Csampais Vinyl-kosmos (nach unten)
Das Quatuor Ébène mit Beethoven, die Titanen Klemperer / Oistrach mit Brahms, Charles Rosen mit Mozart, Tschaikowskys „Nußknacker“unter Simon Rattle und ein legendäres Album von Cicero: herzerwärmender Lp-klang für kalte Tage.
Herzerwärmender Lp-klang für kalte Tage: Das Quatuor Ébène mit Beethoven, die Titanen Klemperer / Oistrach mit Brahms, Charles Rosen mit Mozart und Tschaikowskys „Nußknacker“unter Simon Rattle und ein legendäres Album von Cicero.
Im Vorfeld des Beethoven-jahres unternahm das Quatuor Ébène, Frankreichs führendes Streichquartett, eine Welttournee durch 21 Länder und fünf Kontinente. Eine Cd-edition dieser Reise wurde weltweit gefeiert. Jetzt haben die Musiker drei charakteristische Werke für eine Doppel-lp ausgewählt: Dem spielerischen Charme des G-dur-quartetts op.18,2 folgt der scharfe, unerbittliche Gestus des unwirschen f-moll-quartetts op.95 und gipfelt in der monumentalen Architektur des späten B-durQuartetts op.130 nebst der „Grossen Fuge“op.133.
Die französischen Top-musiker beeindrucken durch lupenreine Intonation, faszinierende Klangkultur und eine unglaubliche Homogenität – als agierte hier ein lebendiges Wesen mit acht Händen. Und bei aller gebotenen Schärfe und Präzision des Ausdrucks verströmen sie Eleganz, Sinnlichkeit und spielerische Frische.
Eine der letzten Aufnahmen des 2012 verstorbenen amerikanischen Pianisten und Musiktheoretikers Charles Rosen hat Italiens Hifi-guru Giulio Cesare Ricci auf seinem audiophilen Label fonè auf streng limitierten 180g-lps veröffentlicht, mit den beiden Mozartsonaten in a-moll KV 310 und A-dur KV 331.
Rosen galt als „der“Experte für die Wiener Klassik; auch seine späten Mozart-deutungen durch entwaffnende Klarheit, eine fast kindlich anmutende Rigorosität und schmucklose Prägnanz, die selbst in dieser vermeintlich harmlosen Materie opernhafte Dramatik aufspürt. So wirkt das Presto-finale der a-moll-sonate geradezu hysterisch, während er den berühmten Alla-turca-satz der A-durSonate ganz gemütlich, und ohne den üblichen Lärm, auf dem historischen Bechstein abschnurren lässt. Ricci überträgt Rosens Mozart-weisheiten mit puristischer, röhrenbestückter
Aaa-technik und legendären Werkzeugen wie der Nagra 4s und den Neumann-mikros U47 und U48.
Tschaikowskys „Nußknacker“-suite von 1892 zählt seit jeher zu seinen populärsten Arbeiten. Aber wer kennt schon das gesamte Ballett, das schier überquillt vor musikalischen Schönheiten? E. T. A. Hoffmanns fantastisches Weihnachtsmärchen war geradezu eine ideale Quelle für Tschaikowskys choreographische und dramatische Fantasie, die auch Strawinsky entscheidend beeinflusste. Simon Rattles mitreißende Einspielung mit den Berliner Philharmonikern entstand bereits 2009 und erschien zunächst auf CD. Jetzt gibt es diese ungemein frische und farbenprächtige Digitalproduktion auf einer Doppel-lp – und wieder staunt man über hochentwickelte Klangkultur der Berliner, aber auch über Rattles Fähigkeit, die sinfonischen Qualitäten in seiner ganzen Farbenpracht und Raffinesse vor uns aufzuspannen. Seine Deutung übertrifft sogar die alte Referenz André Previns an innerer Glut und tänzerischer Anmut.
Von Brahms‘ Violinkonzert gibt es nur wenige Aufnahmen, die ihren Referenzstatus bis heute behaupten konnten. Zu diesen zeitlosen Dokumenten zählt die 1960 in Paris entstandene Stereo-produktion, für die Emi-starproduzent Walter Legge zwei absolute Koryphäen zum ersten Mal zusammengeführt hatte: Den legendären Brahms-dirigenten Otto Klemperer und den Geigenvirtuosen David Oistrach. Klemperers furchteinflößende Autorität durchdrang sofort auch die Musiker des französischen Rundfunks; sie setzten seinen archaisch-strengen Brahms-stil um, schufen den großen Rahmen für die charismatische Kunst Oistrachs. Es wurde ein Triumph des musikalischen Ernstes und eines gemeinsamen Verständnisses von Empfindungstiefe jenseits aller Bravour. Jetzt ist diese Kultaufnahme neu analog remastered und auf schwere 180g-vinyls gepresst worden.
Pionier des Crossover: Ciceros „Rokoko Jazz“
Einen der größten Erfolge des 1997 früh verstorbenen rumänischen Jazz-pianisten Eugen Cicero hat jetzt Edel als puristisches Aaa-remaster wieder aufgelegt: Sein Debütalbum „Rokoko-jazz“entstand 1965 unter der Regie des legendären Mps-bosses Hans Georg Brunner-schwer, und kam auf Anregung des Drummers Charly Antolini zustande, der gemeinsam mit dem Bassisten Georg Witte mitwirkte bei dieser mitreißenden Premiere von Ciceros eigenem Klassik-jazz-mix. In fünf virtuosen Adaptionen von bekannten Klavierstücken von Scarlatti, C.P.E. Bach, Couperin und Mozart, und einer unter die Haut gehenden Bearbeitung der Arie „Erbarme dich, mein Gott“aus Bachs Matthäus-passion unterstrich der damals 25 Jahre alte Emigrant sein überschäumendes Improvisationstalent, seine explodierende Geläufigkeit und seine einzigartige Kunst, nahtlos zu wechseln zwischen klassischen Mustern und Jazz-phrasen.
Damit wurde er zu einem der Pioniere eines entfesselt freien, vor Vitalität sprühenden, stets positive Energie verströmenden „Crossover“, den Jazz-puristen eher skeptisch beäugten. Cicero verewigte sich auf mehr als 70 Alben. ■