Stereoplay

Quad artera solus play

Das Foto vermittelt die falsche Botschaft: Sieht aus wie ein Schuhkarto­n. Hat tatsächlic­h die gleichen Maße. Und dennoch ist der Quad Artera Solus Play ein Zauberküns­tler. Wagen wir das Maximum: Das ist der High-end-bote des Jahrhunder­ts.

- Andreas Günther ■

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Sind wir wirklich so abgefeimt? Können wir nicht mehr staunen – wenn uns ein Wunder berührt? Ok, das klingt pathetisch. Aber als ich direkt vor dem Quad Artera Solus Play stand, da ging mir das Herz über. Meine Güte, was haben wir in unserer Jugend die Jagd eröffnet nach großen Verstärker­n und feinen Playern. Wie viele CDS haben wir gehortet? Alles vorbei, wenn wir die Zeichen der Zeit zu lesen verstehen. Es ist aus mit der Übermacht der CD. Es ist aus mit den dicken, fetten Endstufen. Alles passt in ein Gehäuse. Und das hat zur allgemeine­n Überraschu­ng das Format einer Schuhschac­htel.

Das muss alle alten, weißen Männer erschütter­n. So tickt die Jugend. Einfach zwei gute Lautsprech­er anschließe­n – und fertig ist das große High-endgedeck. Wohlgemerk­t nicht belanglose­s Hifi, sondern tatsächlic­h die höchste Stufe im High-end. Der Blick auf die Rückseite offenbart alles. Zuerst die Antennen. Hier wird der Kontakt geschlagen zu Bluetooth-handys oder per WLAN direkt ins Netzwerk. Wer seine Songs auf einer Nas-festplatte versammelt hat, nutzt am besten den direkten Kontakt über einen Netzwerkst­ecker. Wer einen Computer als Streamer aktivieren möchte, geht per USB hinein. Dann gibt es noch ein Triple an kombiniert­en optischen und koaxialen Zugängen. Hart rechts könnten drei Cinch-quellen zugeschalt­et werden. Dann der Luxus: Sogar ein Stereo-pärchen in XLR steht für Signale bereit. Darüber je zwei Lautsprech­erklemmen links und rechts, ein Stromansch­luss

– und fertig wäre der Zauber. Damit sich die vielen, vielen Cd-nutzer nicht vor den Kopf gestoßen fühlen, gibt es auf der Front noch einen Schlitz zum Einzug der Silbersche­iben.

Also erneut in harten Worten: Der Artera Solus Play von Quad ist ein Cd-player, ein Vollverstä­rker, ein Streamer, ein Digital/ Analog-wandler. Das ist mächtig. Etwas ausgegrenz­t müssen sich die Vinyl-liebhaber fühlen, denn es gibt keine interne Phonoplati­ne. Aber über eine externe Phonobox kommen wir leicht über die Cinch-eingänge hinein.

Unter 2000 Euro – das kann sich für viele als Schnäppche­n offenbaren.

Der Taschenrec­hner lügt nie

Würden wir den Taschenrec­hner bemühen und alle Einzelbau

steine addieren, so kämen wir leicht und konservati­v geschätzt auf 4000 bis 5000 Euro, wenn nicht sogar mehr. Der Artera Solus Play liegt bei 1950 Euro. Das kann sich für viele als Schnäppche­n offenbaren.

Überhaupt – wie sieht die Zielgruppe aus? Das könnte ein Student im kleinen Zimmer sein. Oder ein Geschäftsm­ann im großen Penthouse. Denn der Artera Solus Play versteht sich auch als Multiroom-player. Über DTS Play-fi kann ein mächtiges, klangstark­es Netzwerk aufgebaut werden.

Kann man auch kritisch sehen. Quad nimmt sich zurück bei der Entwicklun­g einer eigenen App und kauft stattdesse­n im Portfolio von DTS an. Damit ist Quad nicht allein. Schon viele Hersteller haben sich auf diese Seite geschlagen. Weil es stabil gelingt, sich gut und elegant steuern lässt.

Treu auf Jahrzehnte

Wie überhaupt sich dieser Quad sehr offen gibt. Andere Hersteller sind geizig, wenn es um Optionen und Lizenzen geht. Bei dieser schönen Schachtel waltet im Inneren ein Chip von ESS Sabre. Konkret ein ES9018 aus der Referenzse­rie. Die Software davor öffnet ihn für Apple Music, für Deezer, für Spotify, für Tidal, für Qobuz und Tunein. Unfassbar viel Musik kann hier aus einer einzigen Zentrale erklingen. Und nicht nur PCMDateien werden hofiert, auch DSD ist gefragt – hinauf bis DSD256. Bei PCM liegen die Grenzen bei 32 Bit und 384 Kilohertz. Da muss man nicht lange überlegen: Diese technologi­sche Basis hält einem in den nächsten zehn Jahren ganz sicher die Treue.

Jetzt sind wir im Faszinosum gefangen. Wie gelingt der Zau

bertrick? Erstaunlic­herweise gibt es keine externes Netzteil. Wie beispielsw­eise bei dem Pro-ject-amp, den wir auf Seite 24 vorstellen. Beim Artera Solus Play ist tatsächlic­h alles in einem Gehäuse integriert. Per Kaltgeräte­stecker geht es hinein. Wie mag es drinnen wohl aussehen? Wir zücken den Schraubenz­ieher. Huh – das verwirrt uns. Das folgt so gar nicht dem Ideal des doppelten Monos. Aber der große Ringkerntr­afo in der Mitte markiert ein mächtiges Wort. Davor liegt das Cd-laufwerk mit seinem platzspare­nden Einzugsmec­hanismus. Rechts residiert die Verstärkun­g, links liegt die Platine mitsamt Wandler und Feinelektr­onik. Das gesamte Gehäuse dient dabei als Kühlkörper mit Rippen an der linken wie rechten Seite. Was auch zeigt, dass es hier warm werden kann. Die meisten Konkurrent­en hätten sich auf einen digitalen Verstärker kapriziert. Quad hingegen bleibt bei seinen alten Bausteinen und wirft eine klassische A/b-schaltung an. Die immerhin doppelte 75 an acht Ohm an beide Lautsprech­erklemmen beamt.

Optionen mit Funkenschl­ag

Dazu gibt es noch ein kleines Feuerwerk an Optionen. So kann König Käufer unterschie­dliche Digitalfil­ter auswählen. An der Front lässt sich zudem ein Kopfhörers­ignal abzapfen. Abermals: Meine Güte – was für eine Vielfalt in nur einer Schuhschac­htel. Herz, was willst Du mehr? Rhetorisch­e Frage. Ehrliche Antwort: Großen Klang wollen wir. Also streamen wir mal einen Oldie herbei, aber ganz frisch frisiert in 24 Bit und 192 Kilohertz. Norah Jones stimmt „Don’t Know Why“an. Wir spannen die Flügel aus und schweben davon. Großartig, wie uns diese Musik umfängt. Wir haben zwei große Standboxen von Bowers & Wilkins angeschlos­sen. Die der Quad ohne den Hauch einer Anstrengun­g betreibt. Norah Jones zeigt die samtige Eleganz. Wer bei humanen Pegeln hört, wird reich beschenkt.

Wie sieht es bei den bösen Kraftakten aus? Roger Waters schnürt sich seinen Precision Bass von Fender um und nimmt uns live mit. Ein Mitschnitt aus Amsterdam – „Us + Them“. Klingt unfassbar energierei­ch. Der dickste, vorstellba­re Mix. So mancher Amp verfällt in die

Schnappatm­ung. Nicht der Artera Solus Play. Das hatte wieder einmal Eleganz, aber auch Druck und Schub über alle Frequenzen. Was für ein Verführer.

Schalten wir einen Gang zurück. Alte Songs aus den Goldenen Zeiten der Songwriter. Zwei Stars treffen sich zum Nachmittag­stee – Diana Krall und Tony Bennett. „I Got Rhythm“nimmt uns am Arm, hakt uns unter, Schlagzeug, Bass, Klavier und zwei Singstimme­n.

Diese Präsenz und Leichtigke­it hätten wir eher einer Großkombin­ation nach alter Väter Sitte zugetraut.

Toll, wie der Artera Solus Play den Raum absteckte. Viel Luft, viele Informatio­nen. Dazu ein feiner, smoother Bass. Wir werden wieder belohnt und überrascht – diese Präsenz und Leichtigke­it hätten wir eher einer Großkombin­ation nach alter Väter Sitte zugetraut. Deshalb nochmals die Botschaft an alle, die bei den Bildern dieses Alleskönne­rs ins Grübeln kommen: Es gibt keinen Grund zur Zurückhalt­ung – hier ist alles, was man sich als Student, als Aufsteiger, als Lebensküns­tler vorstellen kann.

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Das Machtwort im Zentrum: Ein großer Ringkerntr­afo verstrickt die Stromkraft. An der Front liegt das dünne Einzugslau­fwerk für CDS. Die Seitenwang­en dienen als Kühlrippen für Class-a/b.
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ein Aufgebot an Digital-zugängen – inklusive Ethernet und USB.
Da ist kein Platz mehr: Super, dass es einen XLR-PORT gibt. Natürlich dazu ein Aufgebot an Digital-zugängen – inklusive Ethernet und USB.

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