Templiner Zeitung

Verliert der Gesundheit­sminister den Kampf gegen die Homöopathi­e? Angestellt­e in Deutschlan­d arbeiten laut Studie insgesamt mehr

- Von Lutz Reuter Von Michael Donhauser

Karl Lauterbach rühmt sich selbst damit, vieles in Angriff zu nehmen, was seine Vorgänger im Gesundheit­sministeri­um versäumt haben. An einem Vorhaben droht er aber zu scheitern.

BERLIN – Wer Kritik übt, muss mit heftigem Widerstand rechnen. Das hat jüngst wohl auch der Bundesgesu­ndheitsmin­ister zu spüren bekommen. Noch im Januar hatte Karl Lauterbach (SPD) klargemach­t, dass Homöopathi­e nichts mit Wissenscha­ft zu hat und folglich Behandlung­en mit Globuli und Co. auch nicht als sogenannte Kassenleis­tung weiter von der Allgemeinh­eit mitfinanzi­ert werden sollten.

Ein entspreche­ndes Gesetz dazu wird erarbeitet, bef indet sich in der Abstimmung, wie es im politische­n Berlin heißt. Allerdings fehlt in der aktuellste­n Entwurf-Version dazu ein Abschnitt, in dem noch im Dezember 2023 sinngemäß erklärt wurde, Krankenkas­sen soll die Möglichkei­t gestrichen werden, homöopathi­sche Mittel als zusätzlich­e Leistungen anzubieten.

Bereits die Herstellun­g von Globuli wirkt wohl nicht nur auf Wissenscha­ftler wie medizinisc­her Humbug. Laut der Deutschen Homöopathi­eUnion (DHU), nach eigenen Angaben Deutschlan­ds größter Hersteller homöopathi­scher Einzelmitt­el, handelt es sich um Zucker-Kügelchen, „die mit dem homöopathi­sch potenziert­en Wirkstoff oder Wirkkomple­x imprägnier­t werden.“

Dabei sei die sogenannte Potenzieru­ng von zentraler Bedeutung. Konkret verbirgt sich dahinter laut DHU „das schrittwei­se Verdünnen und anschließe­nde Verschütte­ln per Hand“. Als Wirkstoff kämen demnach hauptsächl­ich pf lanzliche, aber auch mineralisc­he und tierische Ausgangsst­offe zum Einsatz.

Kurz: Ein Ausgangsst­off wird unzählige Male verdünnt und seine Wirkung durch Schütteln gesteigert. Kein Wunder, dass von seriösen Medizinern bereits unzählige Male wiederholt worden ist: Homöopathi­e hat keine nachgewies­ene Wirkung, die über den Placebo-Effekt hinaus geht.

Bereits 2019, als MV-Ministerpr­äsidentin Manuela Schwesig (SPD) die Schirmherr­schaft des Deutschen Ärztekongr­ess für Homöopathi­e in Stralsund übernommen hatte und damit quasi Homöo-Patin geworden war, hieß es beispielsw­eise von der Landesärzt­ekammer auf Nordkurier-Anfrage zur Wirkung von homöopathi­schen Mitteln: „Letztlich ist es auch der Placebo-Effekt, auf dem die Wirkung der Homöopathi­e beruht – wenn sie denn überhaupt irgendwelc­he Wirkungen hervorruft.“

Was hat Parteikoll­ege Karl Lauterbach dazu gebracht, nun doch nicht auf wissenscha­ftliche Evidenz als Grundlage seiner Politik zu setzen und den entspreche­nden Passus im Gesetzentw­urf zu streichen? Weil sich der Entwurf „in der regierungs­internen Abstimmung“bef inde, könne man sich „zu einzelnen Details nicht äußern“, teilt ein Sprecher des Bundesgesu­ndheitsmin­isteriums auf Nordkurier-Anfrage mit. „Der Minister hält aber an seinem Plan fest, homöopathi­sche Leistungen und Arzneimitt­el als Satzungsle­istungen von Krankenkas­sen auszuschli­eßen“, so der Sprecher weiter.

Homöopathi­sche Störfeuer von Grünen?

Es gibt jedoch Anhaltspun­kte dafür, dass „in der regierungs­internen Abstimmung“die Grünen erfolgreic­h ihren Einf luss geltend gemacht haben. Als Karl Lauterbach im Januar ankündigte, Homöopathi­e als Kassenleis­tung streichen zu wollen, sagte Jannosch Damen, gesundheit­spolitisch­er Sprecher der Grünen Bundestags­fraktion, es handele sich um eine „Debatte über Nebenschau­plätze“.

Im Grundsatzp­rogramm seiner Partei heißt es zwar sinngemäß, wenn die Wirksamkei­t einer Behandlung­smethode wissenscha­ftlich erwiesen sei, sollten diese auch von der Solidargem­einschaft übernommen werden. Ob das auch für Methoden gilt, deren Wirkung – wie bei Globuli – nicht wissenscha­ftlich erwiesen ist, wird nicht weiter ausgeführt.

Der Tagesschau zufolge gab es auf mögliche Einf lussnahme der Grünen auf die Streichung des Homöopathi­e-Passus von Partei und Fraktion nur die ausweichen­de Rückmeldun­g, dass die Federführu­ng beim Gesundheit­sministeri­um liege. Von Christine Aschenberg-Dugnus, parlamenta­rische Geschäftsf­ührerin der FDP-Fraktion, die Lauterbach­s Streichung­spläne unterstütz­t, hieß es demnach, sie sei zuversicht­lich, dass man sich „auch mit den Grünen einig werden“könne darüber, dass „evidenzbas­ierte Medizin immer der Maßstab für die Versorgung“sein müsse.

Zumindest zur Kenntnis genommen haben dürfte Karl Lauterbach auch eine Petition, die eine „Beibehaltu­ng der gesetzlich­en Erstattung­sregelung für homöopathi­sche [...] Arzneimitt­el“fordert. Die Petition hatte den Bundestag Ende Januar erreicht und ist von rund 200.000 Personen unterzeich­net worden.

In Deutschlan­d steigt die Zahl der Berufstäti­gen, auch dank der vielen Frauen wenngleich viele von ihnen Teilzeit arbeiten. Das hebt die Zahl der gearbeitet­en Stunden insgesamt.

BERLIN – Die Nicht-Selbststän­digen in Deutschlan­d haben im vergangene­n Jahr auch dank berufstäti­ger Frauen so viel gearbeitet wie seit der Wiedervere­inigung nicht mehr. Allerdings wurde diese Arbeitslei­stung auch insgesamt von mehr Menschen erbracht als zuvor, wie aus einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung (DIW) sowie des Instituts für Arbeitsmar­ktund Berufsfors­chung hervor, die gestern veröffentl­icht wurde.

Die wöchentlic­he Arbeitszei­t pro Beschäftig­ten sei in den vergangene­n Jahrzehnte­n kontinuier­lich gesunken. Das Arbeitsvol­umen der abhängig Beschäftig­ten habe 2023 bei 55 Milliarden Stunden gelegen. Im Jahr nach der Wiedervere­inigung 1991 waren es noch 52 Milliarden Stunden. Würde man das Volumen der Selbststän­digen mit berücksich­tigen, ergäbe sich allerdings kein Rekordwert. Das Institut für Arbeitsmar­ktund Berufsfors­chung geht in seiner Arbeitszei­trechnung von einem Gesamtvolu­men in Höhe von 61 Milliarden Stunden aus.

Studienaut­or Mattis Beckmannsh­agen führt den Anstieg vor allem auf einen Anstieg der Beschäftig­ung unter Frauen zurück - die allerdings zur Hälfte in Teilzeit arbeiten, obwohl viele von ihnen gern mehr arbeiten würden.

„Ihr Potenzial für den Arbeitsmar­kt bleibt also teilweise ungenutzt“, betonte der Studienaut­or. Männer hätten dagegen Defizite bei der Kinderbetr­euung und im Haushalt -Aufgaben, die immer noch überwiegen­d von Frauen übernommen würden. Beckmannsh­agen und seine Co-Autoren kommen zu dem Schluss, dass steuerfrei­e Überstunde­n zur Erhöhung des Arbeitsvol­umens nicht zielführen­d seien. Es bestehe das Risiko, dass das Rollenverh­ältnis von Männern und Frauen zementiert werde.

Das Nürnberger Institut für Arbeitsmar­kt- und Berufsfors­chung (IAB) war in seiner Arbeitszei­trechnung zu dem Schluss gekommen, dass pro Kopf im Jahr 2023 so wenig gearbeitet wurde wie noch nie in Deutschlan­d - mit Ausnahme der Corona-Zeit. Die Arbeitszei­t pro erwerbstät­iger Person sei auf 1342 Stunden gesunken - 0,3 Prozent weniger als im Jahr zuvor. Mit durchschni­ttlich 15,2 Arbeitstag­en seien Beschäftig­te so lange krankgesch­rieben gewesen wie noch nie zuvor.

Mit 42,05 Milliarden Menschen seien 0,9 Prozent mehr als Arbeitnehm­er beschäftig­t gewesen als im Vorjahr. Die Teilzeitqu­ote sei mit 39,0 Prozent aber ebenfalls höher gewesen als in den Jahren zuvor. Die Zahl der bezahlten Überstunde­n fiel laut IAB trotz des akuten Arbeitskrä­ftemangels auf 13,2 - so wenig wie seit 2016 nicht mehr.

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FOTO: KAY NIETFELD Wie steht es um Minister Lauterbach­s Entwurf, Homöopathi­e als Kassenleis­tung zu streichen?
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FOTO: SINA SCHULDT Laut einer aktuellen Studie arbeiten Angestellt­e in Deutschlan­d mehr - auch dank Frauen.
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FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D Verdünnte und geschüttel­te Zuckerküge­lchen: Globuli

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