Südwest Presse (Metzinger Uracher Volksblatt / Der Ermstalbote)
Wie geht’s weiter mit der Paketpost?
Reutlingen Beim Runden Tisch Kultur ging es um die Kulturnacht 2019 und das Projekt „Virtuell barrierefrei“der Reutlinger Hochschule für Soziale Arbeit. Von Norbert Leister
s war extrem faszinierend, aus dem kleinen Saal des Reutlinger Tonne-theaters mir nichts dir nichts von einer Sekunde auf die andere auf den Schönbuch-turm entführt zu werden – und sich dabei auch so zu fühlen, als ob das völlig real wäre. Oder plötzlich aus dem Dunkel des Saals am Uracher Wasserfall aufzutauchen. Und dabei womöglich sogar einen frischen Windhauch zu spüren. Möglich wurde das am Montagabend beim Runden Tisch Kultur, zu dem das Netzwerk Kultur und das Kulturamt geladen hatten.
In der Tonne stellten vier Studentinnen des Studiengangs Soziale Arbeit an der Reutlinger Hochschule zusammen mit Professorin Katrin Schlör ihr Projekt „Virtuell barrierefrei“vor. Der Ablauf war dabei folgender: Sie hatten beeinträchtigte Schüler der Kbf-schule gefragt, an welchem Ort sie gerne mal wären – ohne dass sie ihn aufgrund ihrer Einschränkungen besuchen könnten. Heraus kam dabei der Uracher Wasserfall, der Schönbuch-turm oder auch Rottweils Innenstadt. Dann gingen die Studierenden genau an diese Orte, filmten mit einer 360-Grad-kamera, um sie anschließend den Kbf-schülern wieder per Virtual-reality-brille zu präsentieren. Deren Kommentare: „Megageil“oder „voll cool“.
Das Eintauchen in diese virtuelle Realität hat die Schüler also
Eenorm begeistert. Und tatsächlich erscheint es nahezu real, dort oben auf dem Schönbein-turm zu stehen, den Abgrund vor sich – inklusive des Schwindelgefühls, wenn man nach unten schaut. Zusammen mit den Kommentaren der Kbf-schüler werden die Filme nun zu einer Wanderausstellung zusammengestellt und auch auf der Homepage www.virtuell-barrierefrei.de gezeigt.
Aber: Das Projekt sei nicht nur eine nette Spielerei, wie jemand aus dem Publikum anmerkte. Also eine gute Gelegenheit, um Fördergelder abzugreifen. „Es geht bei diesem Projekt um Teilhabe, um den Ansatz der Sozialarbeit,
den Begri der Barrieren noch mal genauer in den Blick zu nehmen“, entgegnete Katrin Prof. Katrin Schlör Hochschule Reutlingen
Schlör. Mit den Vr-brillen ließen sich Menschen in andere Gegenden mitnehmen, somit also Teilhabe ermöglichen. Wie etwa in Pflegeheimen, wenn alte Menschen nochmal in ihre Heimat eintauchen könnten. „Oder auch in Gefängnissen.“Wo man Gefangene zumindest virtuell an Orte in der Freiheit führen könnte. „Es geht darum, auch die Barrieren in unseren eigenen Köpfen zu überwinden“, so die Professorin. Rosemarie Henes von der Lebenshilfe schlug vor, dass man den Prozess ja auch umkehren könnte – um die Lebenswelt von behinderten Menschen „erlebbar zu machen“.
Anderer Punkt beim Runden Tisch Kultur: Das Programm der 7. Reutlinger Kulturnacht am Samstag, 21. September, stehe nach den Worten von Gerhard Loew und Ramona Rath vom Netzwerk Kultur in weiten Teilen fest. Ende Juni ist Anmeldeschluss für die Aktionen und Aktivitäten der besonderen Nacht, mal wieder dabei bei den Örtlichkeiten ist die Pomologie, die zusammen mit dem neuen Tonne-theater „bespielt“werden soll. Am Vorabend des eigentlichen Events, also am 20. September, wird es in der Paketpost zwei Bühnen geben, wo beispielsweise Jochen Weeber und seine Band auftreten. „Weitere verschiedene Au ührungen sind geplant, es gibt eine kleine Preview des nächsten Tages“, wie Rath sagte. Im Spitalhof werde am Freitagabend ein Stummfilm aus dem Jahr 1918 gezeigt, der mit Piano-livemusik untermalt werde. Am nächsten Abend werde, so Loew, der Hauptteil der Kulturnacht dann auf dem Marktplatz erö net, die Stadthalle mutiere zur Tanzhalle, die Pomologie verwandle sich in einen „magischen Lichtgarten“, die Paketpost zwischen franz.k und Wandel-hallen werde zu einem zentralen Ort. Noch viel, viel mehr soll es in dieser magischen Nacht geben.
Zukunft ist o en
Eine Frage wurde am Montagabend aber nicht geklärt. Nämlich die nach der Zukunft der Paketpost. Die Kulturscha enden in Reutlingen würden das Gebäude gerne als neue Bleibe für sich verbuchen – nachdem ja die Planie 22 schon vor Jahren endgültig als Unterkunft gestorben war. Die Stadt wiederum möchte die Paketpost am liebsten abreißen und dort einen neuen Verwaltungstrakt hinsetzen.
Auch wenn Loew Optimismus versprühte, dass die Gemeinderatsfraktionen Wohlwollen oder gar Unterstützung gegenüber den Wünschen des Kultur-netzwerks geäußert hatten – Kulturamtsleiter Dr. Werner Ströbele dämpfte diese Ho nungen: Der Gemeinderat werde in Bälde eine Prioritätenliste erstellen, um die vorrangigen Projekte der Kulturkonzeption festzulegen. Dass die Paketpost dabei ganz oben stehen könnte, wollte Ströbele nicht sagen. Aber das ist ja auch die Aufgabe des Gemeinderats.
Es geht darum, auch die Barrieren in unseren eigenen Köpfen zu überwinden.