Wer singt und zwitschert denn da oben?
Wie klingen Kohlmeise, Gartenbaumläufer oder Mönchsgrasmücke? Antworten und Hörbeispiele finden sich in einem Kinderbuch der Eberswalder Wildnispädagogin Silke Oppermann. Damit verfolgt die 42-Jährige einen ganz bestimmten Zweck.
EBERSWALDE – In einem Waldstück in Eberswalde (Barnim) sitzt Silke Oppermann und lauscht aufmerksam dem vielstimmigen Vogelgesang. „Die Mönchsgrasmücke gibt sich geschwätzig, der Specht hämmert unüberhörbar und die Kohlmeise ist auch unverkennbar“, sagt die 42-Jährige. „Sitzi da, Sitzi da“, ahmt sie den Meisenruf nach. Nachlesen und nachhören können Interessierte ihn in einem VogelstimmenBuch, das Oppermann mithilfe einer CrowdfundigKampagne geschrieben und mit Hörbeispielen ausgestattet hat. Noch im April soll es erscheinen – in einer ersten Auf lage von 1000 Stück.
„Das Zwitschern der Vögel“nennt sich ihr speziell für Kinder geschriebenes, knapp 60 Seiten umfassendes Werk zum Mithören, Mitraten und Ausmalen. Die ausgebildete Wildnispädagogin arbeitet darin mit sogenannten Merksätzen, angelehnt an die Zwitscher-Klänge, die Lesern das Bestimmen der Vögel erleichtern sollen. „Hipp, hipp, hipp – Stamm auf, komm mit“, heißt es da etwa zum Gartenbaumläufer. „Kindern fehlt heutzutage der Bezug zur Natur, weil sie häufig nur noch vor dem Computer oder Handy sitzen. Dabei gibt es draußen so viel entdecken“, hat Oppermann bei ihrer Arbeit gemerkt und gelernt.
Das kann auch Christiane Schröder, Geschäftsführerin des Naturschutzbundes Deutschland (NABU), Landesverband Brandenburg, bestätigen. „Diese Entfremdung bemerken wir nicht nur bei Kindern, sondern auch bei
Erwachsenen – Vogelarten werden nicht mehr erkannt, geschweige denn am Gesang identifiziert.“Diese gesellschaftliche Entwicklung sei durch die Corona-Pandemie noch beschleunigt worden, glaubt sie. Die Ursache sieht Schröder auch im Bildungssystem. „Das Naturentdecken wird total vernachlässigt, es fehlt an Fachwissen. Personal, was sich auskennt, fehlt in Kitas und Grundschulen.“Selbst an Hochschulen werde vor allem Genetik und Biochemie gelehrt, angewandte Zoologie aber fehle, kritisiert die Biologin.
Der NABU versucht, mit einem Seniorenprojekt zu helfen. Die ausgebildeten Rentner veranstalten laut Schröder vom NABU Projekttage mit Kindern in der Natur. Vor allem in Kitas sei das Interesse an diesem Angebot groß. Und auch Buchautorin Oppermann wollte dem naturfernen Trend etwas entgegensetzen. Über Monate hat die gebürtige Kölnerin die Vogelrufe in der Natur aufgenommen und dabei durchaus interessante Unterschiede festgestellt. „Es gibt Rufe und Gesang. Der ZilpZalp ist eher ein Rhythmiker, der seinen Namen ruft, die Amsel liebt es länger und melodischer“, fasst sie zusammen. Bei Führungen hat die Wildnispädagogin, die sich auch mit Knotenkunde und Fährtenlesen auskennt, getestet, ob sich Kinder für Vogelstimmen begeistern lassen. „Nach anfänglichem Sträuben haben die gut mitgemacht.“
Ihr Buch hat Oppermann in einprägsamer Reimform verfasst. „Ich dichte halt gern, gerade in der CoronaZeit machte das Spaß.“Ihre Entwürfe las sie als Wildnispädagogin an Lagerfeuern vor. „Die Zuhörer fragten, wo sie denn das Buch dazu zu kaufen bekämen“, beschreibt sie die Entstehungsgeschichte. Im Buch schaut ein blondes Mädchen namens Lina-Katharina aus den unterschiedlichen Fenstern ihres Elternhauses und entdeckt bei jedem Blick einen anderen Vogel. Die Kohlmeise findet sich gleich auf dem Buchtitel, gemalt von der Eberswalder Künstlerin Catrin Sternberg.
Zunächst habe sie nur einige Vogelporträts malen sollen. Im Laufe der Entstehung wurde der Auftrag dann ein richtiges, buntes Kinderbuch, erzählt Sternberg. „Ich wünschte, ich hätte als Kind so ein Buch gehabt.“Die Arbeit habe ihr großen Spaß gemacht, vor allem, weil sie „niedlicher“malen konnte als sonst. „Ich bin da jetzt auf den Geschmack des Illustrierens gekommen und bleibe da weiter dran“, so das Fazit der Künstlerin.
Silke Oppermann kann nicht nur Reime und Merksätze: Die 42-jährige WahlEberswalderin ist inzwischen ein echter ScienceSlammer und spricht über Nachhaltigkeitsthemen bei Wissenschaftswettstreiten auf großer Bühne. Ihr Spezialthema: „Klimaneutral aussterben“. Oppermanns These: „Das Label Klimaneutralität wird dazu führen, dass irgendwann alle Produkte so gekennzeichnet sind, die Emission weiter steigt und wir aussterben.“Zunächst hatte sie Politikwissenschaften, Amerikanistik und Kulturanthropologie studiert, dann zehn Jahre in einem großen Konzern in München in der Unternehmenskommunikation gearbeitet.
„Mit der großen Flüchtlingswelle 2015 habe ich mir die Sinnfrage gestellt, meinen gut bezahlten Job gekündigt, um ein halbes Jahr lang Ökodörfer und Gemeinschaften im Ausland zu besuchen.“Das Zusammenleben von Menschen in unterschiedlichen Modellen sowie die ökologischen Zusammenhänge hätten die Wissenschaftlerin dabei besonders interessiert. 2018 kam Oppermann nach Eberswalde, um an der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Global Change Management zu studieren. „Dabei ging es darum, wie Umwelt- und Klimaauswirkungen angepasst und gemindert werden können.“Parallel habe sie bei verschiedenen Umweltorganisationen gearbeitet.