Wie Cottbus um Internationalität und zusätzliche Arbeitskräfte wirbt
In Cottbus ist man stolz darauf, dass der Strukturwandel vorankommt. In vielen Bereichen entstehen hochmoderne Unternehmen. Doch es klemmt bei der Gewinnung von Arbeitskräften. Das hat verschiedene Gründe, doch ein Faktor ist ganz wesentlich.
COTTBUS – Wer das Firmengebäude im Cottbuser Süden betritt, steht in einer überdimensionalen Teeküche. Kein Pförtner regelt den Empfang, keine sterilen Bürof lure sind zu sehen: Stattdessen gibt es einen großen Konferenztisch, ein Sofa und eine zusammengeklappte Tischtennisplatte an der Wand. Der Eingangsbereich der Firma Sonocrete wirkt wie eine überdimensionierte, vielleicht etwas zu Geld gekommene Studenten-WG. Es ist ein klassisches Start-up, das hier zu finden ist. Aber eines mit einer großen Perspektive: Denn den Cottbusern ist es gelungen, eine an der Universität Weimar gemachte Erf indung zur Marktreife zu bringen.
Mithilfe von Ultraschall können die Cottbuser einen Zement zusammenmischen, der deutlich weniger Klinkerstein enthält, aber genauso stabil und haltbar ist, wie das herkömmliche Produkt. Und weil durch die Verarbeitung von Klinkersteinen besonders viel klimaschädliches Kohlendioxid freigesetzt wird, spart die Cottbuser Methode rund 30 Prozent Co2 ein. „Das ist viel, wenn man daran denkt, dass die Zementherstellung weltweit für acht Prozent aller CO2Emissionen steht“, sagt Nora Baum, die Marketingchefin des Unternehmens. Im neuen Cottbuser ICE-Werk wurde entsprechender Zement schon verbaut, und in drei Betonwerken in Deutschland finden sich schon Maschinen zur Anwendung der Technologie.
Sonocrete, das auch schon mit dem Brandenburger Innovationspreis ausgezeichnet wurde, ist für die Stadt Cottbus ein Beispiel dafür, dass es mit dem Strukturwandel vorangeht. Die Verantwortlichen strotzten nur so vor Superlativen. „Cottbus ist die Boomtown des Strukturwandels“, sagte Oberbürgermeister Tobias Schick (SPD). Etwa vier Milliarden Euro würden in den kommenden Jahren allein in den Umbau der Lausitzmetropole investiert: Das neue Bahnwerk für die Wartung von ICE4-Zügen, der Aufbau einer Medizinuniversität und der auf einem ehemaligen Flugplatz gelegene Lausitz Science-Park für die Ansiedlung innovativer Start-ups waren nur einige Beispiele, auf die die Verantwortlichen der Stadt zu Recht in jeder Hinsicht stolz waren. Von „neuen
goldenen 20er Jahren“sei die Rede, sagte die Stadtplanerin Doreen Mohaupt.
Größtes Problem der Strukturwandelstadt sind freilich die Menschen. Der Fachkräftemangel ist auch in Cottbus zu spüren. „Wir brauchen Menschen, die hier arbeiten“, sagte Schick. Die Stadt müsse attraktiv für Menschen werden, die gern nach Cottbus ziehen. Der Oberbürgermeister hob hervor, dass schon heute zahlreiche ausländische Studierende ihre Ausbildung an der Brandenburgischen Technischen Universität CottbusSenftenberg erhielten. „Wir leben Internationalität“, sagte Schick. „Es muss uns gelingen, die Leute hier in der Region zu halten.“
Doch auch in Cottbus glänzt nicht immer alles: Regelrecht empört zeigte sich das Stadtoberhaupt, als er auf die Wahlerfolge der vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuften „Alternative für Deutschland“(AfD) in seiner Region angesprochen wurde. Immerhin fordert diese Partei in ihrem Landtagswahlprogramm bekanntlich, von ausländischen Studierenden künftig „kostendeckende Studiengebühren“zu erheben. Die AfD und ihr Cottbuser Landtagsabgeordneter Lars Schieske stünden für Abschottung, sagte Schick. „Dazu stehe ich nicht, und die Mehrheit in dieser Stadt tut das auch nicht.“
Denn auch Unternehmen wie Sonocrete sind auf ausländische Experten angewiesen. Schließlich soll die neue Technologie auch international vermarktet werden, in die USA, nach Kanada oder Indien zum Beispiel. „Wir sind auf ein weltoffenes Umfeld angewiesen“, sagt Nora Baum. Das Unternehmen beschäftige derzeit drei indische Ingenieure.