Rat von der Expertin
Fragen der Redaktion TENDENCY® an Rechtsanwältin Alexandra Kaiser zum Thema Reiserecht
Ich habe eine Reise gebucht, weiß aber nicht, ob ich da sicher bin und habe ein ungutes Gefühl. Kann ich von der Reise zurücktreten, ohne dass für mich Kosten entstehen?
Grundsätzlich können Sie jederzeit vor Reisebeginn ohne Angabe von Gründen zurücktreten. Jedoch kann der Reiseveranstalter eine angemessene Entschädigung verlangen. Meistens ist schon im Vertrag (z.B. in den AGB) geregelt, wie hoch der Prozentsatz ist, § 651i BGB.
In Fällen höherer Gewalt besteht ein Sonderkündigungsrecht, § 651j BGB.
Dazu müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein: Es muss sich um höhere Gewalt handeln, die die Reise erheblich erschwert, gefährdet oder beeinträchtigt – und dies darf nicht bei Vertragsschluss vorhersehbar sein. Konkret heißt das vereinfacht, dass nicht schon bei der Reisebuchung z.B. Hurrikanwarnungen oder Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes vorgelegen haben dürfen. Diese sind letztlich aber nur Hinweise und lassen nicht unmittelbar ein Sonderkündigungsrecht entstehen,
wobei viele Reiseveranstalter aus Kulanz eine Umbuchung oder Ähnliches anbieten. Wenn es politische Unruhen in einem Land gibt, führt dies nicht auch automatisch zum Kündigungsrecht. Hier kommt es natürlich wieder auf den einzelnen Fall an: Ist nur eine Region betroffen, die in sicherer Entfernung zum Urlaubsziel liegt, wird eine Gefährdung nicht befürwortet werden. Auch einzelne Terroranschläge, sofern nicht gezielt Urlauber angegriffen werden, unterfallen – so zynisch das klingen mag - dem allgemeinen Lebensrisiko, da man letztlich überall Opfer eines Anschlags werden kann
Jedoch ist immer der einzelne Fall zu betrachten, so dass man keine Schablone über einen Fall legen kann und dieser ist dann gelöst. Wenn ein Fall vor Gericht landet, achtet der Richter natürlich auf Entscheidungen in ähnlich gelagerten Fällen, doch letztlich nimmt er eine sog. „freie Beweiswürdigung“vor.
Zu guter Letzt können Sie die Reise auf jemand anderen übertragen, wenn dieser die besonderen Reiseerfordernisse erfüllt (bspw. bei einer Tauchreise oder Trekking-Tour), § 651b BGB und Ihre Bedenken nicht teilt.
Immer mehr Menschen dokumentieren in ihrem Urlaub vermeintliche und tatsächliche Mängel und wollen nach ihrem Urlaub Teile des Reisepreises zurück. Stellen Sie das in Ihrer täglichen Arbeit auch fest?
Bei manchen Menschen scheint es tatsächlich eine Art Sport zu sein, nach dem Urlaub möglichst viel Geld zurück zu bekommen. In der Wahrnehmung werden das immer mehr. Das hat aber zum einen mit dem erhöhten medialen Interesse zu tun, zum anderen mit der Tatsache, dass die Anzahl der Rechtsschutzversicherten steigt und sich einige denken, dass es einen Versuch wert ist, weil die Selbstbeteiligung bei der Versicherung vielleicht nur sehr gering ist. Bei meinen Mandanten ist es jedoch so, dass auch objektiv die Reise nicht optimal verlaufen ist und selbst wenn man ein entspanntes Verhalten an den Tag legt und seinen Urlaub hauptsächlich genießen will, Dinge schief gelaufen sind, die einen entspannten Urlaub (zumindest zeitweise) nicht mehr möglich machen.
Man darf nicht vergessen, dass die verfügbare Zeit immer mehr optimiert werden soll. Das macht auch vor den schönsten Tagen des Jahres nicht Halt. Und wenn eine Familie nur zwei Wochen Urlaub gemeinsam hat, dann nehmen Umstände, die früher vielleicht einfach lästig gewesen wären, einen viel größeren Raum ein. Doch das ist eher mein philosophischer Ansatz, die Dinge zu sehen. Ich persönlich glaube nicht, dass Reisen oder Hotelaufenthalte in den letzten Jahren um so vieles schlechter geworden sind, wie die gestiegene Anzahl der Reiserechtsfälle vermuten lässt.