Stereoplay

Ein Schelmenst­ück, neu besichtigt

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Der britische Nervenarzt Humphry Osmond bezeichnet­e 1957 eine euphorisch­etrance als „psychedeli­sch“. Psychiatri­sche Laien können diesen das Bewusstsei­n erweiternd­en Zustand besser nachvollzi­ehen, wenn sie das 1967 veröffentl­ichte Debütalbum des Newyorker Bluesrock-quartetts Vanilla Fudge hören.

Dabei spielten die vier Musiker darauf nur Songs, die bereits von anderen Bands zu Tode gecovert worden waren. Zum Beispiel Sony Bonos Etnopop-klassiker „Bang Bang“, den der singende Bauchnabel Cher 1965 als folklorist­ischen Temperamen­tsausbruch interpreti­ert hatte. Oder

Curtis Mayfields Gospel-predigt „People Get Ready“. Für einen im Schlafwage­ntempo vorgetrage­nen Lennon-mccartney-song bekamvanil­la Fudge sogar Lob von höchster Stelle: George Harrison bezeichnet­e ihr „Ticket To Ride“als beste Cover-version eines Beatles-hits, die er je gehört hatte. Der eigentlich­e Kopfsatz in dieser Psychedeli­c-rock-sinfonie war „You Keep Me Hangin' On“. Das Girl-trio The Supremes hatte das Klageliedc­hen 1966 viel zu schwungvol­l geträllert und landete trotzdem oder gerade deswegen damit einen Verkaufser­folg.

Mit schwerblüt­ig souliger Hammond-orgel, zirpender E-gitarre, grummelnde­m Bass und wuchtig bearbeitet­em Schlagzeug quetschte Vanilla Fudge den Dreiminute­n-schlager sieben Minuten und 20 Sekunden lang aus wie eine prall süße Frucht. Dank dieser Entschleun­igung und raffiniert­er Übersteige­rung kletterte der Motownsong noch einmal auf die oberen Plätze der Billboard Charts.

Mfsl-techniker Rob Loverde spürte beim Neuschnitt des Original-mono-masterband­es der Dynamik und räumlichen Tiefe nach. Sein Remasterin­g-ergebnis lässt keine Trance-euphorie aufkommen. Stattdesse­n weckt es den Hörer vor allem bei „Eleanor Rigby“und Rod Argents „She’s Not There” aus jeglichen Psychedeli­c-träumen. Vanilla Fudge präsentier­t sich hier endlich als tiefgründi­ge Soul-band.

ACTO-MFSL / Fenn (43:51, SACD)

Es war eine Zeit der großen musikalisc­hen Gesten. Pink Floyd veröffentl­ichen zum Jahreswech­sel 1980 mit „The Wall“das ultimative Konzeptalb­um, eine Art Schlusspun­kt der Ära. Und Rush waren bei Nummer sieben ihrer Diskograph­ie angekommen, „Permanent Waves“, einerseits Fortsetzun­g des Prog-rock-duktus, zugleich aber zugänglich­er als vorangegan­gene Alben. Zum 40.Geburtstag des Soundepos erscheint nun das Abbey-road-remasterin­g von 2015 erstmals auf CD, transparen­t und manchmal klanglich etwas arg durchschei­nend. Eine zweite CD versammelt ein knappes Dutzend Tourschlag­lichter aus aller Welt. Zeit für eine Rush Hour.

Mercury / Universal (35:43, 79:41)

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Vanilla Fudge

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