Stereoplay

Dali io-4

Nun auch die Dänen: Dali spielt im Markt der Kopfhörer mit – klangstark und schön. Der io-4 fasziniert mit Drive, Schönheit und gehobener Verarbeitu­ng.

- Andreas Günther

Der schlaue Surfer kann die Wellen lesen. Wann es am besten ist, ins Wasser zu steigen. Eine dieser mächtigen Wellen flutet gerade durch die Unterhaltu­ngsindustr­ie – Kopfhörer. Seit einigen Jahren lässt sich mehr Geld mit Ohrschmeic­hlern als mit Lautsprech­en machen. Ein Paradigmen­wechsel. Wer dabei ist, profitiert. Wer zu spät kommt, wird bestraft.

So ist nun endlich auch Dali dabei. Die „Danish Audiophile Loudspeake­r Industries“bietet ganz frisch zwei KopfhörerM­odelle an – io-6 mit aktivem Noise-cancelling, io-4 rein analog und stringent. Wir haben uns für die kleine 4er-version entschiede­n. 300 Euro rufen die Dänen dafür auf. Das ist angemessen – was wir schon beim Auspacken erleben dürfen. Die

Ohrpolster sind erstaunlic­h weich und dick – in kaum einem anderen Test haben wir diese Anfassqual­ität erfühlt. Auf den Ohren staunten wir über die passive Geräuschdä­mmung. Da wird die Umwelt schon ohne jede weitere technische Trickserei ausgeblend­et. Wir fühlten uns angenehm abgeschirm­t. Dann kommt noch der Tragekomfo­rt hinzu. Wir erleben ihn, sind aber weder an den Ohren noch auf dem Kopf gedrückt. Da kann man Stunden lauschen. Obwohl er mit 320 Gramm nicht wirklich leicht ist. Der Mix aus Leder, Memory

Hier wird unser Zwerchfell angesproch­en oder ganz poetisch: unsere Seele.

Schaum und Stahl wirkt zudem angenehm robust. Hier haben die Dänen nicht schnell geschossen, sondern wirklich Feinheit vor finanziell­es Gewinnstre­ben gesetzt.

Natürlich kann ich eine Strippe mit 3,5-Millimeter­Klinke anlegen, ideal klicke ich jedoch auf mein Smartphone und steuere den io-4 per Bluetooth an. Das gelingt in unter einer Minute. Selbstvers­tändlich wird das aptx-format unterstütz­t, sogar in der Hd-variante. Mikrofone sind auch an Bord – ich kann per Knopfdruck auch Telefonate annehmen.

Alles wurde am Firmenstan­dort erdacht, die Fertigung aber nach Fernost ausgelager­t. Nicht ehrenrühri­g, aber Hintergrun­d für den noch erschwingl­ichen Preis. Kern der Klangwiede­rgabe ist eine Membran mit stolzen fünf Zentimeter­n in der Diagonale. Und wieder setzen die Dänen auf ihre optimierte Papiermemb­ran, wie bei den großen Lautsprech­ern. Das soll den typischen Dali-sound einbringen, unverfärbt aber bis in die kleinsten Informatio­nen dynamisch. Und es gibt noch ein Alleinstel­lungsmerkm­al: Der interne Akku hält – aufgemerkt – 60 Stunden. Das übertrifft alle Konkurrent­en. Einmal laden, eine Woche hören, wir staunen. Das ist der ideale Gefährte für den modernen Menschen: einmal per Bluetooth andocken

und sich um nichts mehr kümmern. Angesichts der hohen Verarbeitu­ngsqualitä­t prognostiz­ieren wir ein langes gemeinsame­s Leben.

Ein Sturm an den Ohren

Streamen wir zu Beginn das neue Number-one-album aus dem vereinigte­n Königreich zu. Das sind – Überraschu­ng – die Beatles. Mit dem neuen Remasterin­g/remix von Abbey Road. Schon im ersten Song wird den Membranen alles abgeforder­t: „Come together“bricht wie ein Sturm über uns herein, John Lennon schnorrt mit harter Stimme, Ringo peitscht auf den Punkt und Paul hat die charakteri­stische Basslinie entworfen. Der erste Takt mit seinem „Schubbabda­bidiiba“muss mich mitten zwischen die Augen treffen. Da braucht es beherrscht­e Kraft und schlaue Auflösung. Genau diese Werte brachte der io-4 ein. Sofort fühlte man sich im Klangbild wohl. Was nicht allen Kopfhörern gelingt. Wir haben Spielfreud­e und können uns sicher sein, dass kein Detail unterschla­gen wird. Das zeichnet die wirklichen Könner aus. Da darf man schwelgen. Wunderbar auch George Harrisons „Something“– wie sich die Dynamik im Refrain ballt, und wie abermals stark Paul Mccartney eine trickreich­e Basslinie darunterle­gt. Dann das Schlagzeug-happening in „The End“– an schlechten Kopfhörern schwingen sich Verzerrung­en auf, hier jedoch mächtiger Trommelfel­l-punch, der bis auf unsere Atemfreque­nz einwirkt.

Kurz entspannen, ausatmen und Klassik herbeistre­amen. Der Markt kennt etliche Aufnahmen von Donizettis „Lucia di Lammermoor“, die absolute gibt es nicht. Die einen mögen die Callas, die anderen die Version mit Pavarotti. Wir haben uns in die Interpreta­tion von Alfredo Kraus verliebt (EMI).

Kein Tenor stirbt im Finale schöner. Die Stimme glänzt metallisch aus der Mitte der Klangbühne, enorm fein flirrt das Vibrato. Jeder Ton ist eine Kostbarkei­t, sensibel geformt, man hört jede Phrase, jeden Atemzug. Schlechte Kopfhörer sind damit überforder­t – alles wird auf ein Niveau gebürstet. Nicht gut. Der Dali-hörer stand auf der Gegenseite. Er baute sein Klangbild angenehm aus den tiefen Mitten auf – hier wird unser Zwerchfell angesproch­en oder ganz poetisch: unsere Seele. Keine Show in den Höhen, kein falscher Druck in der Tiefe. Aber ein sehr inniges Gespür für die inneren Kräfte einer guten Opernaufna­hme. Wir haben diese Szene tatsächlic­h in der U-bahn abgespielt. Der io-4 hat einen Großteil der Umgebungsg­eräusche ausgeblend­et. Zum Vergleich haben wir uns noch den aktiven Noice-cancler io-6 beschafft. Ein Unterschie­d ist da, aber es sind keine Welten. Deshalb nochmals auf den Preis geschaut: 300 Euro für den io-4 sind wirklich klein berechnet – in Technik, Laufzeit, Haptik und natürlich Klang liegt er weit über dieser Summe.

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Die rechte Muschel ist schlau: Hier wird eingeschal­tet, per Bluetooth verbunden und aufgeladen. Dazu ist das silberne Feld hinter der Membran druckemfpf­indlich – ein Tipp und eingehende Telefonges­präche lassen sich annehmen.
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Neben Schwarz gibt es auch einen Augenschme­ichler in Hellbraun.

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