Verliert der Gesundheitsminister den Kampf gegen die Homöopathie? Angestellte in Deutschland arbeiten laut Studie insgesamt mehr
Karl Lauterbach rühmt sich selbst damit, vieles in Angriff zu nehmen, was seine Vorgänger im Gesundheitsministerium versäumt haben. An einem Vorhaben droht er aber zu scheitern.
BERLIN – Wer Kritik übt, muss mit heftigem Widerstand rechnen. Das hat jüngst wohl auch der Bundesgesundheitsminister zu spüren bekommen. Noch im Januar hatte Karl Lauterbach (SPD) klargemacht, dass Homöopathie nichts mit Wissenschaft zu hat und folglich Behandlungen mit Globuli und Co. auch nicht als sogenannte Kassenleistung weiter von der Allgemeinheit mitfinanziert werden sollten.
Ein entsprechendes Gesetz dazu wird erarbeitet, bef indet sich in der Abstimmung, wie es im politischen Berlin heißt. Allerdings fehlt in der aktuellsten Entwurf-Version dazu ein Abschnitt, in dem noch im Dezember 2023 sinngemäß erklärt wurde, Krankenkassen soll die Möglichkeit gestrichen werden, homöopathische Mittel als zusätzliche Leistungen anzubieten.
Bereits die Herstellung von Globuli wirkt wohl nicht nur auf Wissenschaftler wie medizinischer Humbug. Laut der Deutschen HomöopathieUnion (DHU), nach eigenen Angaben Deutschlands größter Hersteller homöopathischer Einzelmittel, handelt es sich um Zucker-Kügelchen, „die mit dem homöopathisch potenzierten Wirkstoff oder Wirkkomplex imprägniert werden.“
Dabei sei die sogenannte Potenzierung von zentraler Bedeutung. Konkret verbirgt sich dahinter laut DHU „das schrittweise Verdünnen und anschließende Verschütteln per Hand“. Als Wirkstoff kämen demnach hauptsächlich pf lanzliche, aber auch mineralische und tierische Ausgangsstoffe zum Einsatz.
Kurz: Ein Ausgangsstoff wird unzählige Male verdünnt und seine Wirkung durch Schütteln gesteigert. Kein Wunder, dass von seriösen Medizinern bereits unzählige Male wiederholt worden ist: Homöopathie hat keine nachgewiesene Wirkung, die über den Placebo-Effekt hinaus geht.
Bereits 2019, als MV-Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) die Schirmherrschaft des Deutschen Ärztekongress für Homöopathie in Stralsund übernommen hatte und damit quasi Homöo-Patin geworden war, hieß es beispielsweise von der Landesärztekammer auf Nordkurier-Anfrage zur Wirkung von homöopathischen Mitteln: „Letztlich ist es auch der Placebo-Effekt, auf dem die Wirkung der Homöopathie beruht – wenn sie denn überhaupt irgendwelche Wirkungen hervorruft.“
Was hat Parteikollege Karl Lauterbach dazu gebracht, nun doch nicht auf wissenschaftliche Evidenz als Grundlage seiner Politik zu setzen und den entsprechenden Passus im Gesetzentwurf zu streichen? Weil sich der Entwurf „in der regierungsinternen Abstimmung“bef inde, könne man sich „zu einzelnen Details nicht äußern“, teilt ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums auf Nordkurier-Anfrage mit. „Der Minister hält aber an seinem Plan fest, homöopathische Leistungen und Arzneimittel als Satzungsleistungen von Krankenkassen auszuschließen“, so der Sprecher weiter.
Homöopathische Störfeuer von Grünen?
Es gibt jedoch Anhaltspunkte dafür, dass „in der regierungsinternen Abstimmung“die Grünen erfolgreich ihren Einf luss geltend gemacht haben. Als Karl Lauterbach im Januar ankündigte, Homöopathie als Kassenleistung streichen zu wollen, sagte Jannosch Damen, gesundheitspolitischer Sprecher der Grünen Bundestagsfraktion, es handele sich um eine „Debatte über Nebenschauplätze“.
Im Grundsatzprogramm seiner Partei heißt es zwar sinngemäß, wenn die Wirksamkeit einer Behandlungsmethode wissenschaftlich erwiesen sei, sollten diese auch von der Solidargemeinschaft übernommen werden. Ob das auch für Methoden gilt, deren Wirkung – wie bei Globuli – nicht wissenschaftlich erwiesen ist, wird nicht weiter ausgeführt.
Der Tagesschau zufolge gab es auf mögliche Einf lussnahme der Grünen auf die Streichung des Homöopathie-Passus von Partei und Fraktion nur die ausweichende Rückmeldung, dass die Federführung beim Gesundheitsministerium liege. Von Christine Aschenberg-Dugnus, parlamentarische Geschäftsführerin der FDP-Fraktion, die Lauterbachs Streichungspläne unterstützt, hieß es demnach, sie sei zuversichtlich, dass man sich „auch mit den Grünen einig werden“könne darüber, dass „evidenzbasierte Medizin immer der Maßstab für die Versorgung“sein müsse.
Zumindest zur Kenntnis genommen haben dürfte Karl Lauterbach auch eine Petition, die eine „Beibehaltung der gesetzlichen Erstattungsregelung für homöopathische [...] Arzneimittel“fordert. Die Petition hatte den Bundestag Ende Januar erreicht und ist von rund 200.000 Personen unterzeichnet worden.
In Deutschland steigt die Zahl der Berufstätigen, auch dank der vielen Frauen wenngleich viele von ihnen Teilzeit arbeiten. Das hebt die Zahl der gearbeiteten Stunden insgesamt.
BERLIN – Die Nicht-Selbstständigen in Deutschland haben im vergangenen Jahr auch dank berufstätiger Frauen so viel gearbeitet wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr. Allerdings wurde diese Arbeitsleistung auch insgesamt von mehr Menschen erbracht als zuvor, wie aus einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) sowie des Instituts für Arbeitsmarktund Berufsforschung hervor, die gestern veröffentlicht wurde.
Die wöchentliche Arbeitszeit pro Beschäftigten sei in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich gesunken. Das Arbeitsvolumen der abhängig Beschäftigten habe 2023 bei 55 Milliarden Stunden gelegen. Im Jahr nach der Wiedervereinigung 1991 waren es noch 52 Milliarden Stunden. Würde man das Volumen der Selbstständigen mit berücksichtigen, ergäbe sich allerdings kein Rekordwert. Das Institut für Arbeitsmarktund Berufsforschung geht in seiner Arbeitszeitrechnung von einem Gesamtvolumen in Höhe von 61 Milliarden Stunden aus.
Studienautor Mattis Beckmannshagen führt den Anstieg vor allem auf einen Anstieg der Beschäftigung unter Frauen zurück - die allerdings zur Hälfte in Teilzeit arbeiten, obwohl viele von ihnen gern mehr arbeiten würden.
„Ihr Potenzial für den Arbeitsmarkt bleibt also teilweise ungenutzt“, betonte der Studienautor. Männer hätten dagegen Defizite bei der Kinderbetreuung und im Haushalt -Aufgaben, die immer noch überwiegend von Frauen übernommen würden. Beckmannshagen und seine Co-Autoren kommen zu dem Schluss, dass steuerfreie Überstunden zur Erhöhung des Arbeitsvolumens nicht zielführend seien. Es bestehe das Risiko, dass das Rollenverhältnis von Männern und Frauen zementiert werde.
Das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) war in seiner Arbeitszeitrechnung zu dem Schluss gekommen, dass pro Kopf im Jahr 2023 so wenig gearbeitet wurde wie noch nie in Deutschland - mit Ausnahme der Corona-Zeit. Die Arbeitszeit pro erwerbstätiger Person sei auf 1342 Stunden gesunken - 0,3 Prozent weniger als im Jahr zuvor. Mit durchschnittlich 15,2 Arbeitstagen seien Beschäftigte so lange krankgeschrieben gewesen wie noch nie zuvor.
Mit 42,05 Milliarden Menschen seien 0,9 Prozent mehr als Arbeitnehmer beschäftigt gewesen als im Vorjahr. Die Teilzeitquote sei mit 39,0 Prozent aber ebenfalls höher gewesen als in den Jahren zuvor. Die Zahl der bezahlten Überstunden fiel laut IAB trotz des akuten Arbeitskräftemangels auf 13,2 - so wenig wie seit 2016 nicht mehr.