Dr. Feickert Analogue Vero
Na ja, fast. Obwohl wir dem Vero sogar zutrauen würden, dass er noch irgendwo Lautsprecherklemmen versteckt hat. Aber tatsächlich eröffnet Dr. Feickerts Kreation eine neue Geräteklasse: Phonoverstärker mit Pegelsteller!
Ob es sich beim Dr. Feickert „Vero“nun um einen Vorverstärker mit Phonoteil oder ein Phonoteil mit Vorverstärker handelt, ist eine Frage, die spätestens dann beantwortet ist, wenn man schlicht die Eingänge zählt: zwei Moving-coilEingänge, zwei Moving-magnet-eingänge, aber „nur“zwei Line-eingänge. Deshalb beschließen wir nun, dass es sich beim Vero um einen Phonoverstärker handelt, der als höchst praktische Luxusausstattung zudem mit zwei HochpegelEingängen, kräftigen AusgangsTreibern und einem (abschaltbaren) Pegelsteller aufwarten kann.
Bei näherer Betrachtung könnte der Vero in passenden Installationen also den Zukauf eines Vorverstärkers ersparen und somit den Signalweg erfreulich verkürzen. Diese Auslegung entpuppt sich folglich als ziemlich genial, weil auch ein Balancesteller vorhanden ist und sowohl der symmetrische als auch der unsymmetrische Ausgang jeweils eigene Treiberstufen aufweisen. Wer die Hochpegelstufe und den Pegelsteller nicht benötigt, kann sie im Gerätemenü simpel überbrücken. Apropos Menü: Der Vero ist ein hochmodernes Gerät mit eigenem Betriebssystem, Display, ausgelagertem Netzteil und auf hochdichten ICS und Smd-bestückung basierender Schaltung. Für die Signalumschaltung, neudeutsch: „Routing“, sind Relais zuständig, zwei Tastenfelder auf der Front helfen bei der Konfiguration, die im Speicher erhalten bleibt. Eher orthodox gelagerte Vinylfreaks, die noch in Mäuseklavieren und Impedanz-cinchsteckern denken, müssen sich damit arrangieren, durch die Menüs zu klicken, dürften aber angesichts schon sagenhafter Anpassungsmöglichkeiten schnell mit der cleveren Technik versöhnt sein.
Zumal es hier ja nicht weniger als 34 verschiedene Mclastimpedanzen zwischen 25 Ohm und 47 Kiloohm gibt, für Mm-systeme lassen sich vier
Kapazitäten während des Betriebs wählen und sowohl Mmals auch Mc-eingang bieten je vier unterschiedliche Verstärkungsfaktoren an. Doch damit nicht genug: Eine weitere, sehr feinfühlige Pegelanpassung ermöglicht es, den Pegel der Phonoeingänge sehr genau aufeinander anzupassen, womit Lautstärkesprünge bei verschiedenen Abtastern kein Thema mehr sind. Zudem gibt es für jeden Phonoeingang eine Balance-justage!
Doch damit nicht genug: Ein Subsonic-filter (ein aktives Design ohne Kondensator im Signalweg) kann für jeden Phonoeingang einzeln angelegt werden, jedem Eingang kann ein Startpegel zugewiesen werden, die Ausgänge lassen sich einzeln stummschalten und das Ganze erschließt sich auch via
Alle Einstellungen per Fernbedienung und Anzeige über OLED – Einstellungen werden automatisch gespeichert
einer kleinen, mitgelieferten Fernbedienung, die Apple-kennern wohlbekannt sein dürfte.
Ausgelagertes Netzteil
Der aufgeräumte, kanalgetrennte Aufbau des Vero verlässt sich auf ein ausgelagertes Netzteil mit Vorregelung und anschließend auf kräftig ausgelegte Shuntregler auf einem Kühlkörper. Für MM- und Mc-betrieb benutzt der Phonoverstärker getrennte Schaltungen, wobei der Hersteller den einzeln vermessenen integrierten Bausteinen kurze Signalwege und Gleichspannungskopplung bescheinigt; von uns sei hinzugefügt, dass der Vero beeindruckend rauscharm arbeitet und enorm breitbandig ausgelegt ist, zur Nutzung des wahlweise zuschaltbaren Subsonic-filters raten wir dennoch. Über die unter 100 Ohm extrem fein ausgelegte Staffelung des MCAbschlusswiderstands dürften sich insbesondere die Besitzer sehr niederohmiger, leiser Abtaster freuen, die hier einfach via Fernbedienung experimentieren und getrost auf einen Übertrager verzichten können.
Mit dem ersten Setup ist es wie immer bei so etwas: Zähne zusammenbeißen und durch die Menüs hangeln. Anschließend entschädigt der Vero mit einem extrafeinen, ultrapräzisen und völlig ausgewogenem Klang, der in puncto Homogenität nichts zu wünschen übrig lässt. Dass sich hier dennoch ein winziger Hauch wunderbare Wärme eingeschlichen hat, ist ein eher subjektives Gefühl und sicher dem farbigen, präsenten Klang zuzuschreiben, der sich raumgreifend und mit überzeugenden Klangkörpern aufbaut. Eine unserer Lieblingsscheiben, Tacet L968 „The Best of Tacet 2016“, gerät so zu einem spannenden, tief emotionalen Hörerlebnis, bei dem sich die Erkenntnis, dass der Vero nichts falsch, aber praktisch alles richtig macht, binnen einer Plattenseite durchsetzt. Frei von jeder Effekthascherei, mit betörenden Farben und selten anzutreffender Feindynamik fokussiert diese Phonostufe ihren Zuhörer tief in die Musik, begeistert mit ihrer Präzision, die eben nicht zu analytisch, sondern eher feinsinnig-genießerisch angelegt zu sein scheint...
Dass die Vero obendrein als Lehrstück in puncto ICS und Hifi taugt, sei nur am Rande erwähnt. Die Vorurteile, sofern es sie noch gab, sind dahin.