Glaubensfrohe Verheißung
Messiasse gibt es viele. Der des Jordi Savall ist ein milder Friedensfürst, freundlicher Erlöser und Apokalyptiker der glaubensfrohen Verheißung. Ohne Drohbotschaft und drastische Dramatik spiegelt die Interpretation den Titelhelden, der ja in Händels Oratorium als Person abwesend, nur in Kontemplationen und Reflexionen anwesend ist. Nun bedeutet Savalls durchaus auch genüsslich-sinnliche Erbaulichkeit zwar keinen Verlust an ernster spiritueller Verbindlichkeit – falls das für Gottes Wort in postreligiösen Gehörgängen überhaupt ein Kriterium ist. Man kann zweifellos selig werden nach dieser „Messiah“-façon,
ihrem gelassenen Schwung, ihrem klanglichen Feinsinn, ihrer Distanz zu Jogging-rasanz und greller Schärfe. Zumal Savall nicht ins andere Extrem allzu breit getretener Tempi oder blasser Weichzeichnerei verfällt (natürlich gibt’s im „Halleluja“triumphal was auf die Ohren).
Aber gelegentliche Spannungsabfälle sind schon zu vermelden. Beispiel: die nur begleitenden statt feurigentremoli in den Prestissimo-abschnitten von „But who may abide“. Dafür färbt Savall das Gepräge der drei Teile – Geburt, Passion und Wiederkehr des Messias – deutlicher als andere Interpreten: ein Weg vom Licht über verhaltenes Leid zur Hoffnung.
Und der Chor ist famos, sensuell im Spirituellen, virtuos und wunderbar locker in den Koloraturen (etwa in „For unto us an child is born“). Den Solo-sopranpart singt Rachel Redmond mit schöner, schlackenloser Linie und quecksilbriger Beweglichkeit. Kontratenor Damien Guillon verfügt über eine klare, ungezwungen-natürliche Falsettstimme (mit Brust beim tiefen G), wirkt vielleicht etwas zu distanziert in „He was despised“.tenor Nicholas Mulroy ist ein angenehm timbrierter Verkünder im ersten Teil, vermag im zweiten aber auch eine Spur Geifer im Eifer zu versprühen. Der Bass Matthias Winckhler bleibt zu pastoral in dieser eigentlich dramatischen Partie.
Alia Vox 9936 (143:48, 2 SACDS)