Ein Visionär mit Weitblick
Der kalifornische DJ und Produzent Flying Lotus ist nicht nur der Großneffe von John und Alice Coltrane, sondern einer der umtriebigsten Musikerfinder der Gegenwart. Er schöpft aus einem grenzenlosen Fundus von Einfällen und Ressourcen und greift auf einen beachtlichen Pool Gleichgesinnter zu, unter ihnen Thundercat und Kamasi Washington, die in ähnlicher freier Weise die Möglichkeiten moderner stilübergreifender Musik interpretieren. Sein aktuelles Album „Flamagra“mag dabei ein wenig kommerzieller ausgefallen sein als dessen Vorgänger, doch allen, denen dieses zu glatt geraten sein mag, verschafft er mit einer neuen, als instrumental angekündigten Version Genugtuung.
Voll und ganz verzichtet Flying Lotus freilich nicht auf vokale Einlagen, aber angesichts der instrumentalen Anteile bleiben sie im Hintergrund. Und plötzlich offenbart sich wieder jene halsbrecherische Kleinteiligkeit, die Platten wie „Cosmogramma“oder „You’re Dead“ausgezeichnet hatte. Eine Idee jagt die andere, kaum ein Einfall bleibt lange genug stehen, um ihn nachhaltig greifen zu können. Alles fließt, alles bröckelt, jede Melodie, mag sie auch noch so verführerisch sein, schrumpft zum Partikel in einem Kosmos der Harmonien und Grooves. Einmal mehr stellt Flying Lotus unter Beweis, dass es ihm immer ums große Ganze geht. Jedes seiner Alben ist ein in sich geschlossenes klangphilosophisches System. Fast im Minutenrhythmus ist man mit Faust geneigt auszurufen: Zum Augenblicke dürft’ ich sagen, verweile doch, du bist so schön! Doch der Bewusstseinsstrom geht weiter und führt uns zu immer neuen Gestaden einer grenzenlosen Musik, die sich längst über Jazz, Rock, Pop, Techno, Electro, Ambient und eine ganze Reihe anderer Genres erhoben hat.von der allseits gepriesenen Entschleunigung keine Spur. Und das ist (vielleicht) gut so, zumal auch der klare, vielschichtige Sound weit über die Norm hinausreicht.