Einfach unverschämt
Bernhard K. < per Email >
Seit ca. 40 Jahren lese ich Ihre Zeitschrift, und im Zuge der Zeit bleibt einem nicht verborgen, dass fast alles teurer wird. (...)
In stereoplay 11/2021 testen Sie mal wieder eine Box, diesmal aus Aluminium (wow!) von Dr. Roland Gauder. Schlapper Preis: 24.000 € ohne Ständer (warum verschweigen Sie eigentlich den Preis für diese?). Beim Preis-leistung-verhältnis steht dann lapidar: „highendig“. Dies ist, man kann es nicht anders sagen, ein Euphemismus für „einfach unverschämt“. (…)
Mir ist schon klar, dass das keine Boxen von der Stange sind, aber ich kann den Begriff „Manufaktur“einfach nicht mehr hören/lesen, der immer dann zum Einsatz kommt, wenn Produkte aus welchem Bereich auch immer unverhältnismäßig überteuert sind.
Ihre Kritiklosigkeit in dieser Beziehung ist etwas, was mich nun endlich zum Schreiben bewogen hat, wohl wissend, dass das gar nichts ändern wird. Ich habe Gauders Produkte nie gehört, glaube Ihnen aber gerne, dass diese wohlklingend sind, das aber sind auch andere, zu meist wesentlich angemesseneren Preisen. Wenn man das Gefühl hat, dass da schlau und schamlos die Zahlungsfähigkeit weißer, alter Männer ausgenutzt, wird, bleibt einem aber auch nicht viel mehr als ein verständnisloses Kopfschütteln. (…)
Ich würde mir wünschen, dass Sie in Zukunft die Preise solcher „High-end-geräte“deutlicher in Augenschein nehmen. (…)
Selbstverständlich gibt es außerordentlich wohlklingende Lautsprecher, die deutlich weniger als 24.000 € das Paar kosten. Wenn unsere Tests preiswerterer Schallwandler einen anderen Eindruck erwecken, müssen wir sprachlich genauer werden. Doch wie in vielen Bereichen, spontan fallen Sterne-gastronomie, edele Zeitmesser, große Weine oder maßgeschneiderte Kleidung ein, wird es in den obersten Qualitätsklassen schnell sehr, sehr teuer. Das liegt daran, dass die Entwicklungskosten nicht auf vier-, fünf- oder sechstellige Zahlen verkaufter Produkte umzulegen sind. Und an Produktionsmethoden, die nicht auf Arbeitskraft aus Billiglohnländern oder Maschinen setzen, sondern bei denen die besten Handwerker ihres Faches Stunden und Tage brauchen, um ein Produkt von höchster Perfektion zu erstellen. Das kostet Geld, viel Geld. Genau wie der Händler, der teure Komponenten nur in kleinen Stückzahlen und unter Aufbietung hoher Beratungsleistung und Einsatz bei der Aufstellung und Konfiguration beim Kunden verkauft. Wie überall wird die Luft oben sehr, sehr dünn, weshalb wir den besten Plattenspielern, Streamern, Verstärkern und Lautsprechern nur selten die Preis-/leistungsnote „sehr gut“zusprechen können, und für diese teure Top-liga gerne den Begriff „highendig“verwenden. / BT