Schäuble: Stoiber wollte mich zum Sturz Merkels bewegen
BERLIN – Der langjährige, inzwischen verstorbene CDU-Politiker Wolfgang Schäuble wirft dem früheren CSU-Chef Edmund Stoiber in seinen Memoiren vor, in der Flüchtlingskrise 2015 einen Putschversuch gegen Kanzlerin Angela Merkel unternommen zu haben.
In vom „Stern“gestern veröffentlichten Auszügen aus den Memoiren, die nächste Woche erscheinen sollen, schildert Schäuble, die Lage in der Union sei im Herbst 2015 schwierig geworden. „Höhepunkt war der CSU-Parteitag, als der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende (Horst Seehofer) der Kanzlerin wie einem Schulmädchen die Leviten las. Inzwischen wurde auch Edmund Stoiber aktiv und feuerte Seehofer, seinen Nach-Nachfolger im Ministerpräsidentenamt, in dessen Attacken gegen Merkel an. Und mich wollte er dazu bewegen, Merkel zu stürzen, um selbst Kanzler zu werden.“
Er habe das entschieden abgelehnt, schreibt Schäuble in seinen Erinnerungen. „Wie Jahrzehnte zuvor bei Kohl blieb ich bei meiner Überzeugung, dass der Sturz der eigenen Kanzlerin unserer Partei langfristig nur schaden könnte, ohne das Problem wirklich zu lösen. Das war mein Verständnis von Loyalität, das nach heutigen Maßstäben vielleicht ein wenig antiquiert erscheint.“
Stoiber war von 1993 bis 2007 bayerischer Ministerpräsident und von 1999 bis 2007 Vorsitzender der CSU. In der Flüchtlingskrise äußerte er wiederholt Kritik an Merkels Kurs. Auf Anfrage erklärte Stoiber, er wolle die Darstellung Schäubles nicht kommentieren.
In den vom „Stern“veröffentlichten Passagen bekräftigt der im Dezember gestorbene Schäuble seine grundsätzliche Unterstützung für Merkels humanitäre Entscheidung, angesichts der katastrophalen Zustände am Bahnhof von Budapest, wo Flüchtlinge zu Tausenden gestrandet waren, im Herbst 2015 die deutschen Grenzen für Flüchtlinge offen zu halten, äußerte aber auch Kritik an ihrem Vorgehen.
Er habe Merkel nach Kräften unterstützt und auch ihren Satz „Wir schaffen das“habe er richtig gefunden. „Das waren starke Statements. Sie hätten eben nur von einer Vielzahl weiterer Maßnahmen und Anstrengungen begleitet werden müssen, um zu verdeutlichen, dass diese einmalige Notmaßnahme unwiederholbar war.“Er sei gelegentlich frustriert darüber gewesen, „dass Merkel in mancherlei Hinsicht beratungsresistent blieb. Nach meiner Einschätzung hätte sie ganz andere Möglichkeiten gehabt, um wirklich politisch zu führen und nicht nur zu reagieren“.