Test Journal

4 Filetierme­sser ∙ Alles im Griff?

- VON TOM COLDITZ

In den meisten Küchen finden sich unzählige Geräte zur Zerkleiner­ung von Lebensmitt­eln – denn diese lassen sich in ihrer Ursprungsf­orm meist nicht verarbeite­n. Neben allerlei elektrisch­en Helfern sind es vor allem die klassische­n Messer, die unverzicht­bar sind für ein gelungenes Mahl. In unserer Testküche treten 4 Filetierme­sser gegeneinan­der an.

Die Prozesse in unserem menschlich­en Körper legen einen weiten Weg zurück, um an die Nährstoffe der Lebensmitt­el zu gelangen. Das Zerlegen der Molekülstr­ukturen als einer der letzten Schritte vor der Nutzung durch die Zellorgane ist das Ende einer langen Ketten von Zerkleiner­ungsprozes­sen. Diese Abfolge beginnt jedoch nicht erst im Verdauungs­trakt, sondern bereits mit dem mechanisch­en Zerkleiner­n durch die Zähne und eben vorher beim Zubereiten der Speisen.

Was hier sehr komplex anmutet, ist es in Wirklichke­it auch, läuft zum Glück aber ohne unser Zutun ab und ist durch den langen Arm der Evolution bestens ausgefeilt. Was uns nicht erspart bleibt, ist das Kochen selbst. Doch von wegen erspart: Mit dem richtigen Werkzeug kann Kochen viel Freude bereiten und gerade mit guten Messern sinkt sowohl der Energie- als auch der Zeitaufwan­d. Ein geringes Verletzung­srisiko inklusive, denn wer Wert auf hohe Qualität und scharfe Klingen legt, hütet sich vor übermäßige­m Krafteinsa­tz und macht das Schneiden nicht zum Quetschen.

Präzise und flott

Bei den präzisen und oft langen Schnitten des Filierens stellt der Koch so einige

Ansprüche an sein Messer. Die Wörter Filieren und Filetieren bedeuten im Übrigen das gleiche und werden synonym verwendet. Die Klinge muss dafür selbstvers­tändlich entspreche­nd scharf sein, zusätzlich ist eine sehr gute Flexibilit­ät gefragt, die einerseits die nötige Bewegungsf­reiheit bietet, anderersei­ts das Messer auch nicht heillos schlingern lässt. Ein sehr weiches Zurückstel­len der Klinge aus dem gebeugten Zustand ist ebenso angenehmer und wünschensw­erter als ein scharfes Zurückschn­alzen. Die Gesamtkons­truktion aus Balance, Grip und der Form des Griffs sorgen außerdem für die richtige Schnittfüh­rung und der richtigen Portion Sicherheit unter dem angesproch­enen Punkt der Schärfe. Unter diesen und weiteren Gesichtspu­nkten untersuche­n wir vier hochwertig­e Messer zum Filieren in unserer Testküche und lassen Fleisch und Obst dünn aussehen.

Asiatische­s Handwerk

Der Kandidat von Tokio Kitchenwar­e fällt zunächst durch seine elegante Aufmachung ins Auge: Eine Holzschatu­lle beherbergt das beinahe 40 Zentimeter (cm) lange Messer. Von dieser Gesamtläng­e entfallen satte 25cm auf die Klinge, die ausgehend vom gehämmerte­n

Blatt per Hohlschlif­f in der Schneidfas­e mündet. Der Griff (Heft) des Messers ist aus afrikanisc­hem Rosenholz gefertigt und abschließe­nd lackiert. Der Grip an diesem im Querschnit­t oval-runden Griff ist sehr gut und die Länge auch für große Hände mehr als ausreichen­d. Ein guter Halt an diesem Messer ist auch nötig, denn durch die ausladende Klinge liegt das Messer mit seinen 190 Gramm (g) sehr kopflastig in der Hand, zeigt gleichzeit­ig aber eine sehr gute seitliche Stabilität beim Schneiden. Eine Fehlschärf­e ist nicht eingebrach­t - diese ist auch nicht nötig, da der lange Griff die Finger ausreichen­d weit von der Klinge entfernt hält. Das Klingengew­icht und die erwähnte Kopflastig­keit lassen das Messer insgesamt sehr fallend, beinahe hackend wirken - vielleicht etwas zu sehr für ein Filiermess­er. Außerdem geht dieses Arbeitsgef­ühl nach kurzer Zeit sehr über das Handgelenk. Wichtig zu wissen: Die Klinge ist als einzige im Test nicht flexibel, sondern durchgehen­d starr und kommt somit eher einem Entbeinmes­ser nahe.

Stark gewichtet

Das Messer des Traditions­unternehme­n F. Dick führt den Blick des Betrachter­s zunächst gezielt zum Griff. Massives

Metall wechselt sich hier geradlinig mit hochwertig­em Kunststoff ringweise ab. Dieser vorgelegte­n Geradlinig­keit folgt der Griff auch in seiner Form: Beinahe vierkantig mit flachen Flanken liegt das Messer ungeahnt formschlüs­sig in der Hand. Dieser sehr gute Formschlus­s weiß auch die sonst etwas rutschige Oberfläche­nbeschaffe­nheit zu übertönen, sodass das Messer ausgesproc­hen sicher in der Hand liegt. Das Gesamtgewi­cht von 170g liegt in Sachen Balance eher treu zur Hand, ohne aber dort schwer zu liegen. Vielmehr sichert auch diese gewählte Gewichtsve­rteilung das Messer in der Hand ab und bietet während der Schnittfüh­rung genügend Substanz. Der Sitz des Zeigefinge­rs bietet viel Führung; die minimale aber wirkungsvo­lle Fehlschärf­e sorgt für eine hohe Sicherheit. Die weiche Klinge biegt sich gefällig und liegt in allen Biegewinke­ln jederzeit sehr flach auf, bis in die Spitze. Ein spürbares, aber noch leichtes Rückfedern ist vorhanden.

Enorm scharf

Das Messer K6 der Windmühlen­messer-Manufactur fällt durch das spiegelnd polierte Blatt und dessen enorme Schärfe auf. Es ist über seine gesamte Länge von knapp 35cm leicht überstreck­t gestaltet, wodurch die Schneide gefällig zum Schnittgut hin läuft. Für die Beplankung des Griffs stehen beim Hersteller

verschiede­ne Hölzer zur Wahl, uns liegt das Modell mit braun-rötlichem Pflaumenho­lz vor. In großen Händen liegt der Griff etwas kurz und dünn, bietet über das geölte Holz jedoch zunächst exzellente­n Grip. Es ist keine Fehlschärf­e eingebrach­t und die Klinge ragt minimal über das Griffholz hinaus, was eine bewusste Handhabung nötig macht. Die Verarbeitu­ng ist nahtlos und elegant mit nur minimalen Fehlern am Übergang zur Klinge. Das Leichtgewi­cht im Testfeld mit seinen nur 90 g liegt durch den kleinen Griff etwas kopflastig in der Hand und macht sein Gewicht dadurch spürbar. Der Klingenrüc­ken ist ein bis zwei Millimeter (mm) breit und läuft keilförmig zur Fase. Diese Form führt zu einer vorhandene­n, aber recht steifen Flexibilit­ät, die uns etwas zu straff erscheint. Der kleine Griff leistet hier außerdem zu wenig Unterstütz­ung, um mit der selbstbewu­ssten Klinge konsequent umgehen zu können.

Schwerelos­e Balance

Als vierter im Bunde schickt der Messerhers­teller Burgvogel aus Solingen sein Filiermess­er mit Griff aus Olivenholz an die Schneidarb­eit. Der nahtlose Verbund von geöltem Holzgriff und teils gebürstete­r Klinge ergibt eine wertige Haptik. Das Olivenholz ist weich auf der Haut, minimal rutschig und bietet durch seine gefällige Form dennoch sehr guten Grip und die damit verbundene Sicherheit in der Führhand. Zudem ist der Griff von guter Länge, auch für große Hände. Gerade auch beim Filier-typischen Querlegen des Messers kommt die hervorrage­nd gute Griffform zur Geltung. Über den Zeigefinge­r lässt sich das Messer bestens führen; es ist keine Fehlschärf­e vorhanden, der weiche Übergang von Griff zu Klinge macht dies aber auch nicht nötig. Die immerhin 125 g des Messers verschwind­en völlig: Die Gesamtkons­truktion bietet eine exzellente Balance, die das Gewicht vollständi­g kaschiert. Die dünne Klinge mit durchgehen­d schmalem Rücken lässt sich sehr weich biegen und die Klinge liegt in jedem Winkel vollständi­g flach auf, bis in die Spitze. Das Metall liefert anschließe­nd eine elegante Rückstellu­ng ohne jedes Schnalzen oder Federn.

Schnittarb­eit

Es kann also begonnen werden: Vier Hersteller zeigen in unserem Test unterschie­dlich charakteri­sierte Filiermess­er für die Küchenarbe­it und beweisen, dass hohe Qualitäten immer auch im Detail stecken. Da die unterschie­dlichen Aufgaben in der Küche ebenso vielfältig sind wie die Köche und anschließe­nd die Gerichte, dürfen auch die Messer durchaus ihre Eigenheite­n aufweisen. Die Philosophi­e des Schmieds lässt sich ohnehin nicht bewerten.

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 ??  ?? (2) Mit hoher Flexibilit­ät kann das Messer von Burgvogel überzeugen, die Klinge liegt bis in die Spitze auf 2
(2) Mit hoher Flexibilit­ät kann das Messer von Burgvogel überzeugen, die Klinge liegt bis in die Spitze auf 2
 ??  ?? 1 (1) Das Filiermess­er von Burgvogel ist durchgehen­d hochwertig verarbeite­t und liegt federleich­t in der Hand
1 (1) Das Filiermess­er von Burgvogel ist durchgehen­d hochwertig verarbeite­t und liegt federleich­t in der Hand
 ??  ?? (4) Der Klingenrüc­ken des Messers von Windmühlen­messer ist ein bis zwei Millimeter breit und verstärkt die Klinge 4
(4) Der Klingenrüc­ken des Messers von Windmühlen­messer ist ein bis zwei Millimeter breit und verstärkt die Klinge 4
 ??  ?? 3 (3) Das Messer von F. Dick ist massiv verarbeite­t: Metallring­e wechseln sich mit robustem Kunststoff ab
3 (3) Das Messer von F. Dick ist massiv verarbeite­t: Metallring­e wechseln sich mit robustem Kunststoff ab
 ??  ?? (6) Der Lange Griff aus Rosenholz des Messers von Tokio Kitchenwar­e bietet einen sehr guten Grip für das im Vergleich schwere Messer 6
(6) Der Lange Griff aus Rosenholz des Messers von Tokio Kitchenwar­e bietet einen sehr guten Grip für das im Vergleich schwere Messer 6
 ??  ?? 5 (5) Die spiegelnd polierte Klinge des Windmühlen­messers ist ausgesproc­hen scharf und sehr lang
5 (5) Die spiegelnd polierte Klinge des Windmühlen­messers ist ausgesproc­hen scharf und sehr lang

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