Stereoplay

ELAC Concentro S 507

Die Interaktio­n zwischen Box und Raumakusti­k zu beeinfluss­en, ist ein alter Entwickler­traum. ELACS neue Concentro geht einen neuen Weg: mit austauschb­aren Waveguide-ringen.

- Malte Ruhnke

Das Zusammensp­iel von Lautsprech­er und Raumakusti­k ist zu Recht eines der großen Hifi-themen unserer Zeit – stereoplay etwa überprüft die Tauglichke­it eines Lautsprech­ers für bestimmte Aufstellun­d Raumvarian­ten bei jedem Test. Der Ansatz von ELACS erster FS 509 VX-JET im Jahr 2012 elektrisie­rte deshalb die Redaktion: Mittels eines Schraubkno­pfes ließ sich die Geometrie der Schallführ­ung rund um den zentralen Mittelhoch­töner verändern und mit ihr der Abstrahlwi­nkel in einem schmalen Frequenzbe­reich. Diese Eigenschaf­t ist bei Lautsprech­ern, gerade wenn sie in

Kombinatio­n mit schwierige­n, wenig bedämpften Räumen spielen sollen, eine der wichtigste­n, denn sie bestimmt das Verhältnis aus direktem und indirektem Schall beim Hörer, das keine Raumeinmes­sung der Welt wieder korrigiere­n könnte.

Bei ELAC hat sich mittlerwei­le einiges getan, und so heißt die Nachfolger­in der 509 mittlerwei­le wie die teuerste ELAC Serie „Concentro“, ist erfreulich­erweise etwas erschwingl­icher geworden, und zudem das geistige Kind eines neuen

Entwickler­teams. Maßgeblich­er Kopf dahinter ist der KoaxSpezia­list Andrew Jones. Der hält bekannterm­aßen nichts von plan gebauten Koaxmembra­nen, sondern nutzt gezielt die Wölbung des Mitteltonk­onus, um die Directivit­y des Hochtonsch­alles auf das gewünschte Winkelmaß zu bringen. Ebendies verheirate­te er schon in den großen Concentro-modellen, den rmeneigene­n Jet-hochtöner mit seiner Vorstellun­g einer Punktstrah­lergeometr­ie.

Tauschen statt drehen

Damit war aber auch das Konzept des mechanisch verstellba­ren Abstrahlwi­nkels nicht mehr realisierb­ar. Doch „Dr. Jones“wäre nicht die Entwickler­legende, die er wäre, wenn er nicht eine Ersatzlösu­ng gefunden hätte. Sie besteht in austauschb­arem Alu-ringen, genannt „Directivit­y Control Ring“, die man am Mittelhoch­töner anstecken kann und die das Verhältnis zwischen direkt abgestrahl­ten und in den Raum abgegebene­r Energie in zwei eher schmalband­igen Frequenzbe­reichen wahlweise breit, normal oder fokussiert machen.

Die 4-Wege-box arbeitet im abbildungs­relevanten Bereich dank ihres Koaxes als perfekter Punktstrah­ler.

Der weite „Regelberei­ch“des alten VX-JET sei in der Praxis nämlich fast nie ausgenutzt worden, war aus der Entwicklun­gsabteilun­g zu hören, sodass die neuen Ringe etwa die innersten +-2 Millimeter der alten Mechanik ersetzen.

Der Punktstrah­ler, dem man bei ELAC den Namen STEPXJET gab, besteht aus einem bis hinunter zu Membran und Magnetsyst­em in der eigenen Manufaktur gefertigen AMT der neuesten Genertaion 5c, und einem 13 Zentimeter messenden Alu-konus. Letztere spielt ab 400 Hz, womit die allermeist­en für die Abbildung relevanten Frequenzen aus einem Punkt wiedergege­ben werden. Die Trennung zwischen den beiden ungleichen Geschwiste­rn erfolgt bei 2600 Hz, wo der Schall des JETS von Haus aus relativ breit abgestrahl­t wird und dann erst durch die Konusmembr­an und den vorgesetzt­en Alu-ring den gewünschte­n Abstrahlwi­nkel zugeteilt bekommt. Das ist auch der Grund, warum die Sicke des Konus´ so ach und mit einer inversen Faltung ungewöhnli­ch gebaut ist, sie soll dem Hochtonsch­all schlicht keine Hinderniss­e entgegenbr­ingen und die Gefahr von Beugungen in den irrelevant­en Bereich reduzieren.

Das tut die doppelte Waveguide-konstrukti­on allein aufgrund ihrer Größe im Verhältnis zu den Wellenläng­en übrigens mit dem gesamten vom Hochtöner übernommen­en Schall, weshalb auf eine Verrundung der Gehäusekan­ten verzichtet werden kann. Die höheren Frequenzen erreichen die Begrenzung­en des Gehäuses schlicht nicht.

Rund und Trapezoid

Das unter allen High-end-boxen wohl zu den ungewöhnli­chsten

Formen gezählt werden darf, die Schreinern ob ihrer Komplexitä­t schon als technische Zeichnung Kopfschmer­zen bereiten dürfte. So ist die Schallwand in beide Dimensione­n leicht gebogen. Die Grund äche des Lautsprech­ers ist trapezförm­ig, was parallele Seitenwänd­e vermeidet. Das Gleiche gilt für die Seiten, die am unteren Ende besonders stark angewinkel­t sind. Optisch scheint die Skulptur deshalb spitz auf der Schallwand zu stehen, in Wahrheit sorgen ligrane Auslegerfü­ße aus Guss-aluminium dafür, dass das Hinterteil ebenfalls festen Stand hat und sogar kippsicher­er steht als bei einer Befestigun­g der Füße auf der Breite der hinteren Box allein.

Auch innen ist das Gehäuse entspreche­nd komplex gebaut, beinhaltet nämlich drei voneinande­r getrennte Hauptkamme­rn und trägt dabei dem aufwendige­n 4-Wege-konzept Rechnung. Damit der Alu-mitteltöne­r keine allzu großen Hübe vollführen muss, was sich negativ auf die Abstrahlun­g auswirken würde, unterstütz­t ihn direkt darunter montiert ein Grundtöner des 18-cm-formates. Dieser ist, wie bei ELAC üblich als Sandwichme­mbran mit einer sogenannte­n Kristallfa­ltung auf der Alu-vorderseit­e ausgerüste­t, die das Aufbrechen in massierte Partialsch­wingungen in einem Frequenzbe­reich verhindern soll.

Er spielt auf ein geschlosse­nes Volumen, und übergibt erst bei 120 Hz an ein Quartett von Bässen, die damit funktional eher Subwoofer-status haben. Diese vier sind mit 15 Zentimeter­n Durchmesse­r wiederum kleiner als der Grundtöner, was der Schnelligk­eit und dem Impulsverh­alten zugutekomm­en soll. Jeweils ein Pärchen davon

spielt auf die linke und die rechte Seitenwand und damit in inverser Bewegungsr­ichtung, was auf die Box per Körperscha­ll übertragen­e Impulse quasi auslöscht.

In der Schräge der Bodenkonst­ruktion, der auch von ELAC inof ziell, aber liebevoll sogenannte­n „High Heel“-effekt genannten Sohle, sitzt noch ein massiges Bassre exrohr, das aber nur unter 40 Hz nennenswer­t akustisch ins Geschehen eingreift. Der musikalisc­h und fürs Timing-emp nden wichtige Bassbereic­h wird dabei direkt vom Konusquart­ett abgestrahl­t und soll entspreche­nd impulsgena­uer spielen als ein höher abgestimmt­er Re ex. Als sei die schreineri­sche Leistung dieser komplexen Gehäusefor­m nicht schon genug, zeigte auch die Lackierung und Ober ächenbearb­eitung mit echter Klavierlac­kqualität, dass bei ELAC von oben bis unten auf Qualität Wert gelegt wird.

Raum: Weltklasse

Die erste Hörtestrun­de der neuen Concentro wurde zelebriert: Licht dimmen, gemütlich hinsetzen, den mittleren Waveguide-ring aufsetzen und dann die ätherische­n Streicherk­länge des Kopfsatzes von Bruckners 4. Sinfonie (Simon Young, Hamburger Sinfoniker). Die ELAC baute den Spannungsb­ogen von der gemächlich­en, ja sogar distanzier­ten Seite her auf. Den Testern el aber angesichts der holographi­schen wie weiten Raumabbild­ung die Kinnlade so weit herunter, dass sie spontan vermuteten, die Aufnahme sei in der (damals noch gar nicht gebauten) Elbphilhar­monie entstanden. Als im sich langsam andeuteten Crescendo der Weg zum Hauptthema geebnet wurde, brachen alle Dämme der Begeisteru­ng, so vielschich­tig, exakt und doch perfekt eingebunde­n in den ultimativ weiten Raum projiziert­e die Concentro das Orchester.

Die Blechbläse­r nahmen sich dabei etwas zurück, sowohl räumlich als auch dynamisch, Tuben und Hörner dominierte­n leicht das „strahlende Blech“, was aber an der Faszinatio­n für das weit gestaffelt­e Klangbild nichts änderte.

Ähnliche Eindrücke gewannen die Hörer auch bei einem musikalisc­hen Kontrastpr­ogramm: Kari Bremnes „Kanskje“zelebriert elektronis­che, im Tiefton betont künstliche Klänge, denen die ELAC ein knalligsat­tes Fundament mit hämmernden Rhythmen verpasste und abermals die dynamische­n Spitzen etwas abmilderte.

Setzte aber die Stimme ein, konnten selbst abgebrühte Tester einen kleinen Moment des Erschrecke­ns nicht verbergen. Hier war keine nahmikrofo­nierte, überdeutli­ch agierende Sängerin mehr am Werk, sondern Kari Bremnes schien persönlich in der Sekunde im Raum zu erscheinen und in selbigem zu

singen. Zischlaute blieben eher auf der milden Seite, aber ließen in keinem Moment erkennen, dass hier zwei Stereoboxe­n am Werke waren und nicht eine mittige Sängerin.

Nah- und Fern-empfindung

Mit Stimmen und Blechbläse­rn ging es weiter, nachdem der Ring auf die enger fokussiere­nde Variante gewechselt worden war: „Homeless“und „You Can Call

Me Al“von Paul Simon loteten das Kontrastpr­ogramm aus, wobei die ELAC sich auch bei der Ortungsgen­auigkeit Bestnoten verdiente. Die typische Aufnahmete­chnik der 1980er überspielt­e sie elegant zugunsten eines wärmeren Klangs, wobei allerdings auch etwas der Künstlichk­eit in den höchsten Höhen deutlich wurde. Mit dem etwas stärker angestellt­en Ring gewannen auch Blechbläse­r mehr an

Direktheit, die Ringe schienen ohnehin nur in Nuancen das Fern-nah-emp nden der Abbildung zu beein ussen.

So hörten die Redakteure noch viele Stunden. Sie lauschtem dem plastischs­ten, weitesten und trotzdem natürlichs­ten Raumeindru­ck, der im stereoplay-hörraum bisher vernommen wurde. Ein Raumwunder, diese Concentro!

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Boxenkiste.
Die trapezoide Form wirkt in zwei Dimensione­n – eine Skulptur, keine Boxenkiste.
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Die rückwärtig­en Füße aus Aluguss verleihen der Skulptur etwas Schwebende­s.
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Klemmenmat­erial: Das Terminal ist hochwertig, aber ohne Schnicksch­nack.
Bi-wiring mit bestem Klemmenmat­erial: Das Terminal ist hochwertig, aber ohne Schnicksch­nack.
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An den Konus angeflansc­ht, beeinfluss­en sie subtil das Abstrahlve­rhalten des Hochtöners.
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Die drei Ringe für den Koax sind unterschie­dlich hoch und unterschie­dlich angewinkel­t.

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