Templiner Zeitung

BDI-Chef Russwurm kritisiert Bundeskanz­ler Scholz: „Zwei verlorene Jahre“

- Von Andreas Hoenig

Nach der scharfen Kritik von Industriep­räsident Siegfried Russwurm an Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) haben sich auch andere Wirtschaft­sverbände unzufriede­n geäußert.

BERLIN – Für den Umgang mit der aktuellen Wirtschaft­skrise hat der Präsident des Bundesverb­ands der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) scharf kritisiert. Mit Blick auf die bisherige Regierungs­zeit der Ampel-Koalition sagte Russwurm der „Süddeutsch­en Zeitung“: „Es waren zwei verlorene Jahre – auch wenn manche Weichen schon in der Zeit davor falsch gestellt wurden.“Dennoch bleibe die Ampel-Regierung für die Industrie ein wichtiger Gesprächsp­artner.

Wirtschaft­sminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzmini­ster Christian Lindner (FDP) stünden im regelmäßig­en Austausch mit Unternehme­nsverbände­n, von Scholz höre man häufig nur das Zitat „Die Klage ist das Lied des Kaufmanns“, sagte Russwurm. „So kann man unsere Analysen auch abkanzeln, zeigt aber, dass im Kanzleramt der Ernst der Lage offenbar unterschät­zt wird“, sagte der BDI-Chef der Zeitung.

Als Ergebnis der wirtschaft­spolitisch­en Versäumnis­se sehe Russwurm ein deutlich verlangsam­tes Wachstum. Deutschlan­d verliere gegenüber vergleichb­aren Ländern sowie EU-Nachbarn kontinuier­liche Marktantei­le.

Der BDI-Chef forderte in dem Interview eine Debatte darüber, welche Industrien sich Deutschlan­d angesichts der veränderte­n Weltlage noch leisten könne. „Wenn uns strategisc­he Souveränit­ät wichtig ist, müssen wir in Kauf nehmen, dass auch sie ihren Preis hat und die höheren Kosten akzeptiere­n“, sagte er. Es sei erwartbar, dass manche Industrien wie beispielsw­eise die Ammoniak-Herstellun­g mittelfris­tig aus Deutschlan­d verschwind­en würden, so Russwurm.

Auch andere Wirtschaft­sverbände haben sich unzufriede­n geäußert. DIHK-Präsident Peter Adrian sagte gestern: „Der Vertrauens­verlust der Politik bei den Unternehme­n ist enorm.“Marie-Christine Ostermann, Präsidenti­n des Verbands Die Familienun­ternehmer, sagte, es sei ein „Entlastung­sbooster“notwendig, damit das Wachstum wieder angekurbel­t werden könne. Nicht nur Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck (Grüne) stehe in der Pf licht, sondern auch der Kanzler.

Adrian sagte, die konjunktur­elle Weltlage sei schwierig. „Aber unser größtes strukturel­les Problem liegt im eigenen Land und in den immer praxisfern­eren Vorgaben der EU-Ebene: Schleppend­e Digitalisi­erung, überborden­de Bürokratie, hohe Energiekos­ten und lange Genehmigun­gsverfahre­n drücken nicht nur auf das Innovation­stempo hierzuland­e, sondern auch auf die Stimmung der Unternehme­n.“

Ostermann sagte: „Die Lage ist sehr ernst. Jeden Tag werden Standorten­tscheidung­en gegen Deutschlan­d und gegen Europa getroffen.“Nur noch 25 Prozent der internatio­nal tätigen Familienun­ternehmen seien bereit, in Deutschlan­d zu investiere­n, weil die Standortbe­dingungen zu schlecht seien.

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FOTO: J. CARSTENSEN Siegfried Russwurm

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