KLANGTIPP Asketisches Purgatorium
In William Christies immer noch maßstäblicher 1989er-aufnahme war die „Fairy Queen“, was der aberwitzig geniale Verschnitt aus „Sommernachtstraum“und musikalischem Spiegelkabinett tatsächlich ist: ein barockes Musical, träumerisch wie deftig in den gesungenen Masques, schillernd und schon ziemlich queer, durchpulst vom vitalen Elan des an sonnenköniglicher Eleganz trainierten Amerikaners in Paris. Der seine Arts Florissants die verfügbare Palette an Instrumentalfarben verführerisch mischen ließ. Verglichen damit ist Paul Mccreeshs neue Einspielung ein asketisches Purgatorium. Bläser etwa
gibt’s fast nur dort, wo sie ausdrücklich verzeichnet sind – den Quellen treu, kaum der originalen Aufführungspraxis. Das zeitigt einige Monochromie; ein anämisches Klangbild, ein manchmal verhuschter Gestus kommen in Tänzen und Instrumentalsätzen hinzu wie manch rachitisches Elflein im Gesang.was freilich nicht für Carolyn Sampson gilt, die mit ihrem schönen Sopran der berührenden „Plaint“das lichteste Leid abgewinnt. Charles Daniels als koloraturengewandter Phoebus und James Way als allzu sanfter Chinese Man – beides hohe Tenöre nach Art der französischen Haute-contres – beherrschen Technik und Timbre bei begrenztem Ausdruck. Und das gilt über weite Strecken für die ganze Solo-cast: sterile Tupfer – nur die zupackenden Chöre reißen’s raus.
Doch im Orchesterspiel stößt Mccreesh nachgerade demonstrativ Bescheid: kein Esprit à la française, dem Purcell viel verdankt, sondern ein spröderer Ton samt eckiger Rhythmik, eine herbe Sinnlichkeit, die wundersamerweise die Pforte für intime Qualitäten öffnet; und fürs feine, agile, lebhafte Spiel der den Continuo dominierenden Zupfinstrumente. Erstaunlich zudem: Die Jux-szene des betrunkenen Poeten und der Metoo-verdächtige Coridon- und Mopsa-klamauk haben Monty-python-format. Das Ganze am Stück: hinter blasser Fassade einige Kostbarkeiten.
Signum / Note 1 SIGCD 615 (139 Min., 2 CDS)