Wer hören will, darf fühlen
Der Lockdown hat alles verändert. Die beiläufige Coolness der Popszene vor Corona ist einem neuen Bedürfnis nach Inhalten gewichen. Die britische Band Elbow liefert mit „Flying Dream 1“das beste Beispiel für diesen Trend. Die Songs sind entstanden, indem sich die Bandmitglieder aus ihren separaten Studios lose Songideen hin und her schickten. Sie verdichteten sich zu einer Sammlung von Liebesbriefen aneinander und an das Leben. Noch während des Shutdowns verbarrikadierte sich die Band in einem alten Theater in Brighton, das wegen der Pandemie nicht genutzt werden konnte, und verwandelten diese klingende Korrespondenz dort in ein Album. Das altehrwürdige Bauwerk wirkte wie ein externes Mitglied, das die Band umfing und ihr seinen Stempel aufdrückte.
Elbow neigten schon immer zu sehr emotionalen Statements, doch auf „Flying Dream 1“gehen sie weiter denn je. Es scheint, als würden sie mit ihren ätherischen Balladen permanent ein Stück über dem Boden schweben, doch sowie man mit den Füßen den Boden berührt, wird offenbar, dass es eben nur ein Traum vom Fliegen war.
Nach eigenem Bekunden wollte die Band ihren Fans nach den Zeiten der Entbehrungen ein Stück Zuversicht zurückgeben. In diesem gemeinsamen Anspruch aller Songs darf man „Flying Dream 1“gern als Konzeptalbum verstehen. Sänger und Texter Guy Garvey spricht von einer One Moodplatte wie in den 1970er Jahren.wenn Albert Ayler Musik einst als „healing force of the universe“bezeichnete, geben Elbow ihm mit ihrem neuen Album definitiv recht. Auch Elbow stecken voller Wut über die offensichtliche Ausweglosigkeit vieler Zustände auf diesem Planeten, aber sie haben beschlossen, all diese Gefühle subtil arrangiert und feingliedrig gemixt in positive Energie zu transformieren und ihren Bedürfnissen nachgebend genau das Album zu produzieren, das für diese Zeit notwendig ist.