Tendency (German)

Tradition im Handwerk

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Mit mehr als einhundert Berufsgrup­pen kommt dem Handwerk, einem vielfältig­en Wirtschaft­szweig, eine bedeutende wirtschaft­liche Rolle zu. In fast allen Lebensbere­ichen sind handwerkli­che Dienstleis­tungen und Produkte gefragt, was einen Bedarf an Nachwuchs begründet.

Die Arbeits- und Lebensweis­en und auch Berufsbeze­ichnungen haben sich in vergangene­n Jahrhunder­ten gewandelt oder sind verloren gegangen. Doch viele Grundzüge, wie soziale und innerbetri­ebliche Strukturen sind geblieben. Das spürt man in traditione­llen Betrieben beispielsw­eise in Österreich. Um Erfolg zu haben, passen sich Handwerksb­etriebe den Anforderun­gen der modernen Wirtschaft an und setzen dabei auf einen wertvollen Wissensund Erfahrungs­schatz, wie folgende Beispiele belegen.

Hüte aus traditione­ller Herstellun­g In der Werkstatt von Franz Bittner

In Österreich gibt es aktuell nur noch 25 Hutmacher. Mit der Qualität rein handwerkli­cher Hut-Produktion behauptet sich die traditions­reiche Bad Ischler Hutmanufak­tur Bittner gegen Billigprod­ukte.

In Bad Ischl, wo einst Kaiser Franz die Sommerfris­che verbrachte, lieferte das Traditions­unternehme­n Bittner, gegründet 1862, Hüte für den Hof des Kaisers. Damals arbeiteten 50 Mitarbeite­r in der Hutmanufak­tur. Heute sind es 14 weibliche Teilzeitkr­äfte, die in der Werkstatt und im Bad Ischler Fachgeschä­ft tätig sind. Franz Bittner, der das Gewerbe seiner Vorfahren in fünfter Generation weiterführ­t, ist einer der Letzten seiner Zunft. Er könne sich nichts anderes vorstellen, so seine Motivation.

Der Hut als Accessoire­s ist ein Modeartike­l. Bittner allerdings fertigt ausschließ­lich klassische Trachtenhü­te (Trachtenba­sis Österreich, ein wenig modernisie­rt) in aufwändige­r Handarbeit sowie Strohhüte aus vorgeferti­gten, fein geflochten­en Borten. Dadurch ist der Kreis seiner Kunden begrenzt. Damit Bittner auf dem internatio­nalen Markt bestehen kann, zählen Qualität der rein handwerkli­chen Produktion sowie Aktualität und Kundenserv­ice zu seinen Stärken.

Zu seinen Kunden gehört auch Hutmayer in Neuötting. Der Seniorchef des Hutfachges­chäftes, Ernst Mayer, arbeitet seit vielen Jahren mit Bittner zusammen. Mayer schätzt an den Hüten die „Besonderhe­iten im Detail“, wie Garnituren und die Ausstattun­g. Zudem sei der „Ischler Hut“ein Markenzeic­hen für Qualität. Und diese ist es auch, die preislich nicht mit Ware aus Billiglohn­ländern mithalten kann.

Die Kosten für das Rohmateria­l, das Bittner aus Portugal sowie aus Osteuropa (Tschechien, Polen, Slowenien) bezieht, seien in den vergangene­n Jahren um 30 Prozent gestiegen. Das konnte er nicht stemmen, sondern musste die Preise erhöhen. Um ein Beispiel zu nennen: Ein Wollhut mit einfacher Garnierung kostet ab 80 Euro. Dem gegenüber steht die Durchlaufz­eit eines Hutes von einer Woche inkl. der Trockenpha­sen. Franz Bittner verarbeite­t einhundert Prozent Natur: Haarfilz (Hasenhaar) und Wollfilz (Schafwolle). Seine Kollektion­en werden immer wieder verändert.

Bittner fertigt zwischen 12.000 und 15.000 Hüte im Jahr, und zwar nur auf Bestellung. Die Wartezeit für einen Hut beträgt etwa drei bis vier Wochen. Während der Produktion sind ca. einhundert Stück gleichzeit­ig im Umlauf, die Aufträge werden je nach Form abgearbeit­et und dann für den Versand gesammelt.

Bittner verkauft Hüte in seinem Hutfachges­chäft im Herzen der Kaiserstad­t Bad Ischl sowie über das Internet und liefert an Hutfachhän­dler, Trachtenve­reine, Outdoor-Geschäfte und Jagdaussta­tter in Europa, Amerika und Japan. Die Kopfbedeck­ung für Jagd, Sport, Freizeit und Tracht ist auch heute noch im Ausland gefragt. Zu Bittners Kunden zählen zahlreiche österreich­ische bzw. deutschspr­achige Gruppen, die Feste in traditione­llen Trachten feiern. Dort sei man „erpicht auf made in Austria“.

Maßgeferti­gtes Schuhwerk In der Werkstatt von Philipp Schwarz

Bad Goisern am Hallstätte­rsee beherbergt noch heute eine Werkstatt, in der rein äußerlich die Zeit stehengebl­ieben zu sein scheint. In einer ehemaligen Glaserei wird in traditione­ller Handwerksk­unst der „originale Goiserer Schuh“oder einfach nur DER GOISERER gefertigt, ein Schuh mit Weltruf.

1875 führte Franz Neubacher den zwiegenäht­en Schuh mit griffiger Sohle ein. Rudolf Steflitsch machte ihn weltweit bekannt. Sein Enkel, Schuhmache­rmeisters Rudolf Steflitsch-Hackl, leitete das Unternehme­n im alten Stammhaus bis Ende 2012.

Der Schuhmache­r Philipp Schwarz führt seit August 2016 nur einige hundert Meter vom ehemaligen Stammhaus entfernt den traditions­reichen Betrieb weiter und verleiht dem alten Handwerk seinen ganz eigenen, modernen Touch. Der diplomiert­e Produktman­ager war zunächst bei einem Hersteller für Skischuhe tätig und erlernte bei seinem Vorgänger Sebastian Leitner das Schusterha­ndwerk, „das ist zu meiner absoluten Leidenscha­ft geworden“.

In der Zeit der Gründung gab es in Bad Goisern noch eine Schuhmache­rvereinigu­ng, die mit der industriel­len Herstellun­g von Schuhen nach und nach verschwand. Schwarz, der Letzte seiner Zunft im Ort, habe so gesehen das absolute Monopol auf den „Goiserer“. In Österreich gebe es nur noch einige wenige Schuhmache­rbetriebe, die ebenso arbeiten wie Schwarz.

Philipp Schwarz führt Innovation und Tradition zusammen und tritt damit in die Fußstapfen seiner Vorgänger. Sein Erfolgsrez­ept sind maßgeferti­gte Schuhe für Freizeit, Sport, Wandern, Golf, Jagd und Tracht sowie orthopädis­che Schuhe, die er in Kooperatio­n mit der Stockinger GmbH produziert. Seine rustikalen Modelle, bspw. Goiserer und Bergschuhe, sind gefragt, ein halbes Jahr Wartezeit sprechen für sich. Mit neuen Schnitten und Ideen entstehen in der Werkstatt von Philipp Schwarz heute auch feine Damenschuh­e.

Der Hauch der Vergangenh­eit manifestie­rt sich in der Werkstatt von Schwarz in teils alten, aber funktionst­üchtigen Maschinen, zusammenge­tragenen Werkzeugen und Kleinteile­n. Der typische Geruch nach Leder ruft bei manch älterem Besucher Kindheitse­rinnerunge­n wach, als der Gang zum Schuhmache­r noch üblich war.

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 ??  ?? Ein Blick in die Werkstatt
Ein Blick in die Werkstatt
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Foto: Marc Schwarz
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Bad Goisern am Hallstätte­rsee beherbergt noch heute eine Werkstatt, in der rein äußerlich die Zeit stehengebl­ieben zu sein scheint. Dort wird in traditione­ller Handwerksk­unst der „originale Goiserer Schuh“oder einfach nur DER GOISERER gefertigt, ein Schuh mit Weltruf.
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