JBL L82 Classic
JBL beschwört erneut die wilden 70er herauf. Angesichts der fetzigen Optik stellt sich die Frage: Weckt die neue L82 Classic nur den Rocker in dir oder reisen mit ihr auch Feingeister in der Zeit zurück?
Ernsthafte Hörtests auf Hifimessen durchzuführen, gehört zu den fast unmöglichen Dingen. Und wenn man dann doch einmal einen ruhigen Moment bekommt, ohne Lärm von den Fluren, bleiben die Klangeindrücke in den seltensten Fällen positiv im Gedächtnis. Entweder, man hat ein paar audiophile Gassenhauer um die Ohren gehauen bekommen, oder irgendetwas hat den Klanggenuss getrübt.
Nicht so bei JBLS neuer Retro Box L82 Classic. Ich konnte sie schon vor über einem
Die will ich einmal in Ruhe einem Hörtest unterziehen, dachte der Autor auf der vorletzten CES.
Jahr auf der letzten klassischen CES in Las Vegas hören, eigentlich unter denkbar schlechten Voraussetzungen. Doch schon damals war ich wie gefesselt vom stimmigen und überragend plastischen Klangbild.
Rack to the roots
Nun also der Test unter kontrollierten Bedingungen. Im modernen Hörraum wirkt die rustikale Kombination von Holz und Stahlständer etwas deplaziert. Gegenüber den fetten Monitoren des Testfeldes ist sie auch klein. Doch für eine Box auf dem Ständer ist sie mit ihren 42 Zentimetern Höhe wiederum recht auffällig. Mit der orangen Schaumstoffbespannung, die man bei JBL epochengerecht Quadrex nennt, sieht sie tatsächlich wie ein Vintage-modell aus den 1970ern aus. Kann aber nicht sein, denn die Bespannungen von damals dürften schon alle zu Staub zerbröselt sein.
Nach dem Abnehmen derselben verstärkt sich der Eindruck der Zeitreise: Weißer
Pappkonus mit schwarzer Staubschutzkalotte, ein Drehregler zur Dosierung des Hochtonpegels. Alles schon vor 50 Jahren dagewesen, wo bleiben die versprochenen technischen Innovationen?
Horn in the USA
Gemach, gemach. Passionierten Lautsprecher-historikern dürfte schnell auffallen, dass der Hochtöner in einer Hornschale sitzt, eine moderne Konstruktion. Denn sie begrenzt seinen Abstrahlwinkel auf das Maß, das im Hifi-hörraum ideal ist, und war vor 50 Jahren in dieser milden Form mit einer Kalotte noch weitgehend unbekannt.
Den Hochtöner selbst kennen wir bereits aus dem großen Modell, der L100 Classic. Als
Material kommt das in der Luftund Raumfahrt erprobte Titan zum Einsatz.
Im Gegensatz zur großen Schwester und den historischen Vorbildern ist die L82 aber eine reine Zwei-wege-box. Vom Hochtöner geht es also direkt auf den Tieftöner, und zwar schon bei 1700 Hertz, eine Oktave tiefer als bei der DreiWege-box. Die Kalifornier trauen ihrem Hochtöner also einiges zu, andere Konkurrenzmodelle würden vermutlich bei entsprechender Beschickung mit Leistung einen Hitzetod sterben wie ein LamborghiniMotor nach einigen Stunden Drehzahl-proben in der kalifornischen Sonne.
Dafür gibt es aber technische Gründe, denn der Tieftöner kann nicht beliebig hoch spielen. Seine weiße, vom Hersteller selbst als „kultig“bezeichnete Membran ist aus verstärkter Pappe, und zudem acht Zoll (20,3 cm) groß. Das bezieht sich auf das Maß des Gusskorbs, durch die sehr groß dimensionierte Sicke ist die weiße Membran ein ganzes Stück kleiner. Herausgeschraubt sieht das Chassis aus, als entstamme es einer modernen Beschallungsanlage von JBL, und als sei es für die Ewigkeit gemacht. Der Kenner würdigt den riesigen Magneten und den unverwüstlichen Druckguss-korb. Damit es ebenso dynamisch zur Sache
Die JBL L82 Classic ist mit einem 2,5-cm-titan-kalottenhochtöner und einem 20-cmtief-mitteltöner mit Papierkonus bestückt. geht, spendierten die Ingenieure der großen Regalbox noch ein Bassre exrohr. Die Kollegen im Marketing tauften es „Slipstream-port“, obwohl hoffentlich nie etwas hineinrutschen sollte.
Retro Regler
Wozu soll nun aber der Regler auf der Frontwand dienen, der den Zeitreisen-eindruck beim Betrachten der Schallwand verstärkt? Laut Datenblatt hebt er den gesamten Frequenzbereich des Hochtöners feinfühlig an oder senkt ihn ab. Bei Highendern hinterlässt ein solcher Klangregler des Öfteren ein Gefühl des Imperfekten. Macht aber Sinn. Wer sein Wohnzimmer im Stil der 70er mit Polstermöbeln, Teppich-tapeten und Perserkatzen einrichtet, könnte den resultierenden muf
gen Klang also mit etwas mehr Hochton würzen. Umgekehrt sollen moderne, helle Räume eher nach einer Absenkung desselben rufen. Die Box selbst ist für beides geeignet.
Im Hörraum verspürten wir keine derartigen Gelüste. Roger
Waters‘ „Amused To Death“versprühte eine Weiträumigkeit und Dreidimensionalität, wie man sie von einer Zwei-wegebox selten geboten bekommt. Dynamisch stimmte hier alles, der Bass kickte mit einer Sattheit, die ein Grinsen auf die Gesichter der Hörer zaubern kann. Dabei war er aber nie zu fett, im Gegensatz zum Dreiwege-modell vertrug die L82 auch eine halbwegs wandnahe Positionierung.
Tori Amos „Little Earthquakes“stellten eine geradezu sinnliche Frauenstimme in den Raum, die sich nie vordrängelte, sondern aus dem riesigen Raum herauszusingen schien.
An Luftigkeit und Plastizität sucht die JBL in ihrer Klasse ebenfalls ihresgleichen, wobei sie trotz einer Portion tonaler Klangwärme nie lahm erscheint.
Diverse Klassikaufnahmen von den stereoplay-titel-cds später stand fest: Die JBL ist ein famos abgestimmter Lautsprecher, der alle Stilrichtungen aus dem Effeff beherrscht. Hinter der Retro-fassade verbirgt sich ein Universum des guten Klangs. Entdecken wir es, bevor es andere tun.