Gysi diskutiert mit Uckermärkern emotional über Krieg und Frieden
Zum Foyergespräch kam Gregor Gysi in die Uckermärkischen Bühnen in Schwedt. Der Rechtsanwalt und prominente Linken-Politiker traf dort offensichtlich den Nerv des Publikums.
SCHWEDT – „Meine Söhne kriegt ihr nicht“, sagte die Schwedterin Annette Clauß in Anlehnung an ein Lied von Reinhard Mey. Clauß ist dreifache Mutter und hatte das Foyergespräch mit Gregor Gysi besucht, zu dem die Uckermärkischen Bühnen Schwedt bei kostenfreiem Eintritt eingeladen hatten. Nach dessen Ende wurde noch in kleinen Gruppen weiterdiskutiert.
Offenbar hatten die Uckermärkischen Bühnen ins Schwarze getroffen mit ihrem Angebot zu dieser politischen Gesprächsrunde. Sie fand vor Gregor Gysis eigentlicher Buchlesung statt und stellte die Frage „Krieg oder Frieden?“in den Mittelpunkt der Diskussion.
Diese Frage bewegt die Menschen, das zeigten die vollen Zuhörerreihen – zumal gerade in Schwedt angesichts des von der Bundesregierung diktierten Embargos gegen russisches Erdöl die Nerven blank liegen. Auch der 23-jährige Lucas, gebürtiger Schwedter und jetzt in Berlin lebend, war gekommen. „Ich will unbedingt hören, was Gysi zum Thema Krieg oder Frieden
zu sagen hat. Ich selbst habe keine Lösung. Aber ich weiß, bei einem größeren Krieg würde ich eingezogen werden. Und das will ich auf keinen Fall.“
Bei den Zuhörern schwang die große Sorge um ein Ausweiten des Krieges mit. Kann man die Aggression Russlands gegen die Ukraine stoppen? Wie sähe eine friedliche Lösung aus? Der Rechtsanwalt und Linken-Politiker Gregor Gysi gilt als Zugpferd, wenn es um das Erörtern aktueller Themen geht. Er ist als schneller Denker und brillanter Redner bekannt. In Schwedt stellte er dies erneut unter Beweis.
„Wenn die Ukraine den Donbass nicht zurückkriegen kann, dann kann man mit dem Krieg doch einfach Schluss machen. Ich will einen Waffenstillstand und würde alle diplomatischen Bemühungen darauf ausrichten“, brachte er seine Meinung auf den Punkt. „Man muss dafür Partner in China, Indien, Brasilien und Südafrika finden. Denn eins kann sich Putin nicht leisten – schlechte Beziehungen zu China. Das hat in unserer Regierung noch niemand erkannt. Sie quatschen nur über Waffenlieferungen.“
Beifall aus dem Publikum zeigte, dass viele Zuhörer Gysis Ansicht teilen. Gesprächsleiter Benjamin Zock, der am Schwedter Theater als Dramaturg arbeitet, lenkte den Blick der Zuhörer auf die einst guten Beziehungen zwischen Deutschen und Russen. Er fragte: „Ist die Bruderschaft mit Russland verloren?“
Gysi ging darauf nicht direkt ein, sondern schlug einen aktuellen Bogen zu den USA: „Ich traue Trump zu, dass er gewählt wird. Trump wird zum schweren Nachteil der Ukraine diesen Krieg beenden. Wir dürfen den Krieg nicht zur Selbstverständlichkeit werden lassen. Er ist das Schlimmste, was Menschen einander antun können.“
Mit dieser Forderung hatte er das Publikum hinter sich, leitete aber schnell zu einem seiner Lieblingsthemen über: DDR und Wiedervereinigung. Als gewiefter Redner wurde daraus ein Monolog über Errungenschaften im sozialistischen Gesundheitswesen, über die Gleichstellung von Mann und Frau, die in der DDR viel weiter war als im Westen, und über ungleiche Renten.
„Die Bundesregierung hat die DDR reduziert auf SED, Stasi, Mauertod. Das Leben in der DDR hat für sie keine Rolle gespielt. Wenn man siegt, verstehe ich nicht, dass man nicht hinsehen kann. Man muss den Besiegten ja nicht demütigen.“Der Beifall aus den Zuschauerreihen kommt prompt und ein Zwischenruf „Endlich sagt das mal einer!“
Für manche Zuhörer kam das Thema „Krieg oder Frieden?“in dieser für 45 Minuten angesetzten Runde zu kurz. Waltraud Piles war extra aus Prenzlau nach Schwedt gekommen, um Gysi zu hören. Sie sei nicht enttäuscht, sagte sie. Er habe alle Themen angesprochen, die ihr wichtig waren. Sie freute sich auf seine folgende Lesung aus dem Buch „Auf eine Currywurst mit Gregor Gysi“, in der der Bundestagsabgeordnete einen Blick hinter die Kulissen des Politikbetriebs wirft. Dafür hatte sie Tickets gekauft.