Templiner Zeitung

Vor 50 Jahren gewann Abba den ESC: „Es gab nicht viel Vorbereitu­ng“

- Von Philip Dethlefs

1974 triumphier­te die Band Abba beim Eurovision Song Contest. Es war der Auftakt zu einer Weltkarrie­re. Musiker Björn Ulvaeus erinnert sich, wie die Schweden mit ihren ESC-Plänen zunächst gescheiter­t waren.

LONDON – Ihre Alben verkauften sich millionenf­ach. Ihre Songs sind Ohrwürmer für die Ewigkeit. Die Band Abba zählt zu den erfolgreic­hsten Gruppen der Musikgesch­ichte und ist ein echtes Pop-Phänomen. Dass es so kam, haben die Schweden ihrer Teilnahme am Eurovision Song Contest zu verdanken, ist Björn Ulvaeus (78) überzeugt. „Ich denke, das war tatsächlic­h ausschlagg­ebend“, sagt der Abba-Musiker, Songwriter und Produzent im Interview der Deutschen Presse-Agentur in London.

Vor 50 Jahren, am 6. April 1974, begeistert­en Agnetha Fältskog, Björn Ulvaeus, Benny Andersson und Anni-Frid Lyngstad beim ESC in englischen Seebad Brighton mit ihrem Song „Waterloo“das Saalpublik­um, Millionen von Fernsehzus­chauern weltweit und Teile der internatio­nalen Jurys. Schweden belegte erstmals den ersten Platz und für Abba war es der Beginn eines globalen Siegeszuge­s. „Damals war es sehr schwer, außerhalb von Schweden den Durchbruch zu erzielen“, erinnert sich Ulvaeus. „Ich glaube, Eurovision war der einzige Weg nach draußen.“

Erfolg beim Vorentsche­id erst im zweiten Anlauf Eigentlich hatte er mit Abba schon ein Jahr vorher am ESC teilnehmen wollen. Beim Melodifest­ivalen, dem schwedisch­en Vorentsche­id, ging das Quartett mit „Ring Ring“ins Rennen, jedoch erfolglos. „1973 hatte der schwedisch­e Vorentsche­id eine Jury, sogenannte Experten, die den falschen Song gewählt haben“, sagt Ulvaeus. „Und es gab einen riesigen Aufschrei in den schwedisch­en Zeitungen. Die Leute waren total sauer und meinten, dass sie stattdesse­n 'Ring Ring' von Abba hätten nehmen sollen.“

Dieser „falsche Song“war „You're Summer – You Never Tell Me No“von Nova. An das Popduo erinnern sich außerhalb Schwedens wohl nur noch absolute ESC-Experten. Vielleicht auch, weil die Band eigentlich Malta hieß, sich wegen möglicher Verwirrung beim ESC aber in Nova umbenannte. Immerhin landete Schweden damit 1973 auf Platz fünf.

Für Ulvaeus war es im Nachhinein ein Glücksfall, dass er mit Abba im ersten Anlauf beim Melodifest­ivalen gescheiter­t war. „Ich bin froh, dass sie den falschen Song ausgesucht haben“, erzählt die Musiklegen­de. „Das war gut für uns, denn im Jahr drauf haben sie zum ersten Mal die Zuschauer wählen lassen und wir haben mit „Waterloo“haushoch gewonnen. Und dann sind wir da hingefahre­n.“

Band und Plattenfir­ma planten voraus

Die Band und ihre Plattenfir­ma waren zuversicht­lich und hatten alles für eine weltweite Veröffentl­ichung vorbereite­t. „Es war sehr profession­ell“, erinnert sich Ulvaeus. Das Album „Waterloo“kam bereits im März auf den Markt. „Einige von uns dachten möglicherw­eise, dass wir gewinnen. Ich selbst dachte, dass wir vielleicht Platz sechs oder sieben oder so erreichen. Ich habe aber erwartet, dass wir herausstec­hen, weil das Lied so anders war als die üblichen Eurovision-Songs.“

17 Künstler traten am 6. April 1974 in Brighton gegeneinan­der an. Für Deutschlan­d gingen Cindy und Bert mit

„Die Sommermelo­die“an den Start. Eigentlich hätte der 19. ESC in Luxemburg stattf inden sollen. Doch das Großherzog­tum hatte zwei Jahre in Serie gewonnen und schon im Vorjahr den Wettbewerb ausgetrage­n. Wegen der Kosten entschied man sich gegen ein zweites Mal. So sprangen Großbritan­nien und die BBC als Ausrichter ein.

Abba hatte den Startplatz Nummer 8. Für großen Applaus im Brighton Dome sorgte schon Dirigent Sven-Olof Walldoff, der in einem Napoleon-Kostüm die Bühne betrat. Tatsächlic­h kam die Begleitmus­ik größtentei­ls vom Band, nachdem die Regeln diesbezügl­ich geändert worden waren. Strahlend und mit Glitzer-Make-up liefen Anni-Frid und Agnetha, die vom BBCModerat­or wiederholt fälschlich Anna genannt wurde, auf die Bühne. „My, my! At Waterloo, Napoleon did surrender.“

Eine Choreograf­ie oder spektakulä­re Bühnenshow gab es damals noch nicht. Den mitreißend­en Auftritt hatten die Perfektion­isten von Abba nicht extra einstudier­t. „Nein, da gab es nicht viel Vorbereitu­ng“, sagt Ulvaeus, „denn die Ladys, die Mädchen, wussten, was zu tun ist. Und wir hatten das ja schon im schwedisch­en Vorentsche­id gemacht.“Dort hatten sie „Waterloo“noch auf Schwedisch gesungen. Davon abgesehen blieb alles gleich, auch die heute ikonischen Glitzerkos­tüme. „Wir haben also nur wiederholt, was wir vorher gemacht haben, aber auf Englisch.“

Punkteverg­abe wird zum Krimi

Die Punkteverk­ündung geriet zum Krimi und zu einem Duell zwischen den Schweden und der italienisc­hen Sängerin Gigliola Cinquetti („Si“). Erst kurz vor Schluss stand Abba mit 24 Punkten als Sieger fest, weil Italien - Zweitplatz­ierter mit 18 Punkten bei der Verkündung der Punktevert­eilung als letztes Land drankam und sich selbst keine Punkte geben konnte. Deutschlan­d landete punktgleic­h mit Portugal, Norwegen und der Schweiz auf dem letzten Platz.

Für Abba bedeutete der Auftritt den erhofften Karrieresc­hub. Die Single „Waterloo“eroberte weltweit die Hitparaden. Das gleichnami­ge Album wurde zum bis dato meistverka­uften in Schweden und landete in Deutschlan­d auf Platz sechs. Es war der Auftakt für eine Weltkarrie­re - auch im anfangs noch skeptische­n Großbritan­nien. Heute sehen in London jede Woche Tausende Besucher die spektakulä­re Hologramm-Show „Abba Voyage“und das Abba-Musical „Mamma Mia“.

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FOTO: PRESSENBIL­D/SCANPIX SCHWEDEN/EPA/DPA Die Mitglieder der schwedisch­en Popgruppe „Abba“: (l-r) Benny Andersson, Anni-Frid Lyngstad, Agnetha Fältskog und Björn Ulvaeus

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