona eingesetzte AMT bündelte stärker und früher, was in
puncto Transparenz und Räumlichkeit Nachteile bringt. Wer eine ältere Arcona besitzt, kann für 2000 Euro auf den Keramikhochtöner upgraden und bekommt dann natürlich auch die neue Frequenzweiche eingebaut.
A propos: Die Frequenzweiche ist Gauder-typisch sehr hochwertig bestückt, sauber und symmetriert aufgebaut und arbeitet mit einer Filterflankensteilheit von über 50 db/oktave. Dies führt dazu, dass die Bereiche, in denen sich die Einsatzbereiche der Chassis überschneiden, sehr klein ist. Die Verkabelung ist hochwertig, den Anschluss zu den Lautsprecherkabeln stellen Wbt-0702-nextgen-klemmen her.
Alle Chassis sitzen in einem Mdf-gehäuse, dessen Kanten verrundet sind, um Kantenreflexionen zu verringern. Mehrere Schichten Klavierlack (in Schwarz oder Weiß) sorgen zusätzlich für ein edles Erscheinungsbild. Unser Aufmacherfoto zeigt die Arcona 60 MKII mit dem optional erhältlichen Spike-extender Set, das für 400 Euro (pro Paar) erhältlich ist. Hier geht es in erster Linie um Standsicherheit und Optik. Die klanglichen Unterschiede zur
Variante ohne Extender sind sehr gering. Mit ihrem Paarpreis von 4000 Euro ist die MKII der Arcona 60 zehn Prozent günstiger als der Vorgänger und bietet technisch deutlich mehr. Das kommt auch nicht oft vor.
Run it!
Dass dieser Preis ein Schnäppchen sein könnte, ließ bereits das erste Testststück vermuten: Bei „Bullet In The Head“von Rage Against The Machine war es schlicht verblüffend, wie viel Energie die Arcona 60 MKII in den nicht eben kleinen stereoplay-hörraum warf. Verrückt! Wir fassten das als Aufforderung auf und drehten lauter und lauter: Ohne ins Nervige zu kippen, blieb die Box Herr der Lage und überzeugte mit sauberen, kräftigen E-bass-läufen und mitreißenden Riffs.
Das Bassface Swing Trio auf der stereoplay-cd „Stockfisch Collection“(stereoplay 12/19) spielte angenehm audiophil, der Kontrabass klang authentisch und ging ziemlich tief runter, die Stimme war enorm fein aufgelöst und das Klavier, ja, man schreibt das nicht gern’, aber es perlte. Zu guter Letzt durfte die Gauder Arcona 60 MKII auch noch ihre emotionale Seite zeigen, mit „You Can Close Your Eyes“, in der Version von Linda Ronstead. Dieses Stück neigt trotz (oder wegen?) leichter Schmalzigkeit dazu, mich sehr zu rühren. So auch hier, über diese RockerBox, die aus ihrer emotionalen Seite keinen Hehl macht.
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