BDI-Chef Russwurm kritisiert Bundeskanzler Scholz: „Zwei verlorene Jahre“
Nach der scharfen Kritik von Industriepräsident Siegfried Russwurm an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) haben sich auch andere Wirtschaftsverbände unzufrieden geäußert.
BERLIN – Für den Umgang mit der aktuellen Wirtschaftskrise hat der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) scharf kritisiert. Mit Blick auf die bisherige Regierungszeit der Ampel-Koalition sagte Russwurm der „Süddeutschen Zeitung“: „Es waren zwei verlorene Jahre – auch wenn manche Weichen schon in der Zeit davor falsch gestellt wurden.“Dennoch bleibe die Ampel-Regierung für die Industrie ein wichtiger Gesprächspartner.
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) stünden im regelmäßigen Austausch mit Unternehmensverbänden, von Scholz höre man häufig nur das Zitat „Die Klage ist das Lied des Kaufmanns“, sagte Russwurm. „So kann man unsere Analysen auch abkanzeln, zeigt aber, dass im Kanzleramt der Ernst der Lage offenbar unterschätzt wird“, sagte der BDI-Chef der Zeitung.
Als Ergebnis der wirtschaftspolitischen Versäumnisse sehe Russwurm ein deutlich verlangsamtes Wachstum. Deutschland verliere gegenüber vergleichbaren Ländern sowie EU-Nachbarn kontinuierliche Marktanteile.
Der BDI-Chef forderte in dem Interview eine Debatte darüber, welche Industrien sich Deutschland angesichts der veränderten Weltlage noch leisten könne. „Wenn uns strategische Souveränität wichtig ist, müssen wir in Kauf nehmen, dass auch sie ihren Preis hat und die höheren Kosten akzeptieren“, sagte er. Es sei erwartbar, dass manche Industrien wie beispielsweise die Ammoniak-Herstellung mittelfristig aus Deutschland verschwinden würden, so Russwurm.
Auch andere Wirtschaftsverbände haben sich unzufrieden geäußert. DIHK-Präsident Peter Adrian sagte gestern: „Der Vertrauensverlust der Politik bei den Unternehmen ist enorm.“Marie-Christine Ostermann, Präsidentin des Verbands Die Familienunternehmer, sagte, es sei ein „Entlastungsbooster“notwendig, damit das Wachstum wieder angekurbelt werden könne. Nicht nur Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) stehe in der Pf licht, sondern auch der Kanzler.
Adrian sagte, die konjunkturelle Weltlage sei schwierig. „Aber unser größtes strukturelles Problem liegt im eigenen Land und in den immer praxisferneren Vorgaben der EU-Ebene: Schleppende Digitalisierung, überbordende Bürokratie, hohe Energiekosten und lange Genehmigungsverfahren drücken nicht nur auf das Innovationstempo hierzulande, sondern auch auf die Stimmung der Unternehmen.“
Ostermann sagte: „Die Lage ist sehr ernst. Jeden Tag werden Standortentscheidungen gegen Deutschland und gegen Europa getroffen.“Nur noch 25 Prozent der international tätigen Familienunternehmen seien bereit, in Deutschland zu investieren, weil die Standortbedingungen zu schlecht seien.