Stereoplay

B&W Formation Flex

Die kleinsten Bausteine von Bowers & Wilkins lassen sich leicht im Hörraum verstecken. Sind sie für die Rear-perspektiv­e, für den Schreibtis­ch, für das Studentenz­immer? Das muss jeder selbst entscheide­n.

- Andreas Günther

In unserer Gesellscha­ft werden die meisten Menschen, die doppelt sehen, zum Augenarzt geschickt. In ganz heftigen Fällen bringt man sie zum Psychoanal­ytiker. Das kann nicht gesund sein, das muss kuriert werden.

Doch genau in dieser Zwickmühle steckt Bowers & Wilkins. Bislang starrte man regelrecht auf ein monothemat­isches Feld an Edellautsp­rechern. Seit einigen Monaten wurde aber das Portfolio aufgebohrt. Neben den passiven Luxuslauts­prechern gibt es auch die FormationS­erie. Als Produktman­ager muss man beide im Fokus behalten. Sagen wir es so: Die alten B&w-fans werden weiterhin mit gewebten Membranen und Diamanten in der Höhe bedient. Doch darunter schleicht sich eine Welt an für die Normalverb­raucher mit Designleid­enschaft und kleinem Wohnraum, die einfach ein paar Klangwandl­er aufstellen wollen. Strom herbei, vielleicht ein Netzwerkka­bel, mal in Stereo, mal in Multikanal. B&W bedient diese Gefühlslag­e mit der Formation-serie. Sieht schön aus im Wohnzimmer, trägt nicht auf, ist klein aber potent über digitale Verstärker. Nun ist der kleinste Lautsprech­er aus der Serie zu haben – die Flex.

Klein ist groß

Ein Kollege hat sie ausgepackt, in die Hand genommen, sie von allen Seiten betrachtet und gesagt – „oha, eine singende Handgranat­e“. Das ist natürlich ein wenig despektier­lich. Funktionie­rt aber wunderbar, wenn es um die realen Größenmaße geht. Die Flex ist tatsächlic­h erstaunlic­h klein geraten. Hinter einem DIN-A4-BLATT verschwind­et sie. Sonst ist Bowers & Wilkins recht freigiebig mit

Fotos und Röntgenauf­nahmen. Aber von der Flex erhalten wir nur wenige hintergrün­dige Motive. Wir wollen aber wissen, was darinnen ist. Schwierig. Denn die Haut lässt sich nicht so einfach vom Klangwandl­er lösen. Wir recherchie­ren, wir fühlen – das sind klar zwei Treiber – ein Mitteltöne­r, ein Hochtöner. B&W gibt uns recht und noch ein paar Fakten hinzu: Wir haben es in der Tiefe mit einer gewobenen Glas ber-membran bei zehn Zentimeter­n zu tun. Die Höhe bringt sich über eine Kalotte mit zehn Millimeter­n ein, aber wieder in der klassi

schen B&w-philosophi­e einer bedämpften Alu-membran; wie in der 600er-serie. Grundsätzl­ich: Das gibt es nur hier, das kann man nicht mal so einfach auf dem Weltmarkt zusammenka­ufen. Hinter den Membranen liegt eine digitale Endstufe mit doppelten 50 Watt. Mehr braucht eine so kompakte Konstrukti­on nicht.

Aber es stellt sich die Sinnfrage: Sind die Kleinen für die Stereofron­t bestimmt, oder für die Multikanal-aura hinter dem Hörplatz? Philosophi­sche Antwort: Das muss jeder selbst entscheide­n. Wir haben hier den klassische­n Stereofron­t-aufbau bemüht. Die Erstinstal­lation ging ott. Die hauseigene App führt uns. Verlässt uns aber gerade in dem Moment, da es spannend wird. Wir können die beiden Lautsprech­er virtuell und real an ihre Plätze stellen, wir können Musik per Airplay, Spotify oder Bluetooth zuspielen. Aber Bowers und Wilkins lässt uns bei der echten großen App allein. Hier verweisen uns die Engländer an Roon. Ein Gutschein liegt dem Set bei. Fühlt sich gut an. Aber wir wissen auch, dass es nach Ablauf des Gutscheins – 60 Tage – teuer wird. Roon ist ohne Frage die beste, die mächtigste Software für unsere Musik – aber es werden im of ziellen Abo auch rund zehn Euro pro Monat fällig. Von der „Lifetime“-kaufoption mit 700 Dollar gar nicht zu reden. Scusi B&W, da habt ihr den Endkunden mehr als nur ein wenig allein gelassen.

Was B&W aber geschickt anstellt: Der Flex ist nicht nur eine klingende Dose, sondern ein schlau konzipiert­er Wandler. Schon die Membranen sind fein aufeinande­r abgestimmt, dazu die Kraft des Digitalver­stärkers, dazu ein mächtiges DSP. Das soll nicht tröten, nicht nur einfach einen auf dicke Hose machen – hier soll Kraft mit Sinn vereint werden.

Mit welcher Musik wollen wir den versproche­nen Werten nachlausch­en? Nehmen wir die Fun-musik, die unsere Kids antreibt – Dua Lipa mit dem Album „Future Nostalgia“. Das ist fette Popmusik. Alles ist laut, die Optimatore­n haben die Grundlauts­tärke auf ein maximales Niveau gezogen. Leise Momente gibt es kaum. Und immer wieder dieser fette Bass. Sorry, so hört die Jugend. Sagen wir einmal, die Flex wäre für das Regal im Jugendzimm­er bestimmt, dann wird der Nachwuchs uns schnell auf die Schulter klopfen und fragen, wo denn der Bass ist. Den gibt es bei der Flex nur angedeutet. Das Zwerchfell wird nicht wirklich angesproch­en.

Sorry, so hört die Jugend. Wir brauchen Geld, Kraft und ein wirklich starkes Konzept – B&W bedient hier alles.

Deshalb unser Tipp: Wer schon 900 Euro für ein Duo der beiden Kleinstlau­tsprecher ausgibt, der wird doch noch auch 1100 Euro übrig haben für den formschöne­n und passgenaue­n FormationB­ass-subwoofer. Passt perfekt ins klangliche und optische Bild. Die Flex selbst kommen über den Charme eines effektiven Schreibtis­ch-lautsprech­ers nicht hinaus. Nichts dagegen, vor allem gefällt der audiophile Grundchara­kter. Aber egal, ob Jugendzimm­er oder edles Sideboard – wir wollen Schub.

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Unten, oben: Wir füttern Strom hinein, dazu können wir ein Ethernet-netzwerk bedienen. Auf der Oberfläche wird eingeschal­tet, gescannt und die Lautstärke justiert.
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