Jugendjahre einer Meisterin
Roberta Joan Anderson umgab von Anfang an eine eigenständige Aura, eine enigmatische Mischung aus Zerbrechlichkeit und Selbstbewusstsein, die sie über produktive vier Jahrzehnte hinweg in ihren Liedern zu verdichten verstand. Die Musikwelt allerdings kennt sie vor allem von ihrem Lpdebut „Song To A Seagull / Joni Mitchell“(1968) an. Da hatte sich die junge Kanadierin von der zurückhaltenden, aber charismatischen Pubsängerin bereits in eine FolkAdeptin verwandelt, die in New Yorker SzeneKreisen verkehrte und die ersten Lebenskrisen, einschließlich einer kurzen Ehe mit dem Sänger Chuck Mitchell hinter sich gebracht hatte. Die Sammlung „The Earlyyears (196367)“versucht nun, die Jahre vor dem Erfolg mit unterschiedlichen Hördokumenten nachzuvollziehen, anhand zahlreicher Aufnahmen, die die 77jährige Künstlerin bislang in ihrem Privatarchiv gehortet hatte. Es handelt sich um Radiomitschnitte, eigene Demos, verschiedene Konzertaufnahmen, die zunächst mit dem Charme des Unbedarften, dann aber mit schnell zunehmendem gestalterischem Selbstverständnis eine Künstlerin in der zentralen Movingoutphase präsentieren. Am Anfang stehen viele Traditionals, spätestens ab 1965 kommen zunehmend eigene Lieder hinzu, poetische Miniaturen, ungeachtet manch verstimmter Gitarre mit Mitchells faszinierend klarer, trotz großem Tonumfang intonationssicherer Stimme vorgetragen.vom ersten Radiodate in Kanada bis zum Canterbury House Konzert in Ann Arbor, Michigan, wird hier eine Musikerin bei der Selbstwerdung sekundiert und man hätte ihr gerne schon in den Lehrjahren besseres Equipment gewünscht. So ist die stellenweise mäßige Tonqualität der Wermutstropfen dieser ansonsten herzerwärmenden Edition, die im Booklet darüber hinaus von einem ausführlichen, humorvoll persönlichen Interview mit der zurückgezogen lebenden Künstlerin begleitet wird.