Templiner Zeitung

Streit um Abtreibung­srecht neu entbrannt

- Von Fatima Abbas

Die Union will gegen AmpelPläne zur Abtreibung bis zum Verfassung­sgericht ziehen. CDU-Politiker Frei warnt vor einem Aufbrechen alter Wunden und gesellscha­ftlicher Spaltung.

BERLIN – Über eine Liberalisi­erung des Abtreibung­srechts in Deutschlan­d ist neuer Streit entbrannt. In der kommenden Woche werden dazu Vorschläge einer Regierungs­kommission vorgestell­t: Die Experten wollen eine generelle Straffreih­eit von Schwangers­chaftsabbr­üchen innerhalb der ersten zwölf Wochen empfehlen. Bisher ist eine Abtreibung nach Paragraf 218 des Strafgeset­zbuches grundsätzl­ich strafbar, es sei denn, sie f indet in den ersten zwölf Wochen statt und die Frau hat sich zuvor beraten lassen. Von der Union kam umgehend Protest gegen eine solche generelle Straffreih­eit. Die Organisati­on Pro Familia warb für eine Regelung außerhalb des Strafrecht­s.

Unionsfrak­tionsgesch­äftsführer Thorsten Frei (CDU) warnte davor, gesellscha­ftliche Konf liktlinien nach dem Kompromiss um das Abtreibung­srecht aus den 1990er Jahren neu aufzureiße­n. Dies sei „grundüberf­lüssig“in einer Situation, in der die Koalition ganz andere Probleme zu bewältigen habe, wie etwa die Wirtschaft­skrise oder die steigende Kriminalit­ätsrate. „Es wäre grundfalsc­h, weitere gesellscha­ftliche Konf likte zu provoziere­n“, sagte Frei. Falls sich die Ampel-Koalition solche Vorschläge zu eigen mache, „würde das zwangsläuf ig dazu führen“, dass man in Karlsruhe klagen werde.

Der Abschlussb­ericht der Regierungs­kommission – dem Gremium gehören 18 Experten aus Medizin, Psychologi­e, Soziologie, Ethik und Recht an – soll am Montag vorgestell­t werden. Laut „Spiegel“heißt es darin: „Die grundsätzl­iche Rechtswidr­igkeit des Schwangers­chaftsabbr­uchs in der Frühphase der Schwangers­chaft ist nicht haltbar.“Ver wiesen werde darauf, dass die aktuellen Regelungen im Strafgeset­zbuch einer verfassung­srechtlich­en, völkerrech­tlichen und europarech­tlichen Prüfung nicht Stand hielten. Sobald ein Fötus eigenständ­ig lebensfähi­g sei, sollten Abbrüche aber verboten bleiben. Die Grenze liege etwa in der 22. Woche seit Beginn der letzten Menstruati­on, empfehle die Kommission.

Der Pro Familia Bundesverb­and mahnte dringenden Handlungsb­edarf an. Die Regierung müsse bei einer Reform mögliche Gestaltung­sspielräum­e umfassend nutzen und Abbrüche vollständi­g entkrimina­lisieren. Zudem müssten Beratungsp­flicht und Wartezeite­n abgeschaff­t werden. Insgesamt müsse das Vertrauen in Schwangere sowie in Beratung und Ärzte im Vordergrun­d stehen. Menschenre­chte und effektiver Lebensschu­tz verlangten, Entscheidu­ngsmöglich­keiten zu erweitern, nicht einzuschrä­nken.

Der katholisch­e Wohlfahrts­verband Caritas erklärte dagegen, die jetzige Regelung sei keine völkerrech­tswidrige Kriminalis­ierung der Abtreibung, sondern ein ausgewogen­es Konzept, das das Leben des Kindes über die Selbstbest­immung der Frau schütze. Deshalb sei nach Vorlage des Kommission­sberichts eine gründliche Diskussion notwendig. Dabei könne die Bedeutung einer guten Beratung und Begleitung werdender Eltern nicht genug unterstric­hen werden.

SPD, FDP und Grüne hatten die Einsetzung einer „Kommission zur reprodukti­ven Selbstbest­immung“im Koalitions­vertrag vereinbart, die unter anderem Regulierun­gen für Schwangers­chaftsabbr­üche außerhalb des Strafgeset­zbuches prüfen sollte. Nicht strafbar ist ein Abbruch nach derzeitige­r Rechtslage auch, wenn medizinisc­he Gründe vorliegen oder wenn er wegen einer Vergewalti­gung vorgenomme­n wird. Laut Statistisc­hem Bundesamt gab es 2022 in Deutschlan­d rund 104.000 gemeldete Schwangers­chaftsabbr­üche.

Die Bundesregi­erung hatte bereits im ersten Jahr ihrer Amtszeit eine weitreiche­nde Gesetzesän­derung im Zusammenha­ng mit Schwangers­chaftsabbr­üchen auf den Weg gebracht: Sie schaffte den umstritten­en Paragrafen 219a ab, der zuvor das „Werbeverbo­t“für Abtreibung­en geregelt und immer wieder dazu geführt hatte, dass Ärztinnen und Ärzte sich strafbar machten, wenn sie öffentlich Informatio­nen dazu zur Verfügung stellten.

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FOTO: BERND WEIßBROD Eine Abtreibung ist nach Paragraf 218 grundsätzl­ich strafbar, es sei denn, sie findet innerhalb der ersten zwölf Wochen statt und die Frau hat sich zuvor beraten lassen.
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FOTO: BERND VON JUTRCZENKA Thorsten Frei nennt das AmpelVorha­ben „grundüberf­lüssig“.

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