Quad artera solus play
Das Foto vermittelt die falsche Botschaft: Sieht aus wie ein Schuhkarton. Hat tatsächlich die gleichen Maße. Und dennoch ist der Quad Artera Solus Play ein Zauberkünstler. Wagen wir das Maximum: Das ist der High-end-bote des Jahrhunderts.
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Sind wir wirklich so abgefeimt? Können wir nicht mehr staunen – wenn uns ein Wunder berührt? Ok, das klingt pathetisch. Aber als ich direkt vor dem Quad Artera Solus Play stand, da ging mir das Herz über. Meine Güte, was haben wir in unserer Jugend die Jagd eröffnet nach großen Verstärkern und feinen Playern. Wie viele CDS haben wir gehortet? Alles vorbei, wenn wir die Zeichen der Zeit zu lesen verstehen. Es ist aus mit der Übermacht der CD. Es ist aus mit den dicken, fetten Endstufen. Alles passt in ein Gehäuse. Und das hat zur allgemeinen Überraschung das Format einer Schuhschachtel.
Das muss alle alten, weißen Männer erschüttern. So tickt die Jugend. Einfach zwei gute Lautsprecher anschließen – und fertig ist das große High-endgedeck. Wohlgemerkt nicht belangloses Hifi, sondern tatsächlich die höchste Stufe im High-end. Der Blick auf die Rückseite offenbart alles. Zuerst die Antennen. Hier wird der Kontakt geschlagen zu Bluetooth-handys oder per WLAN direkt ins Netzwerk. Wer seine Songs auf einer Nas-festplatte versammelt hat, nutzt am besten den direkten Kontakt über einen Netzwerkstecker. Wer einen Computer als Streamer aktivieren möchte, geht per USB hinein. Dann gibt es noch ein Triple an kombinierten optischen und koaxialen Zugängen. Hart rechts könnten drei Cinch-quellen zugeschaltet werden. Dann der Luxus: Sogar ein Stereo-pärchen in XLR steht für Signale bereit. Darüber je zwei Lautsprecherklemmen links und rechts, ein Stromanschluss
– und fertig wäre der Zauber. Damit sich die vielen, vielen Cd-nutzer nicht vor den Kopf gestoßen fühlen, gibt es auf der Front noch einen Schlitz zum Einzug der Silberscheiben.
Also erneut in harten Worten: Der Artera Solus Play von Quad ist ein Cd-player, ein Vollverstärker, ein Streamer, ein Digital/ Analog-wandler. Das ist mächtig. Etwas ausgegrenzt müssen sich die Vinyl-liebhaber fühlen, denn es gibt keine interne Phonoplatine. Aber über eine externe Phonobox kommen wir leicht über die Cinch-eingänge hinein.
Unter 2000 Euro – das kann sich für viele als Schnäppchen offenbaren.
Der Taschenrechner lügt nie
Würden wir den Taschenrechner bemühen und alle Einzelbau
steine addieren, so kämen wir leicht und konservativ geschätzt auf 4000 bis 5000 Euro, wenn nicht sogar mehr. Der Artera Solus Play liegt bei 1950 Euro. Das kann sich für viele als Schnäppchen offenbaren.
Überhaupt – wie sieht die Zielgruppe aus? Das könnte ein Student im kleinen Zimmer sein. Oder ein Geschäftsmann im großen Penthouse. Denn der Artera Solus Play versteht sich auch als Multiroom-player. Über DTS Play-fi kann ein mächtiges, klangstarkes Netzwerk aufgebaut werden.
Kann man auch kritisch sehen. Quad nimmt sich zurück bei der Entwicklung einer eigenen App und kauft stattdessen im Portfolio von DTS an. Damit ist Quad nicht allein. Schon viele Hersteller haben sich auf diese Seite geschlagen. Weil es stabil gelingt, sich gut und elegant steuern lässt.
Treu auf Jahrzehnte
Wie überhaupt sich dieser Quad sehr offen gibt. Andere Hersteller sind geizig, wenn es um Optionen und Lizenzen geht. Bei dieser schönen Schachtel waltet im Inneren ein Chip von ESS Sabre. Konkret ein ES9018 aus der Referenzserie. Die Software davor öffnet ihn für Apple Music, für Deezer, für Spotify, für Tidal, für Qobuz und Tunein. Unfassbar viel Musik kann hier aus einer einzigen Zentrale erklingen. Und nicht nur PCMDateien werden hofiert, auch DSD ist gefragt – hinauf bis DSD256. Bei PCM liegen die Grenzen bei 32 Bit und 384 Kilohertz. Da muss man nicht lange überlegen: Diese technologische Basis hält einem in den nächsten zehn Jahren ganz sicher die Treue.
Jetzt sind wir im Faszinosum gefangen. Wie gelingt der Zau
bertrick? Erstaunlicherweise gibt es keine externes Netzteil. Wie beispielsweise bei dem Pro-ject-amp, den wir auf Seite 24 vorstellen. Beim Artera Solus Play ist tatsächlich alles in einem Gehäuse integriert. Per Kaltgerätestecker geht es hinein. Wie mag es drinnen wohl aussehen? Wir zücken den Schraubenzieher. Huh – das verwirrt uns. Das folgt so gar nicht dem Ideal des doppelten Monos. Aber der große Ringkerntrafo in der Mitte markiert ein mächtiges Wort. Davor liegt das Cd-laufwerk mit seinem platzsparenden Einzugsmechanismus. Rechts residiert die Verstärkung, links liegt die Platine mitsamt Wandler und Feinelektronik. Das gesamte Gehäuse dient dabei als Kühlkörper mit Rippen an der linken wie rechten Seite. Was auch zeigt, dass es hier warm werden kann. Die meisten Konkurrenten hätten sich auf einen digitalen Verstärker kapriziert. Quad hingegen bleibt bei seinen alten Bausteinen und wirft eine klassische A/b-schaltung an. Die immerhin doppelte 75 an acht Ohm an beide Lautsprecherklemmen beamt.
Optionen mit Funkenschlag
Dazu gibt es noch ein kleines Feuerwerk an Optionen. So kann König Käufer unterschiedliche Digitalfilter auswählen. An der Front lässt sich zudem ein Kopfhörersignal abzapfen. Abermals: Meine Güte – was für eine Vielfalt in nur einer Schuhschachtel. Herz, was willst Du mehr? Rhetorische Frage. Ehrliche Antwort: Großen Klang wollen wir. Also streamen wir mal einen Oldie herbei, aber ganz frisch frisiert in 24 Bit und 192 Kilohertz. Norah Jones stimmt „Don’t Know Why“an. Wir spannen die Flügel aus und schweben davon. Großartig, wie uns diese Musik umfängt. Wir haben zwei große Standboxen von Bowers & Wilkins angeschlossen. Die der Quad ohne den Hauch einer Anstrengung betreibt. Norah Jones zeigt die samtige Eleganz. Wer bei humanen Pegeln hört, wird reich beschenkt.
Wie sieht es bei den bösen Kraftakten aus? Roger Waters schnürt sich seinen Precision Bass von Fender um und nimmt uns live mit. Ein Mitschnitt aus Amsterdam – „Us + Them“. Klingt unfassbar energiereich. Der dickste, vorstellbare Mix. So mancher Amp verfällt in die
Schnappatmung. Nicht der Artera Solus Play. Das hatte wieder einmal Eleganz, aber auch Druck und Schub über alle Frequenzen. Was für ein Verführer.
Schalten wir einen Gang zurück. Alte Songs aus den Goldenen Zeiten der Songwriter. Zwei Stars treffen sich zum Nachmittagstee – Diana Krall und Tony Bennett. „I Got Rhythm“nimmt uns am Arm, hakt uns unter, Schlagzeug, Bass, Klavier und zwei Singstimmen.
Diese Präsenz und Leichtigkeit hätten wir eher einer Großkombination nach alter Väter Sitte zugetraut.
Toll, wie der Artera Solus Play den Raum absteckte. Viel Luft, viele Informationen. Dazu ein feiner, smoother Bass. Wir werden wieder belohnt und überrascht – diese Präsenz und Leichtigkeit hätten wir eher einer Großkombination nach alter Väter Sitte zugetraut. Deshalb nochmals die Botschaft an alle, die bei den Bildern dieses Alleskönners ins Grübeln kommen: Es gibt keinen Grund zur Zurückhaltung – hier ist alles, was man sich als Student, als Aufsteiger, als Lebenskünstler vorstellen kann.