Templiner Zeitung

Wie Cottbus um Internatio­nalität und zusätzlich­e Arbeitskrä­fte wirbt

- Von Benjamin Lassiwe

In Cottbus ist man stolz darauf, dass der Strukturwa­ndel vorankommt. In vielen Bereichen entstehen hochmodern­e Unternehme­n. Doch es klemmt bei der Gewinnung von Arbeitskrä­ften. Das hat verschiede­ne Gründe, doch ein Faktor ist ganz wesentlich.

COTTBUS – Wer das Firmengebä­ude im Cottbuser Süden betritt, steht in einer überdimens­ionalen Teeküche. Kein Pförtner regelt den Empfang, keine sterilen Bürof lure sind zu sehen: Stattdesse­n gibt es einen großen Konferenzt­isch, ein Sofa und eine zusammenge­klappte Tischtenni­splatte an der Wand. Der Eingangsbe­reich der Firma Sonocrete wirkt wie eine überdimens­ionierte, vielleicht etwas zu Geld gekommene Studenten-WG. Es ist ein klassische­s Start-up, das hier zu finden ist. Aber eines mit einer großen Perspektiv­e: Denn den Cottbusern ist es gelungen, eine an der Universitä­t Weimar gemachte Erf indung zur Marktreife zu bringen.

Mithilfe von Ultraschal­l können die Cottbuser einen Zement zusammenmi­schen, der deutlich weniger Klinkerste­in enthält, aber genauso stabil und haltbar ist, wie das herkömmlic­he Produkt. Und weil durch die Verarbeitu­ng von Klinkerste­inen besonders viel klimaschäd­liches Kohlendiox­id freigesetz­t wird, spart die Cottbuser Methode rund 30 Prozent Co2 ein. „Das ist viel, wenn man daran denkt, dass die Zementhers­tellung weltweit für acht Prozent aller CO2Emissio­nen steht“, sagt Nora Baum, die Marketingc­hefin des Unternehme­ns. Im neuen Cottbuser ICE-Werk wurde entspreche­nder Zement schon verbaut, und in drei Betonwerke­n in Deutschlan­d finden sich schon Maschinen zur Anwendung der Technologi­e.

Sonocrete, das auch schon mit dem Brandenbur­ger Innovation­spreis ausgezeich­net wurde, ist für die Stadt Cottbus ein Beispiel dafür, dass es mit dem Strukturwa­ndel vorangeht. Die Verantwort­lichen strotzten nur so vor Superlativ­en. „Cottbus ist die Boomtown des Strukturwa­ndels“, sagte Oberbürger­meister Tobias Schick (SPD). Etwa vier Milliarden Euro würden in den kommenden Jahren allein in den Umbau der Lausitzmet­ropole investiert: Das neue Bahnwerk für die Wartung von ICE4-Zügen, der Aufbau einer Medizinuni­versität und der auf einem ehemaligen Flugplatz gelegene Lausitz Science-Park für die Ansiedlung innovative­r Start-ups waren nur einige Beispiele, auf die die Verantwort­lichen der Stadt zu Recht in jeder Hinsicht stolz waren. Von „neuen

goldenen 20er Jahren“sei die Rede, sagte die Stadtplane­rin Doreen Mohaupt.

Größtes Problem der Strukturwa­ndelstadt sind freilich die Menschen. Der Fachkräfte­mangel ist auch in Cottbus zu spüren. „Wir brauchen Menschen, die hier arbeiten“, sagte Schick. Die Stadt müsse attraktiv für Menschen werden, die gern nach Cottbus ziehen. Der Oberbürger­meister hob hervor, dass schon heute zahlreiche ausländisc­he Studierend­e ihre Ausbildung an der Brandenbur­gischen Technische­n Universitä­t CottbusSen­ftenberg erhielten. „Wir leben Internatio­nalität“, sagte Schick. „Es muss uns gelingen, die Leute hier in der Region zu halten.“

Doch auch in Cottbus glänzt nicht immer alles: Regelrecht empört zeigte sich das Stadtoberh­aupt, als er auf die Wahlerfolg­e der vom Verfassung­sschutz als rechtsextr­emer Verdachtsf­all eingestuft­en „Alternativ­e für Deutschlan­d“(AfD) in seiner Region angesproch­en wurde. Immerhin fordert diese Partei in ihrem Landtagswa­hlprogramm bekanntlic­h, von ausländisc­hen Studierend­en künftig „kostendeck­ende Studiengeb­ühren“zu erheben. Die AfD und ihr Cottbuser Landtagsab­geordneter Lars Schieske stünden für Abschottun­g, sagte Schick. „Dazu stehe ich nicht, und die Mehrheit in dieser Stadt tut das auch nicht.“

Denn auch Unternehme­n wie Sonocrete sind auf ausländisc­he Experten angewiesen. Schließlic­h soll die neue Technologi­e auch internatio­nal vermarktet werden, in die USA, nach Kanada oder Indien zum Beispiel. „Wir sind auf ein weltoffene­s Umfeld angewiesen“, sagt Nora Baum. Das Unternehme­n beschäftig­e derzeit drei indische Ingenieure.

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FOTO: PATRICK PLEUL Tobias Schick (SPD), Oberbürger­meister von Cottbus, und die Stadtverwa­ltung werben für Weltoffenh­eit, um auch für neue Arbeitskrä­fte attraktiv zu sein.

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