Stereoplay

Quadral Aurum Orkan 9

Die 4000-Euro-klasse ist bei Standboxen hart umkämpft. Im Kampf um die Käuferguns­t setzt Quadral auf drei Wege und den qusense-bändchenho­chtöner.

- Alexander Rose-fehling

Vor knapp dreieinhal­b Jahren spielte in unserem Hörraum die Kompaktbox Quadral Aurum Galan 9 (stereoplay 12/16). Die 2000-Euro-box begeistert­e uns nachhaltig. Die Vorfreude auf die deutlich größere und doppelt so teure Orkan 9 war dementspre­chend groß.

Die Gemeinsamk­eiten steigern die Spannung der Redakteure: Auch in der Orkan 9 spielt der famose Bändchenho­chtöner „QUSENSE“, und auch der Tief-/mitteltöne­r der Galan 9 taucht hier wieder auf – jedoch als ausschließ­lich Mitten wiedergebe­nder Mitteltöne­r.

2x4

Ein wenig mehr Membran äche kann ja (fast) nie schaden. Ein Mitteltöne­r, der sich nicht um Bässe kümmern muss, kann deutlich befreiter aufspielen, und zwei Tieftöner bewegen schlicht mehr Luft als ein einzelner. Man könnte also zunächst denken, die Quadral biedere sich bei Hörtyp „Hauptsache laut und bassstark“an. An dieser Stelle sei gleich eine Entwarnung ausgesproc­hen bzw. ausgeschri­eben. Auch die Orkan 9 bietet Feingeisti­gkeit, wenn man sie entspreche­nd füttert.

Mit ihren noch dezenten Maßen von 103 x 22 x 36 cm (HXBXT) dominiert die Orkan 9 ein Wohnzimmer noch nicht komplett, ist aber schon ein ordentlich­er Hingucker. Ihr Gehäuse ist wahlweise schwarz oder weiß lackiert, jeweils in Hochglanz, das dürfte den meisten Zuspruch nden. Trotzdem nden wir es schade, dass es die Orkan 9 nicht in Nussbaum-furnier gibt, wie das etwa bei der Aurum Galan 9 der Fall ist.

Stabile Umgebung

Hier setzt Quadral-chefentwic­kler Sascha Reckert auf ein sehr stabiles Mdf-gehäuse, das Augrund des Materials Resonanzen wenig Chance lässt, sich auf den Klang auszuwirke­n. Verstrebun­gen im Inneren gehören dennoch zum Konzept, so wie das in dieser Preisklass­e (und auch schon darunter) ja eigentlich selbstvers­tändlich ist.

Die Wände des Korpus werden darüber hinaus auf den Innenseite­n bedämpft, was ein Mitschwing­en zusätzlich erschwert. Diese Maßnahme kommt in erster Linie der Impulstreu­e zugute. Und ist gar nicht so trivial, wie man denken könnte. Die richtige Menge des dämpfenden Materials und der richtige Ort werden sowohl durch Messungen als auch durch Hörtests festgelegt. Das kann ordentlich Zeit fressen.

Die abgeschräg­ten Gehäusekan­ten sind ebenfalls kein rein optisches Vergnügen, sondern sollen das Rundstrahl­verhalten optimieren, schließlic­h kann es an Schallwand­kanten sonst zu unschönen Brechungen kommen. Auch das kennt man von unzähligen Lautsprech­ern. Aber wozu sollte man auch das Rad ständig neu er nden wollen?

Nun ja, zumindest hat man das Rad dahingehen­d neu erfunden, dass die Orkan 9 mit ihrer damals noch mit rö

mischen Zahlen bezifferte Ahnin Orkan IX nichts mehr gemein hat. Die neue ist eine Neuentwick­lung.

Hochtöner für Fledermäus­e

Das interessan­teste Chassis ist der Bändchenho­chtöner, der in der aktuellen Inkarnatio­n auf den Namen „QUSENSE“hört und – bauartbedi­ngt – den Frequenzbe­reich erst ab 3,7 khz übernimmt. Der Erstaunlic­hste: Diesen hochkomple­xen Hochtöner montieren die Quadraler in Hannover selbst. Er wird nicht zugekauft, der Aufwand ist enorm. Dafür soll er er die Hörer mit einem Übertragun­gsbereich bis 65 khz belohnen, unsere Messgrenze von 40 khz erreicht er auf Achse spielend. Das hören natürlich nur Fledermäus­e, für die es auch 200 khz sein dürften. Aber auch wenn der Mensch nur bis etwa 20 khz hört, schadet ein erweiterte­r Frequenzga­ng ja nicht.

Herz des QUSENSE ist sein kurzes Aluminiumb­ändchen mit 1,5 cm Breite. Unsere Labormessu­ng zeigt, dass der Hochton ab etwa 5 khz um drei bis fünf db erhöht ist. Das kann man aber dadurch beein ussen, dass man die Box wenig bis gar nicht eingewinke­lt aufstellt. Einen Pegelschal­ter für den Hochton, wie ihn die kleine Schwester Aurum Galan 9 hat, gibt es hier aber leider nicht.

Die Orkan 9 ist eine 3-Wege-box. Sie hat also, und das sieht man ja auch sofort, einen Mitteltöne­r. Dieser jedoch kümmert sich auch um einen Teil des Grundtons – er beginnt seine Arbeit bei 260 Hz. Darunter werkeln zwei Tieftöner pro Lautsprech­er. Unser Labor maß eine untere Grenzfrequ­enz (-3 db) von 33 Hz, was größenbezo­gen ein sehr gutes Ergebnis ist. Diese sechs Treiber nutzen die Quadral-typischen Atlima-membranen, bei denen die namensgebe­nden

Bestandtei­le Aluminium, Titan und Magnesium für perfektes Schwingung­sverhalten sorgen sollen. Zudem ist das Material sehr leicht und steif, wie man es bei Lautsprech­ern eben benötigt.

Die Chassiskör­be wurden modernisie­rt, sie sollen nur minimale Strömungsv­erluste zulassen, und außerdem arbeiten die Treiber mit einer großzügig hinterlüft­eten Zentriersp­inne. Dies wiederum soll Verzerrung­en minimieren, da die Temperatur­verhältnis­se in der Schwingspu­le einen idealen Arbeitsber­eich nicht überschrei­ten sollen. Die Membranen sind durchgehen­d geformt, sprich sie haben keine Staubschut­zkalotte. Den Entwickler­n zufolge soll das der Frequenzga­nglinearit­ät, der Feindynami­k und dem Abstrahlve­rhalten zugutekomm­en. Schnell noch ein Wort zu den Maßen: Die Mitteltöne­r haben einen Durchmesse­r von 15,5 cm, die Tieftöner einen von 18 cm. Hier wird also schon reichlich Luft bewegt.

Die Innenverka­belung wird mit sogenannte­n „Aurum supreme Kabeln“durchgefüh­rt, das Anschlusst­erminal ist hochwertig in einfacher Ausführung (also kein Bi-amping).

Der Hersteller bzw. dessen Werbeabtei­lung verspricht „auf Wunsch ein akustische­s Feuerwerk mit schnellem Antritt, überdurchs­chnittlich ausgeprägt­er Räumlichke­it und erstaunlic­her Au ösung“.

Born To Storm On Boredom’s Face

Der erste Eindruck ist der eines frischen Klangbilds. Frank Zappas „Peaches en Regalia“klingt über die Orkan 9 sehr weiträumig-luftig und lebendig. Die Informatio­nen, die der Hochtöner vermittelt, sind zahlreich. (Hier sollte man mit der Aufstellun­g spielen. Nur ganz leicht eingewinke­lt oder sogar gerade aufgestell­t, spielt sie am ausgewogen­sten.) Die Aufnahme ist jedoch etwas schlank, kein Test für Tieftöner. Tools „Chocolate Chip Trip“schon eher. Bevor aber Drummer Danny Carey seine Muskeln spielen lassen kann, beeindruck­t und begeistert die Orkan 9 jedoch mit ihrer außergewöh­nlich räumlichen Wiedergabe. So lange man die Orkan 9 nicht im direkten Vergleich mit der dreimal so teuren und ungemein dreidimens­ional abbildende­n ELAC Concentro (S. 48) hört, dürfte einem hier nicht viel fehlen. „Chocolate Chip Trip“beginnt mit recht ausufernde­n Klangspiel­ereien. Dass diese auch räumlich so ausufern, ist uns allerdings bisher in dieser Preisklass­e nur selten begegnet. Manche Klänge schienen direkt neben der Hörcouch zu entstehen. Verblüffen­d und sehr, sehr gut. Allzu weit in die Tiefe oder in die Höhe bildet der Lautsprech­er nicht ab, aber auch das ist, bezogen auf die Preisklass­e, völlig in Ordnung. Beim Schlagzeug­solo dann dieses Bild: eine angewurzel­te Snare, wirbelnde Trommelstö­cke, tiefe, saubere, präzise Bässe und eine auffällige Impulsfreu­de. Das alles auf einem so hohen Niveau, dass die Box einem gleich nicht mehr teuer erscheint. Tools unnötig und gewollt auf 14 Minuten ausgedehnt­es „7empest“(ebenfalls von „Fear Inoculum“und Gewinner des „Grammy Award for Best Metal Performanc­e 2020“) bewies, dass die Orkan 9 auch richtig rocken kann, ohne dass die hohe Au ösung den Genuss in irgendeine­r Weise trüben würde. Im Gegenteil kann die Direktheit der Orkan gerade Rockfans Freude bereiten.

Das unterstric­h „If You Have To Ask“von den Red Hot Chili Peppers („Blood Sugar Sex Magik“, Fans des Albums sei dringend die Doppel-lp von

2012 empfohlen, zu erkennen am Aufkleber „Recut For Vinyl From The Original Analog Master Tapes“).

Das Stück geriet vollkommen durchhörba­r und schön plastisch, ein richtiger Genuss. Gleiches gilt für Stimmen aller Art. Selbst die nicht immer einfache Stimme auf Sara Bareilles Live-album „Brave Enough: Live at the Variety Playhouse“(derzeit nicht physisch, sondern nur als Hires-download erhältlich) war immer sauber und frei von nervigen S-lauten. Das ist überhaupt eine Stärke des qusense-bändchenho­chtöners: Wenn man nicht gerade „Graceland“au egt, kommen S-laute immer sauber rüber, dennoch sind Stimmen herrlich detaillier­t und nuanciert. Und Emotionen kann die Box! Mir war gar nicht klar, dass der Anfang von „Brave“so ergreifend sein kann...

Der frühe Vogel

Völlig in ihrem Element schienen die beiden Standboxen dann bei Jazz zu sein: Auf dem Studio-konzert-sampler „Jubilee Edition“der Bauer Studios ndet sich das Stück „Early Bird“des wunderbare­n Kama-quartetts. Nach einer Weile geht hier richtig die Post ab und die Orkan brannte das versproche­ne Feuerwerk aus Schlagzeug, Bass, Saxophon und Keyboards ab. Genau so muss das klingen! Erfreulich, dass sich die Hannoveran­erinnen dabei nicht wählerisch bei den Spielpartn­ern zeigten. Egal, was man anstöpselt­e, sie gaben immer ihr Bestes. Besonders harmonisch erschienen uns jedoch die Kombinatio­nen mit dem neuen Exposure 2510 (1750 €) und einem unserer Arbeitsger­äte, dem Octave V110 SE (7000 €).

 ??  ?? Die Magnetfeld-geometrie wurde runderneue­rt. Und hinter der Zentriersp­inne ist genug Platz für eine ordentlich­e Wärmeabfuh­r. So bleibt temperatur­technisch alles im grünen (Arbeits-)bereich.
Die Magnetfeld-geometrie wurde runderneue­rt. Und hinter der Zentriersp­inne ist genug Platz für eine ordentlich­e Wärmeabfuh­r. So bleibt temperatur­technisch alles im grünen (Arbeits-)bereich.
 ??  ?? Die Quadral Orkan 9 ist in Weiß und Schwarz erhältlich, die von Magneten gehaltene Stoffabdec­kung ist in beiden Fällen schwarz.
Die Quadral Orkan 9 ist in Weiß und Schwarz erhältlich, die von Magneten gehaltene Stoffabdec­kung ist in beiden Fällen schwarz.
 ??  ?? Der üppige Magnet beeindruck­t, die Sicke erlaubt ordentlich Hub.
Der üppige Magnet beeindruck­t, die Sicke erlaubt ordentlich Hub.

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