Die Stimmen des Ostens
1986 durfte die Ddr-rockband Silly den Song „Bataillon d’amour” im Tv-studio nicht spielen. Die Fernsehmacher empfanden die Textzeile „Zwei schmale Jungenhände streicheln ihre Brust” als anstößig. Diese Zensur fand nicht in Ost-berlin statt, sondern beim ZDF in Mainz. Der Ddrmedienbetrieb war weniger prüde: Silly wurde „Band des Jahres“, die Silly-frontfrau Tamara Danz wurde „Sängerin des Jahres“. Außerdem erhielt „Bataillon d’amour” die „Goldene Amiga“– eine Prämie für Verkaufserfolge in einem Land, wo die Kulturschaffenden angeblich frei von kapitalistischen Zwängen arbeiten konnten. Das Vorgänger-album durfte 1984 nicht erscheinen, weil sein Coverfoto an den innerdeutschen Todesstreifen erinnerte; das Ddr-label Amiga konnte „Zwischen unbefahrenen Gleisen“erst veröffentlichen, nachdem es in „Liebeswalzer“umbenannt worden war. Spätestens die nach der Wende produzierten Silly-songs „Hurensöhne“und „Asyl im Paradies“hätten die Band auf dem deutschsprachigen, vielleicht sogar globalen Markt etablieren können. 1996 aber starb Tamara Danz. Ihre Nachfolgerin Anna Loos hat die Ausdruckskraft der charismatischen Powerfrau nie erreicht, obwohl sie auch kraftvoll singen konnte. Doch die 22 Tracks auf dieser Doppel-lp dokumentieren, wie sich die Band musikalisch und aufnahmetechnisch von 1981 bis 2016 kontinuierlich steigerte. Während Silly die nachdenklich frechen Texte und beinahe schon folkig eingängigen Melodien lieferte, deckten die Puhdys in den 1970/-80er-jahren im Amiga-katalog das Hardrock-segment ab. Die 5-LP-BOX „Puhdys: Rock & Balladen“kann und will die Inspirationsquellen des Ddr-quintetts nicht verleugnen. Bei nur wenigen Rocksongs konnten die Puhdys dermaßen explodieren wie Uriah Heep oder Deep Purple. Doch die Balladen wirken meist liebevoller durchkomponiert als die Werke ihrer angelsächsischen Vorbilder.