Firmen-portrait NAD
NAD hat eine neue Sprache etabliert. In Klang und Design sind viele Helden des modernen High-ends entstanden. Wie geht es weiter? Die Zeichen stehen auf volle Segel voraus.
stereoplay wirft einen Blick auf die bewegte wie erfolgreiche Geschichte von NAD
Die Geschichte könnte auch auf der Bounty spielen. Die Matrosen sind unzufrieden und rufen zur Meuterei. So ist NAD entstanden. Im seligen Hifijahre 1972. Damals rotteten sich Vertriebe weltweit zusammen. Sie wollten nicht nur fremde Produkte importieren, sondern eine eigene Marke etablieren. Es ging darum, eine „New Acoustic Dimension“zu erfinden – eben NAD. Man kaufte Fertigungswege und Entwickler in Great Britain an. Das Kernsegment damals lag in der gehobenen Einsteigerklasse.
Fragen Sie doch einmal Ihre Freunde. Es wird enorm viele Menschen geben, die verzückt in die Vergangenheit blicken und sich outen, dass sie ihre ersten großen audiophilen Erlebnisse mit Elektronik von
NAD hatten. Das war erschwinglich, zugleich zeugte es von Geschmack. Die Komponenten sprechen bis heute eine klare Design-sprache – kein Knopf zu viel, alles könnte auch dem Katechismus des Bauhauses entsprungen sein.
Zwei Männer sind dafür verantwortlich. Über lange Jahre hat der Geschäftsführer Marty Borish den Weg der Company geprägt. Er hatte das richtige Händchen, auch in Personalfragen. So stellte er den Toningenieur Björn Erik Edvardsen als Entwickler ein. Ein Dreamteam. Man brachte den NAD 3020 in den Markt – den bis heute meistverkauften Stereoverstärker überhaupt. Der Rubel rollte, und der Marktwert von NAD stieg weit über den Rang eines Geheimtipps. Danach gab es legendäre Premieren. Das erste Kassetten-deck mit Dolby C, ein großartiger Cd-player, die ersten wirklich gut klingenden Digitalverstärker. Aus dem Verfolger wurde fast so etwas wie ein Marktdominator. In nur wenigen Jahren.
Kanadisches Mutterhaus
Heute haben sich die Spielregeln geändert. NAD ist noch immer eine Legende, aber unter der Macht eines Großkonzerns. Seit 1999 gehört man der kanadischen Lenbrook-gruppe. Kein Drama, eher ein Glücksfall. Die Kanadier wissen die Wurzeln zu schätzen, bauen ebenfalls im erschwinglichen Segment und haben NAD in die Moderne geführt. So gibt es mittlerweile auch Kopfhörer. Eher im Singular – den HP70.
Er kann alles – kabellos und mit aktiver Geräuschunterdrückung. Auch der mittlerweile veralteten CD hat NAD die Treue gehalten. Zwei Edelplayer finden sich noch im Portfolio. Vielleicht noch wichtiger: Die LP ist zurückgekehrt – NAD gönnt sich den Luxus eines eigenen Plattenspielers. 900 Euro werden für das große Modell aufgerufen, 600 für das kleinere Schwestermodell. Wer die Details zu lesen versteht, sieht hier die Basis für wirklich guten Klang – es gibt einen Plattenteller aus massivem Glas, dazu einen Edelabnehmer von Ortofon. NAD weiß, was Eindruck schindet.
Mittlerweile hat sich die Design-sprache verändert. Die schwarzen Kisten im 43-Zentimeter-format gibt es natürlich immer noch. Aber NAD reckt sich in die Höhe. Mit mutigen, senkrechten Bausteinen. Beispielsweise dem D 3020 V2. Der würde in jedes Bücherregal passen. Und noch nicht einmal Hitze produzieren. Hier wird ganz bewusst die Neuinterpretation des Supersellers 3020 gewagt. Doch in einem umfassend neuen Kleid und komplett unterschiedlicher Schaltung. Das ist ein schmucker Digitalverstärker, der dennoch seinen Ahnen treu bleibt – beispielsweise mit einem Phono-eingang. Huh – bis zu 100 Watt kommen aus der kleinen Zigarrenkiste.
Der Rubel rollte, und der Marktwert von NAD stieg weit über den Rang eines Geheimtipps.
Der moderne Nutzer streamt seine Lieblingsmusik per Handy – über die höchste Bluetooth-verbindung. Die Tester haben sich überschlagen. So auch wir. Unfassbar dazu das Preisetikett: 500 Euro wünschen sich die Kanadier für den mächtigen Allrounder.
Doch NAD hat noch weitere Pfeile im Köcher. Wenn der Preis steigt und wir die MastersSerie erreichen. Ganz frisch ist hier der M10 erschienen. Man könnte ihn unterschätzen. Weil er überaus kompakt und leicht daherkommt. Doch das Innenleben strotzt von der höchsten
Potenz der High-end-zukunft. Die kleine Box kann alle erdenklichen High-res-formate auslesen. Er ist Streamer, Wandler und dazu noch Vollverstärker. Bis zu 300 Watt an musikalischer Impulsleistung sind möglich. Davon hätten wir vor drei Jahren noch nicht einmal zu träumen gewagt. Zudem lebt hier NAD sein hauseigenes „Bluos“-ideal aus.
Eine Plattform der Datenwandlung, ein Konzept für die Multiroom-architektur. Bis zu 64 Zonen lassen sich einbinden. Alles per App steuerbar. Natürlich gibt es auch die Cover-ansicht im zentralen Display. Ebenso ist der Ethernet-anschluss für Roon freigeschaltet. Herz, was willst Du mehr? Einen kleinen Preis vielleicht? Doch hier kann NAD nicht dienen. Der M10 kratzt an der 3000-Euro-marke. Und das zu Recht: Wir sparen uns Vorstufe, Wandler, Endstufe – und deutliche Kubikzentimeter im HighEnd-rack.
Am Neuen feilen
Wie kaum eine andere Marke hat es NAD verstanden, die Meriten der Vergangenheit in die Jetztzeit zu überführen. Das sagen wir nicht von jeder Marke: schön, dass es NAD gibt, schön, dass hier noch große Geister an neuen Produkten feilen. ■