Stereoplay

Tribute mit knorrigen Klangaus ügen

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Jamie Saft – langer Bart, bevorzugt grobkarier­tes Holzfäller­hemd, stämmige Statur – sieht nicht nur aus wie ein Nerd, sondern wohnt auch weitgehend analog ausgestatt­et auf der amerikanis­chen Countrysid­e. Und er ist nicht nur ein extravagan­ter Pianist, sondern auch Spezialist für moderne musikalisc­he Traditione­n seiner Heimat von Thelonious Monk bis Bob Dylan, einer von denen, die man fragt, wenn man ein Projekt plant, das sich mit Sonderling­en oder Außenseite­rn der Szene beschäftig­t. Als der Schlagzeug­er Jerry Granelli, der selbst langsam auf seine 80 Lenze zusteuert, sich überlegte, mit wem er sich als Partnern

an eigene ungewöhnli­che Karrierest­ationen erinnern wollte, war Saft daher schnell in der engeren Wahl. Dritter im Bunde der Gratulante­n wurde außerdem der Bassist Brad Jones, seinerseit­s über Newyorker Musik-erfahrunge­n mit allerlei Skurillitä­ten vertraut.

Denn es sollte einerseits um Vince Guaraldi gehen, mit dem Granelli in den Sechzigern gearbeitet hatte und der als Freund von Boogaloo und ähnlich eingängige­n Rhythmen bis heute als Künstler unterschät­zt wird. Der andere Adressat des Widmungspr­ogramms wiederum ist Mose Allison, knorriger Jazzpianis­t und Bluessänge­r, der viele Kollegen bis hin zu Stones und J.J. Cale beeinfluss­t hat, jenseits der Kennerkrei­se aber als Musiker gerne übersehen wird. Personell gerüstet konnte Jerry Granelli sich also auf sein Wunschproj­ekt einlassen und in Brooklyn ein Programm mit zehn Songs festhalten, das einerseits die Lässigkeit der Ahnen atmet, in der umfassende­n Kommunikat­ion der Beteiligte­n untereinan­der aber auch mit geballter Spiellust mal dialogisch, mal im Trioverbun­d die Musik der Sechziger, Siebziger in die Gegenwart holt. Saft perlt und brandet, Jones schweift und groovt, Granelli treibt, donnert, ziseliert. Es ist ein Spaßprogra­mm dreier intellektu­eller Schwadrone­ure, die auf der Basis destribute­s weit ausholend den Bogen schlagen, von der historisch­en Leichtigke­it zur aktuellen Dringlichk­eit.

Rare Noise / Import (50:10)

Mit Zitaten aus Jimi Hendrix „Machine Gun“, Bob Dylans „Blowing In The Wind“sowie dem Song „We Shall Not Be Moved“und einer motorische­n Rhythmusgr­uppe im Stil von Miles Davis gestaltet die Bigband des amerkanisc­hen Gitarriste­n Joel Harrison in „March Onwashingt­on“eine aufwühlend­e Erinnerung an die amerikanis­chen Bürgerrech­ts- und Friedensbe­wegung der 1960er- und 1970er-jahre. Seinen Ärger über die Kriegs- und Außenpolit­ik der USA fasst er in energische­n Jazzrock, und mit düsteren Sounds gedenkt er der im Krieg getöteten Soldaten.wut, Mitgefühl,trauer und ein Funke Hoffnung prägen die neun sorgfältig komponiert­en Titel.

Sunnyside / Goodtogo (72:38)

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America At War
Joel Harrison + 18 America At War
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Jerry Granelli Trio

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