180 Sekunden
Wie in Erfurt Jungunternehmer ihre Geschäftsideen potenziellen Investoren präsentierten – in jeweils drei Minuten auf einer Theaterbühne
Man muss sich das ungefähr so vorstellen: Ein junger hoffnungsvoller Mitarbeiter hat eine glänzende Geschäftsidee, aber einen vielbeschäftigen Chef. Also greift er zu einer List. Er lauert dem Chef am Fahrstuhl auf, wartet bis sich die Türen schließen und legt los. Der Vorteil: Im Fahrstuhl kann der Chef nicht entkommen, es bleibt ihm nichts anderes übrig, als zuzuhören. Der Nachteil: Der junge Mitarbeiter hat nicht viel Zeit.
Das ist das Prinzip des „Elevator Pitch“– Verkaufsgespräch im Fahrstuhl. Der Ursprung ist in den USA zu finden, wo die Bürotürme hinreichend hoch sind, inzwischen gibt es „Elevator Pitches“fast flächendeckend, sogar im Fernsehen. Nur dass es nicht die Chefs sind, die es zu überzeugen gilt, sondern potenzielle Investoren. Man könnte auch sagen: Idee sucht Geld. Und dass diese Gespräche nicht im Fahrstuhl stattfinden, sondern an möglichst repräsentativen Orten. Zum Beispiel im Erfurter Theater.
Im Foyer, wo sonst Herrschaften in Premiere-Roben mit Sektgläsern flanieren, drängen sich um Bistrotische die Kandidaten. Requisiten gibt es auch, Monitore, kleine Versuchsanordnungen, Tafeln mit Piktogrammen, sogar ein Roboter.
Eine atmosphärische Stichprobe an Tisch 12: Tizian Adam, 24, Fachinformatiker, sein erstes „Pitching“. Er wirbt für ein Portal, dass Fitness-Armbänder verschiedener Systeme für die Benutzer vergleichbar macht. Aufgeregt? Klares „Ja“. Wie oft geübt vor dem Spiegel? Ich habe aufgehört zu zählen. Wie viel Euro braucht er? 50 000.
Im Zuschauerraum begrüßt Moderatorin Seraphina Kalze das Auditorium. Ah, so sieht Geld aus! Dann erklärt sie die Regeln. 180 Sekunden hat der Kandidat Zeit, um seine Geschäftsidee zu erklären. Keine Sekunde länger, dann wird das Mikro abgeschaltet, gnadenlos. Für die Wertung haben die Juroren unten im Saal Abstimmungsgeräte, bitte drücken und richtig fest. Geld gibt es auch, Spielzeuggeld fürs Erste, die hat jeder Zuhörer in der Tasche. 500 000 Euro in kleinen Scheinen, die möge man bitte in den Pausen in die Pappboxen seiner Favoriten auf den Bistrotischen stecken. So wird später der Publikumssieger ermittelt, eine Abstimmung gewissermaßen in der Sprache der Branche.
Die Moderatorin läuft während der Erklärung von einem Bühnenrand zum anderen, das wirkt sehr dynamisch-progressiv, wer will, kann dahinter eine Botschaft des Tages lesen. Zuvor gibt es noch eine Botschaft der Zuversicht. Stephan Schambach, Gründer von Intershop Communications, erzählt von seiner jüngsten Idee, braucht dafür aber länger als drei Minuten. Das macht aber nichts, er ist nicht hier, um einen Investor zu finden, sondern als leibhaftiger Beweis dafür, wie aus einer Idee ein weltumspannendes Geschäft werden kann, das eine Menge Geld umsetzt. Ach ja, und das Geld, das solle man nicht erst besorgen, wenn man es braucht, sondern wenn man es bekommt. Ein Tipp, der für die Kandidaten hinter der Bühne derzeit von eingeschränktem Nutzen ist, denn sie brauchen Geld, und zwar: jetzt.
Bettina Brammer von VivoSensMedical braucht sogar eine ganze Menge. Fünf Millionen für die Idee aus der Medizintech- nik, mit dem Frauen ihren gesamten Zyklus genau abbilden können. Sie ist die Erste an diesem Tag, wird auch eine der Ersten bleiben, einer der vier Preise wird am Ende des Nachmittags an sie gehen. Aber noch ist alles offen, noch warten 20 Kandidaten auf ihren Auftritt.
Die Projekte klingen zusammengefasst etwa so: Ein EKGBrustgurt mit einem gezielten Mess-und Auswertungsservice. Ein Flüssigkeitssensor, der zum Beispiel jedem Landwirt erlaubt, die Milchqualität jeder einzelnen Kuh sofort zu bestim- men. Ein Verfahren, mit dem man erstmals alle Rückstände von Medikamenten aus Abwässern herausfiltern kann. Eine faltbare Box für das Autodach, in denen Frauen künftig nicht nur den halben, sondern den ganzen Inhalt ihres Kleiderschankes in den Urlaub mitnehmen können.
Julius Falk bringt einen roten Heliumballon auf die Bühne, mit dem er eine Technologie demonstriert, die Berührungen auf unebenen Oberflächen misst. Die beiden Damen von der Upyama GmbH erscheinen 21 Jungunternehmer hatten ihre Geschäftsideen vorgestellt. Sieger wurden:
Novum engineering GmbH für eine Leistungselektronik mit Echtzeitüberwachung und Fehlerkorrektur für Batterien, Solaranlagen und Brennstoffzellensysteme.
VivoSensMedical GmbH und R3 Communications mit einer Einkaufstasche, um eine Einkaufs-App zu erklären, die grüne Anbieter im nahem Umkreis automatisch erkennt und anzeigt. Unter ihren Pumps blitzen grüne Sohlen, Biogrün statt Luxus-Rot der teuren Edelschuhe von Louboutin. Eine hübsche Idee und sie kostete keine überflüssige Sekunde.
Solche szenischen Einlagen gibt es indes wenige. Auf der Opernbühne, wo sonst tragische Helden vor üppigen Szenenbildern ihre Tragödien in die Welt schmettern, dominierte die puristische Einmannshow. 180 Se- GmbH für eine Medizintechnik, die den gesamten weiblichen Zyklus abbildet.
R3 Communications GmbH für eine Technologie zur drahtlosen Industriekommunikation.
Den Publikumspreis erhielt die Upyama GmbH mit einer Einkaufs-App für regionale grüne Anbieter. kunden sind nicht viel Zeit für ein Projekt, über dem man Monate oder Jahre gegrübelt hat.
Aber es gibt ja auch noch die Pausen dazwischen, die sind auch eine Chance. Gespräche, Schnittchen, viele gezückte Visitenkarten. Eine Besucherin lässt sich innovativ den Blutdruck messen. Den Damen von Upyama nähert sich die Mitarbeiterin einer Tourismus-Agentur, nein kein Geld, aber womöglich wertvolle Kontakte. Und ein Interessent habe sich auch schon gemeldet. Wir hatten ja, sagen sie, vergessen zu erwähnen, dass wir schon Umsatz fahren. Investoren hören so etwas gern.
An einigen Bistrotischen herrscht ein ziemliches Gedränge, man könnte daraus einiges ableiten, aber wir wollen nicht vorgreifen. Hier werden ja keine Papiere unterschrieben, höre ich am Synantik-Stand.
Am Tisch 12 erholt sich Tizian Adam vom überstandenen Auftritt. Zufrieden? Sehr zufrieden, lief gut, kein Aussetzer. Schon Interessenten? Noch nicht, aber hier drinnen klappert es schon, verkündet er und schüttelt die Geldbox. Gut gefüllt, aber die Scheine sind ja nicht echt. Ein Investor müsste her.
21 junge Gründungsideen Geld ist nicht alles, auch Kontakte zählen
Wie erkennt man einen Investor? An der Versace-Krawatte? Am prüfenden Blick? Am Geldkoffer in der Hand?
Hier erkennt man sie am roten Streifen auf dem Namensschild: Investor. Schon fündig geworden? Eine Frage, auf die ich keine klare Antwort bekomme. Investoren sind vorsichtige Menschen. Einer findet die Klappbox auf dem Autodach interessant, Ein anderer lobt das Verfahren der Gewässerreinigung, ein anderer die Veranstaltung als solche und die Vielfalt der Ideen.
So komme ich nicht weiter, frage so: Wie müsste eine Präsentation sein, um Geld locker zu machen? Da kommt schon Genaueres. Das Team sei wichtig, sagt einer und spricht von Leidenschaft. Er müsste schon überzeugt sein, dass die Leute mitziehen und nicht stecken bleiben bei der ersten Schwierigkeit. Erste Umsätze müssten schon da sein, erklärt ein anderer. Der Markt müsste groß genug sein für das Produkt, auch international, sagt ein dritter.
Inzwischen wird im Saal zur letzten Runde gerufen. So eine Bühne ist ein sehr einsamer Ort, raunt neben mir eine Dame. Sie wisse das sehr gut, sie komme aus Göttingen, vor zwei Jahren hat sie in Erfurt selber ihr Projekt vorgestellt. Ein Aeromobil, ein Leichtfluggerät, mit dem man zum Beispiel schnell in Katastrophengebiete gelangen könne. Ihr Vater, ein Kfz-Meister, hat es erfunden.
Und, Erfolg gehabt? Nein, bedauert sie, sie suche noch nach einer Lobby. Es klingt aber gar nicht traurig, wie sie das sagt. Sie sei hier, weil sie dieses Format so anregend findet. So viele Ideen. Fast spannender als eine Oper.
Nur nicht so tragisch. Und manchmal sogar mit einem Happy End. Beim Elevator Pitch im vergangenen Jahr, erfahre ich von Christiane Kilian, sei es immerhin zu drei Investitionen gekommen. Sie ist Projektleiterin bei der Stiftung für Technologie, Innovation und Forschung Thüringen, neben der „bm-t beteiligungsmanagement“einer der beiden Ausrichter. Drei von etwa 20, das sei, sagt sie in der Branche eine wirklich gute Quote.