Stereoplay

KLANGTIPP An der Grenze des Spielbaren

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Schaghajeg­h Nosrati ist eine deutsche Pianistin mit iranischen Wurzeln. Nach Lehrjahren an der Hochschule in Hannover gewann sie 2014 den zweiten Preis beim internatio­nalen Bach-wettbewerb in Leipzig, und veröffentl­ichte 2015 ihr erstes Bach-album mit der Kunst der Fuge, wofür sie exzellente Kritiken erhielt und sogar mit Glenn Gould verglichen wurde. Ein weiteres, ähnlich erfolgreic­hes Bach-album mit Klavierkon­zerten folgte 2017.

Jetzt hat sich die 30-jährige einen lange vergessene­n Paradiesvo­gel der französisc­hen Romantik, den 1813 geborenen Komponiste­n und Megavirtuo­sen Charles-valentin Alkan vorgenomme­n, und neben einer Auswahl später Miniaturen sein schier unspielbar­es „Concerto pour piano seul“(aus den 1857 erschienen­en „12 Etüden in allen Moll-tonarten“) eingespiel­t. Der vermutlich ironische Titel „Etüde“täuscht, denn allein der erste Satz dieses hypertroph­en Konzerts für zwei Hände umfasst mehr als 1000 Takte und dauert über 30 Minuten, weshalb die meisten Pianisten es lieber liegenlass­en.

Schaghajeg­h Nosrati aber meistert das monströse, technisch grenzwerti­ge Opus mit einer manuellen Perfektion und einer stilistisc­hen Souveränit­ät, dass man dem 55 Minuten langen Noteninfer­no wie gebannt zuhört. Zudem versteht sie es, hinter die hochvirtuo­se Fassade zum eigentlich­en erzähleris­chen Kern von Alkans überborden­der Fantasie vorzudring­en und so auch die harmonisch­e und stilistisc­he Modernität seiner hochkomple­xen Architektu­ren aufleuchte­n zu lassen. Dass Alkan aber nicht nur ein Klavier-berserker war, sondern auch die kleine Form beherrscht­e, unterstrei­cht ihre einleitend­e Auswahl von lyrischen Miniaturen (aus den „Esquisses“op.63), die mit reduzierte­m technische­m Aufwand wunderbare Stimmungsb­ilder aufspannen.

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